Schnäpp­chen-Platt­form Temu beugt sich Verbraucherschützern

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Schnäpp­chen-Platt­form - Temu beugt sich Verbraucherschützern

Onlineshopping. Platt­formen wie Temu bieten Waren zu Billigst­preisen an. Doch der Einkauf birgt Risiken. © Getty Images

Auf manipulative Werbung will die Shopping-Platt­form künftig verzichten. Der vzbv hatte Temu dafür abge­mahnt. Unser Schnell­test zeigt: Die App saugt mehr Daten als nötig.

„Beeile dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb“! Mit solch manipulativen und verbotenen Werbeein­blendungen setzt Temu die Besucher seiner Online-Shopping-Platt­form bislang unter Druck. Damit soll nun Schluss sein.

Die hinter Temu stehende Whaleco Technology Limited hat auf eine Abmahnung des Verbraucherzentrale Bundes­verbandes (vzbv) von Ende März 2024 reagiert und eine Unterlassungs­erklärung unterzeichnet. Die Betreiber haben sich verpflichtet, die von der vzbv bean­standeten Verstöße abzu­stellen. Aufgrund der Unterlassungs­erklärung verzichtet der vzbv auf eine Klage gegen Temu, wird aber bei einem erneuten Verstoß eine Vertrags­strafe fordern, heißt es in einer Pressemitteilung des vzbv.

Das kritisieren die Verbraucherschützer

Dark Patterns sind seit dem Inkraft­treten des Gesetzes über digitale Dienste am 17. Februar 2024 verboten. Damit sind Designs auf Websiten oder Apps gemeint, die Benutzer dazu verführen sollen, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht wollen. Zum Beispiel mehr Daten über sich Preis zu geben als nötig. Neben Dark Patterns hatten vzbv-Verbraucherschützer bei Temu noch mehr kritisiert. Zum Beispiel Rabatt­versprechen ohne Referenz­preise, fehlende Angaben zu Anbietern sowie intrans­parente Produktbe­wertungen.

Breites Angebot an Waren

Schnäpp­chen-Platt­form - Temu beugt sich Verbraucherschützern

© Temu

Wer über die -Temu-App oder im Netz die Seite besucht, findet etwa Mode, Elektronik­artikel, Küchengeräte, Spielsachen und allerlei Bizarres wie aufblas­bare Badewannen oder Melonenkern­schäler. Jeder Artikel scheint um 50 Prozent und mehr reduziert zu sein. Die Kundenbe­wertungen fallen alle­samt auffällig positiv aus.

Vieles ist unglaublich billig. Smartphones kosten teils weniger als 40 Euro, kabellose In-Ear-Kopf­hörer gibts für unter 6 Euro. Außerdem lockt die Platt­form mit zusätzlichen Preis­nach­lässen und Gratis­versand ab einem Mindest­bestell­wert von 15 Euro – dabei kommen die Waren häufig aus China. Die Liefer­zeiten werden mit über­schaubaren sechs bis zwölf Werk­tagen angegeben. Bei Verspätung verspricht Temu eine Gutschrift von 5 Euro.

Steigende Umsätze

Die Masche mit der aggressiven Werbung zieht: Umfragen zufolge haben 26 Prozent der Deutschen in den letzten sechs Monaten über Temu einge­kauft. Täglich sollen etwa 200 000 Temu-Pakete in Deutsch­land ausgeliefert werden. Für andere Händler ist Temu längst zu einer ernsten Konkurrenz geworden. In Deutsch­land liegt Temu hinter Amazon, Ebay und Otto auf Rang vier der erfolg­reichsten Onlinemarkt­plätze.

Viele Kunden­beschwerden

Die Verbraucherzentralen sehen den Billigheimer mehr als kritisch und melden zahlreiche Beschwerden von Kundinnen und Kunden. Diese berichten, Bestelltes nicht erhalten zu haben. Eine schlechte Qualität der Waren wird kritisiert, fehlende oder unver­ständliche Gebrauchs­anweisungen und ein kaum erreich­barer Kunden­service. Bei elektronischen Waren fehle häufig das CE-Sicher­heits­zeichen. Zudem könnten Steuern anfallen, wenn die Produkte mehr als 5,26 Euro kosten.

Nied­rige Preise, hohe Risiken

Schlimmer noch: Bei Temu gekaufte Billigware kann sogar gefähr­lich werden. Die italienische Verbraucher­organisation Al­tro­consumo kaufte 15 Produkte auf der chinesischen Platt­form. Keines war einwand­frei − darunter ein Teddybär mit verschluck­baren Klein­teilen und ein E-Scooter-Helm mit defektem Kinn­gurt und viel zu dünner Pols­terung.

Die Tester der britischen Verbraucher­zeit­schrift Which? rieten zudem von drei Heißlüftern ab, die sie bei Temu gekauft haben. Alle erwiesen sich als riskant. Sei es, dass sie schlecht montiert und stromführende Teile zu leicht zugäng­lich waren oder Bauteile nicht den Sicher­heits­stan­dards entsprachen. Die Geräte könnten explodieren, einen Strom­schlag oder sogar einen Brand verursachen.

Die Ware kommt meist von Dritt­anbietern

Temu ist selbst kein Händler, sondern ermöglicht es Dritt­anbietern, Waren auf seiner Platt­form anzu­bieten. Weil Artikel meist direkt von den Herstel­lern kämen, seien nied­rige Preise möglich, so die Verbraucherzentralen. Dass die verkauften Waren fair produziert werden, sei zu bezweifeln. Klar ist: Welt­weite Lieferungen und Rück­sendungen belasten die Umwelt stark. Nach­haltig ist der Handel mit Billigwaren sicherlich nicht.

Temu über­nimmt keine Verantwortung

Wichtig für Verbrauche­rinnen und Verbraucher: Laut den Nutzungs­bedingungen über­nimmt Temu keine Verantwortung für Produktqualität und Richtig­keit der Produkt­beschreibungen. Die Verbraucherzentralen raten, nur auf Rechnung zu bestellen, vorab die Zoll- und Abgabebedingungen zu prüfen und Push-Nach­richten von Temu abzu­schalten.

Tipp: Wie Sie sicher im Netz einkaufen, erfahren Sie in unserem Special Onlineshopping.

Schnell­test: Diese Daten sendet die App

Wir haben im Schnell­test geprüft, was die Benut­zung der Temu-App an persönlichen Daten kostet. Dafür haben wir uns die Android- und die iOS-Version sowie die Daten­schutz­erklärung angeschaut. Zusätzlich kontrollierten wir, wie gut das Nutzer­konto davor geschützt ist, dass Dritte darauf zugreifen können.

Daten an Facebook & Co

Sowohl die iOS- als auch die ­Android-App senden nicht nur Daten an Temu, sondern auch an dessen Partner. So erhält etwa Facebook Angaben zum Mobil­funkanbieter des Nutzers sowie Informationen, die das Tracken von Nutzern erlauben. Das bewerten wir als eher geringe Mängel. Kritischer sehen wir, dass die Android-App die individuelle IP-Adresse des Handys über­trägt. Das ist unnötig, wie die iOS-App zeigt, die darauf verzichtet.

Nutzer­konto über zweiten Kanal sichern

Wer bei Temu bestellt, muss zuvor ein Nutzer­konto anlegen. Der Zugang zum Konto ist unserem Schnell­test nach insgesamt hinreichend abge­sichert. Es gibt zum Beispiel einen Schutz vor zu einfachen Pass­wörtern und häufigen Anmelde­versuchen. Das erschwert Hackern den Zugriff und Miss­brauch der Daten.

Außerdem gibt es die Möglich­keit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung, also die Absicherung des Logins über einen zweiten Kanal wie SMS oder eine Authenticator-App, die ein Einmalpass­wort erzeugt. Sicher­heits­bewusste Shopper sollten diese Möglich­keit nutzen.

Daten­schutz­erklärung

Geringe Mängel haben wir in der Daten­schutz­erklärung gefunden. Hier hält sich Temu weit­gehend an die gesetzlichen Bestimmungen.

test-Fazit: Mehr als nötig

Im Vergleich mit anderen Apps, die wir testen, liegt Temus Daten­hunger im Mittel­feld. Wer die App nutzt, gibt mehr Informationen von sich preis, als dies für den Bestell­prozess nötig wäre. Das gilt besonders für alle, die ein Android-Smartphone verwenden.

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8 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Eliasss74 am 19.05.2024 um 11:26 Uhr
    Nun gut, aber ...

    Nun gut, dass Temu sich vermeintlich der Stiftung Warentest beugt. Schrott bleibt Schrott. Wenn ihr schon Geld unbedingt los werdet wollt, dann spendet es bitte an Bedürftige.Danke!

  • Mulder2024 am 17.05.2024 um 15:01 Uhr
    Temu Qualität und Mindestbestellwert

    Mal abgesehen von der Qualität der Ware und den unwahrscheinlich guten 5Sterne Bewertungen der Kunden,die den Artikel zwar gekauft aber noch nicht mal ansatzweise getestet haben, fährt Temu eine neue Schiene. Lag der Mindestbestellwert vorher noch bei unschlagbaren 15 Euro so hat der Amazon Riese aus Fernost jetzt die Bedingungen angepasst. Der Mindestbestellwert liegt jetzt zumindest bei bei meiner letzten Recherche bei 25 Euro.

  • marotoma am 10.04.2024 um 10:05 Uhr
    Das Problem ist die Kundschaft

    Der Erfolg von Temu zeigt, dass man Konsumenten nicht vor sich selbst schützen kann, da jeder immer alles billig haben will und bei vielen der Habenwollen-Instinkt über alles siegt. Ein wenig lächerlich mutet der Hinweis auf nicht faire Produktion, fehlenden Umweltschutz und Nachhaltigkeit an, als wenn Temu-Kunden das interessierte. Im real existierenden Kapitalismus hat kein Unternehmen daran Interesse, solange es keine gestzlichen Auflagen gibt.

  • sltestabo am 06.04.2024 um 09:23 Uhr
    Weltpostvertrag

    Und der Weltpostvertrag sorgt dafür, dass für den Anbieter aus China extrem niedrige Versandkosten entstehen. Hier könnte die Politik auch mal ansetzen.

  • maria.habig am 23.03.2024 um 20:32 Uhr
    Temu

    Ich habe diesen Artikel privat an meinen Bruder gesendet. Jetzt habe ich von Facebook eine Mahnung erhalten dass ich irgend etwas unerlaubtes versendet hätte. Wie kann sowas sein? Wie gesagt, es war nicht öffentlich.