Recht bekommen Günstig streiten – mit Legal Techs

10
Recht bekommen - Günstig streiten – mit Legal Techs

Rechts­streit. Früher halfen nur Rechts­anwälte, Mieter­ver­eine und Rechts­schutz­versicherungen. Heute können Verbraucher ihr Recht oft schnell und bequem von zu Hause aus bekommen. © Getty Images / Allison Michael Orenstein

Auffahr­unfall, Flug­verspätung oder Miet­erhöhung: Internetanbieter und Schlichtungs­stellen helfen dabei, Recht zu bekommen. test.de nimmt wichtige Angebote unter die Lupe.

Einen Streit zum Anwalt und gegebenenfalls sogar vor Gericht zu bringen, kostet Geld. Der Kläger muss die Gerichts­gebühren für den Prozess vorschießen. Und was noch viel schwerer wiegt: Es besteht das Risiko zu verlieren. Dann trägt die unterliegende Partei alle Kosten des Rechts­streits, auch die des Gegners. Da einem Prozess in der Regel noch außerge­richt­liche Verhand­lungen voran­gehen, kommen im schlimmsten Fall die dafür anfallenden Kosten oben­drauf. Die Rechts­experten der Stiftung Warentest klären über Prozess­kosten auf und nennen Alternativen, um zu seinem Recht zu kommen.

Das Wichtigste in Kürze

Mehrere Wege, um Recht zu bekommen

Einschät­zung bekommen. Sie wollen Ihr Recht durch­setzen und wissen nicht, wie Ihre Chancen stehen? Für eine erste Einschät­zung Ihres Falles können Sie ein Portal für Online-Rechts­beratung nutzen, etwa frag-einen-anwalt.de.

Schlichtung versuchen. Haben Sie Ärger mit einem Händler oder Dienst­leister, wenden Sie sich an eine Schlichtungs­stelle. Es gibt viele branchenspezi­fische Anlauf­stellen. Schalten Sie anderenfalls die Universalschlichtungs­stelle des Bundes (Verbraucher-schlichter.de) ein. 

Beraten lassen. Bundes­weit beraten auch die Verbraucherzentralen bei recht­lichen Problemen und Fragen. Sie bieten persönlichen Einzel­beratung und teil­weise Beratung per Telefon oder E-Mail an. Viele der regionalen Verbraucherzentralen erreichen Ratsuchende inzwischen auch per Video-Chat.

Anwalt einschalten. Ist Ihr Fall komplex, stehen große Summen auf dem Spiel oder ist Einsicht in Unterlagen nötig, um eine Frage zu klären, suchen Sie sich auf der Internetseite Anwaltauskunft.de einen Anwalt. Vereinbaren Sie eine Erst­beratung. Mehr als 226 Euro darf ein Anwalt dafür nicht verlangen. Bei manchen Anwälten ist der erste Termin kostenlos. 

Höhe des Streit­wertes ist entscheidend

Bei einer Forderung in Höhe von 100 Euro betragen die eigenen Anwalts­kosten und die Gerichts­kosten in erster Instanz rund 263 Euro. War der Anwalt noch außerge­richt­lich tätig, kommen rund 48 Euro dazu. Wer sein Recht mit Anwalt und Gericht durch­setzen will, muss zahlen, wenn er sich nicht voll­ständig durch­setzt. Wie viel, hängt vom Streit­wert ab. Eine Besonderheit gibt es bei Arbeits­gerichten: Dort trägt in erster Instanz stets jeder seine eigenen Anwalts­kosten selbst.

Leistung

Preis (Euro)

Erst­beratung

0 bis 226

Streit­wert: 100 Euro

Außerge­richt­lich 1

91

Prozess­kostenrisiko 2

453

Mit Einigung statt Urteil 3

494

Streit­wert: 1 000 Euro

Außerge­richt­lich 1

160

Prozess­kostenrisiko 2

745

Mit Einigung

839

Streit­wert: 5 000 Euro

Außerge­richt­lich 1

540

Prozess­kostenrisiko 2

2 517

Mit Einigung statt Urteil 3

2 991

Streit­wert: 10 000 Euro

Außerge­richt­lich 1

974

Prozess­kostenrisiko 2

4 499

Mit Einigung statt Urteil 3

5 428

Streit­wert: 50 000 Euro

Außerge­richt­lich 1

2 002

Prozess­kostenrisiko 2

9 461

Mit Einigung statt Urteil 3

11 303

Legende

1
Ohne Verhand­lungs­termin bei mäßiger Schwierig­keit. Nur Kosten des eigenen Anwalts.
2
Prozess endet in 1. Instanz mit Urteil. Ohne außerge­richt­liche Vertretung.
3
Prozess endet in 1. Instanz mit Einigung statt Urteil.

Mit Rechts­schutz­versicherung besser dran?

Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, ist meistens mutiger. Im Ideal­fall trägt sie die Kosten für Gericht und Anwalt. Allerdings haben Versicherte oft genug Ärger mit ihrem Rechts­schutz­versicherer. Die Unternehmen verweisen gern auf Ablehnungs­gründe in Tarifbedingungen und weigern sich, für einen Rechts­streit zu zahlen. Das zeigt die Beschwerde­statistik des Ombuds­manns für Versicherungen: Seit mehreren Jahren reichen Rechts­schutz­versicherte dort mehr Beschwerden ein als die Versicherten aller anderen Sparten. 3 463 waren es im Jahr 2020 und 3 202 im Jahr 2019.

Für Verbrauche­rinnen und Verbraucher ohne Rechts­schutz­versicherung gibt es jedoch auch andere Möglich­keiten, ohne potenziell hohe Anwalts- und Gerichts­kosten zu ihrem Recht zu kommen. Bei Miet­streitig­keiten etwa bieten neben Mieter­schutz­ver­einen inzwischen auch Legal Techs wie Conny, Mieterengel und Mineko ihre Hilfe an.

Legal Techs sind Dienst­leister, die ihre Kundinnen und Kunden bei der Durch­setzung ihrer Forderungen unterstützen – ohne, dass sie Aufwand und Kosten einer juristischen Auseinander­setzung befürchten müssen. Dafür verlangen sie meist eine Provision im Erfolgs­fall. Einige solcher Anbieter für verschiedene Rechts­bereiche stellen wir hier vor.

Recht bekommen – alle Informationen auf test.de

Rechts­schutz­versicherung. Sie wollen sich sicher­heits­halber mit einer Rechts­schutz­versicherung ausstatten? Sie finden auf test.de einen Vergleich Rechtsschutzversicherung. Dort erfahren Sie auch, wie Anwälte das Abwick­lungs­verhalten einzelner Versicherungen einschätzen.

Miet­ärger. Wenn der Vermieter die Miete erhöht, kann das erlaubt sein. Vielleicht verlangt er aber zu viel? In solchen Fällen können Legal Techs wie Conny, Mieterengel oder der auf Neben­kosten­abrechnungen spezialisierte Anbieter Mineko helfen. Wie die drei Dienst­leister abschneiden, erfahren Sie in unseren Schnell­tests mit einem Klick auf den jeweiligen Anbieter.

Energiepreise. Einige Strom- und Gasanbieter machen in den letzten Monaten mit unrecht­mäßigen Preis­erhöhungen und Liefer­stopps Schlagzeilen. Wie Verbrauche­rinnen und Verbraucher sich wehren können, zeigt unser FAQ zu Strom- und Gastarifen.

Auto­ärger. Nach einem Unfall können viele Akteure ins Spiel: Anwalt, Gutachter, Werk­statt, Mietwagen­unternehmen. Das Legal Tech „Unfall­helden“ will alles einfach machen. Ob das gelingt, zeigt der Schnelltest Unfallhelden.de. Wenn Sie es „klassisch“ mögen, können Sie im Streitfall auch einen Schlichter einschalten. Alle Details dazu im Special Schlichtungsstellen.

Reise­ärger. Bei Flug­ausfall und Flug­verspätung haben Passagiere in vielen Fällen Anspruch auf Ausgleichs­zahlungen. Welches Recht gilt und welche Dienst­leister als Flug­gast­helfer nützlich sein können, steht im Special Fluggastrechte. Bei verspätetem oder verschwundenem Gepäck können Flug­gast­recht-Portale wie Fairplane helfen, die im Erfolgs­fall einen Teil der erstrittenen Entschädigung einbehalten. Alle Details im Schnelltest Fairplane.

Testament. Wir haben auch Dienst­leister getestet, die beim Abfassen eines Testaments helfen (Test Onlinedienstleister Testament).

Erste Hilfe bei Rechts­fragen

Recht bekommen, schnell und günstig – das versprechen zahlreiche neue Dienst­leister im Internet. Online-Rechts­beratungs­portale, die Finanztest getestet hat, bieten individuellen Rechts­rat. Dazu gehören etwa Juraforum, Frag-einen-anwalt.de und Deutsche Anwalts­hotline. Nutzer stellen auf der Internetseite des jeweiligen Portals eine Frage, die dann an einen der vielen dort beratenden Anwälte weitergeleitet wird. Er beant­wortet die Frage für einen Preis, den meist der Nutzer selbst fest­legt. Andere Portale bieten Anwalts­leistungen zum Fest­preis. Rechts­rat gibt es bei den Portalen oft schon für weit unter 100 Euro. 

Tipp: Unser Test von Online-Rechtsberatung hat gezeigt: Online-Rechts­beratung eignet sich für eine erste Einschät­zung des Falles. Die Antwort kann allerdings nur so gut sein, wie die Frage formuliert ist. Wer, auch unabsicht­lich, Details des Sach­verhalts auslässt, erhält möglicher­weise falschen Rechts­rat. 

Digitale Streithelfer auf Provisions­basis

Außer Online-Rechts­beratern gibt es mitt­lerweile immer mehr Internetfirmen, die damit Geld verdienen, bestimmte Forderungen durch­zusetzen. Wer sie beauftragt, geht kein finanzielles Risiko ein. Nur wenn ein Dienst­leister Erfolg hat, zahlt der Kunde eine Provision. In Mode gekommen sind solche Legal-Tech-Unternehmen mit dem Erfolg der Flug­gast­helfer wie Flight­right, Fairplane oder Euclaim: Sie machen Entschädigungs­ansprüche von Passagieren wegen Flug­verspätung, Flugannullierung und Über­buchung gegen­über Air­lines auf eigene Rechnung geltend, notfalls sogar vor Gericht. Im Erfolgs­fall bekommen die Portale 20 bis 30 Prozent der Entschädigung vom Kunden. 

Tipp: Alle Details im Special Fluggastrechte.

Legal Techs für viele Streitfälle

Das Risiko der Firmen hält sich in Grenzen. Die Fälle, die sie bearbeiten, sind gleich gelagert und meist eindeutig gesetzlich geregelt. Legal Techs arbeiten in allen Branchen nach gleichem Muster gleich­artige Fälle ab. Das Portal Geblitzt.de etwa prüft angebliche Bußgeld­verstöße im Straßenverkehr. Um Entschädigungs­ansprüche wegen Zugverspätung kümmert sich etwa Zug-erstattung.de (siehe unser Special Zugverspätung). Der Anbieter Rightmart prüft unter anderem Hartz-IV-Bescheide auf Fehler und legt wenn nötig Wider­spruch dagegen ein. Sicher ist: Das Angebot an Rechts­dienst­leistern im Internet wird weiter wachsen. Sie werden Rechts­anwälte allerdings nicht über­flüssig machen. Sobald Fälle komplexer sind und eine Stan­dard­lösung nicht passt, stoßen die Firmen an ihre Grenzen. 

Kostenlos streiten mit Schlichtungs­stellen

Sein Recht durch­zusetzen kann auch ganz ohne zusätzliche Kosten und Provisionen gehen. Denn Verbrauchern steht der Weg zu Schlichtungs­stellen offen. Für viele Branchen gibt es mitt­lerweile Schlichter, auch Ombuds­leute genannt. Die bekann­testen sind der Versicherungsombudsmann und die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr, kurz Söp. Ihre Aufgabe: Sie vermitteln in Konflikten zwischen Verbrauchern und Unternehmen und sollen eine Einigung zwischen den Beteiligten erreichen. Die Vorteile von Schlichtungen liegen auf der Hand: Ein unabhängiger fachlich spezialisierter Dritter prüft den Sach­verhalt unparteiisch und trans­parent. Und schnell – die Verfahren dauern durch­schnitt­lich drei Monate. Und sie sind kostenlos. Eine Schlichtung lohnt sich vor allem bei kleinen Streit­werten, bei denen angesichts drohender Kosten viele Menschen davor zurück­schre­cken, einen Anwalt einzuschalten und vor Gericht zu gehen.

Tipp: Alle Details im Special Schlichtungsstellen.

Vor der Schlichtung erst selbst Einigung suchen

Jede Schlichtungs­stelle hat eine Verfahrens­ordnung. Sie regelt Voraus­setzungen und Ablauf der Schlichtung. Bevor Verbraucher einen Antrag auf Schlichtung stellen können, müssen sie in der Regel zunächst versucht haben, eine Lösung mit ihrem Streitgegner zu finden. Gelingt das nicht, können Verbraucher Schlichtungs­stellen einschalten. Das Verfahren endet mit einem Schlichter­spruch. Bis dahin steht die Schlichtungs­stelle mit den Beteiligten in Kontakt und informiert sie über den Stand. Sind sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden, steht ihnen meist noch der Gang zum Gericht offen. 

Gesetz hat Schlichtungen gestärkt

Seit April 2016 hat die Schlichtung als außerge­richt­liches Verfahren ein gesetzliches Fundament: das Verbraucher­streitbeilegungs­gesetz. Es soll für ein flächen­deckendes Angebot von Schlichtungs­stellen sorgen. Verbraucher und Unternehmen sollen sich bei Streitig­keiten aus allen Verbraucher­verträgen an eine Schlichtungs­stelle vor Ort wenden können. Vor einigen Jahren wurde deshalb die Universalschlichtungs­stelle des Bundes ins Leben gerufen (Verbraucher-schlichter.de). Sie ist Anlauf­stelle für Konflikte, für die es keine branchenspezi­fische Schlichtungs­stelle gibt. Das Gesetz verpflichtet Firmen außerdem dazu, auf ihren Internet­seiten oder in ihren allgemeinen Geschäfts­bedingungen (AGB) klar und deutlich darüber zu informieren, ob sie sich an Schlichtungen beteiligen und wenn ja, welche die zuständige Anlauf­stelle ist. Kunden sollten bei Ärger mit einem Unternehmen auf dessen Internetseite ins Impressum oder in die AGB schauen.

10

Mehr zum Thema

10 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Nor19 am 17.04.2022 um 08:33 Uhr
    Schlichtungsstelle Versicherungsombudmann

    Diese Schlichtungsstelle ist m.E. nicht sehr empfehlenswert. Im letzten Jahr anlässlich der
    gewaltigen Regenmenge in kurzer Zeit hatten wir einen Wasserschaden in einem Haus in Krefeld. Der Ombudsmann hat uns mit lapidaren "Worten abgespeist", von sorgfältiger Prüfung im Interesse des Versicherten haben wir nichts gemerkt. Schade - so sollte eine objektive Prüfung nicht aussehen.

  • Peter_Cornelius am 16.04.2022 um 04:53 Uhr
    Interessante aktualisierte Übersicht !

    Ich finde diese aktualisierte Übersicht, auch mit den Darstellungen über die LEGAL TECH Unternehmen, sehr interessant ! Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Verkehr (söp) kann ich sehr empfehlen.
    Peter Cornelius
    Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Fahrgastverbandes PRO BAHN e.V.
    www.pro-bahn-berlin.de

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 02.10.2018 um 14:14 Uhr
    Beispiel Flug Herr Schaarschmidt

    @alle: Unsere Informationen zu den Entschädigungen nach dem EU-Recht finden Sie hier: www.test.de/Fluggastrechte-Der-Weg-zur-Entschaedigung-4667375-0
    Findet die EU-Richtlinie keine Anwendung, können wir nur empfehlen, sich an einen auf das Reiserecht spezialisierten Anwalt zu wenden. Zur Frage, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen nach anderen internationalen / nationalen Regelungen Ansprüche auf Entschädigung / Schadensersatz denkbar sind, haben wir in Finanztest noch nicht behandelt. (maa)

  • tine205 am 01.10.2018 um 18:45 Uhr
    Beispiel Flug Herr Schaarschmidt

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Wie würde die Rechtslage am Beispiel von Herrn Schaarschmidt aussehen wenn er auf dem Rückflug die Flugverspätung hat. Er startet aus den Non Eu in zu einem Flughafen in der EU. Da gilt die Richtlinie EG261/2004 leider nicht. Für solche Fälle fühlt sich keiner Zuständig.
    Ich bin gespannt!
    Viele Grüße tine205

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 01.08.2018 um 11:59 Uhr
    Schlichterspruch/Schlichtungsvorschlag

    @wf11fmmh: Der „Schlichterspruch“ ist eine rein redaktionelle Entscheidung. Wir verstehen darunter Empfehlung, Entscheidung, Beilegung des Streits bzw. das Ende des Schlichtungsverfahrens.
    Das Verbraucherstreitbelegungsgesetz spricht in § 19 von Schlichtungsvorschlag. Aus Absatz 4 ergibt sich, dass auch die (einseitige) Bindung des Unternehmens begrifflich erfasst ist. Es ist nicht richtig, dass Unternehmen generell nicht mehr an die Entscheidung des Schlichters gebunden sind. Vielmehr können die Schlichtungsstellen in ihren Verfahrensordnungen weiterhin eine Bindung vorsehen, wie es etwa der Versicherungsombudsmann tut. (TK)