Private Kranken­versicherung

Wenn es richtig eng ist: Hilfe vom Amt

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Es gibt Situationen, in denen Menschen ihren Lebens­unterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten oder die Beiträge ihrer Kranken­versicherung nicht mehr aufbringen können. Auch privat Kranken­versicherten helfen in solchen Fällen das Jobcenter oder der Sozial­hilfeträger.

An die richtige Stelle wenden

Für Menschen, die noch erwerbs­fähig sind, ist das Jobcenter zuständig, das im Rahmen des Bürgergelds – früher Arbeits­losengeld (ALG) 2 auch Kranken- und Pflege­versicherungs­kosten über­nehmen kann. Rechts­grund­lage ist hier das Sozialgesetz­buch (SGB) II. Wer nicht erwerbs­fähig, sondern zum Beispiel schon in Rente ist, wendet sich an den zuständigen Sozial­hilfeträger. Dann läuft die Unterstüt­zung auf Basis des SGB XII über die sogenannte Grund­sicherung im Alter oder über die Hilfe zum Lebens­unterhalt, auch Sozial­hilfe genannt.

Einkommen und Vermögen offenlegen

Dazu ist es nötig, das Einkommen und Vermögen offen­zulegen. Privat Versicherte, die als hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder SGB XII anerkannt sind, dürfen dann bei ihrem Versicherer in den Basis­tarif ohne Selbst­behalt wechseln – auch wenn sie sich erst 2009 oder später privat versichert haben.

Halbierte Beiträge im Basis­tarif

Sobald sie die amtliche Bescheinigung über das Vorliegen von Hilfebedürftig­keit beim Kranken­versicherer vorlegen, muss dieser den Beitrag im Basis­tarif halbieren. Die verbleibende Hälfte von derzeit maximal 421,76 Euro im Monat für die Kranken- und 87,98 Euro für die Pflege­versicherung zahlt dann das Jobcenter oder der Sozial­hilfeträger.

Auch wer allein durch die Zahlung der Kranken­versicherungs­beiträge in die Hilfebedürftig­keit geraten würde, hat das Recht auf halbierte Beiträge, wenn er oder sie schon im Basis­tarif ist. Das zuständige Amt prüft, ob und in welcher Höhe ein Zuschuss dann noch nötig ist, um Hilfebedürftig­keit abzu­wenden.

Im bisherigen Tarif bleiben

Das Recht auf halben Beitrag gibt es nur im Basis­tarif. Hilfebedürftige dürfen aber auch in ihrem bisherigen Kranken­versicherungs­tarif bleiben. Die Beitrags­zuschüsse vom Amt fallen jedoch nicht höher aus als für Basis­tarif-Versicherte. Die Differenz zum tatsäch­lichen Beitrag und auch mögliche Selbst­behalte müssen Versicherte dann selbst aufbringen.

Eine Ausnahme gibt es für Bezieher von Sozial­hilfe oder Grund­sicherung (SGB XII). Wenn absehbar ist, dass sich ihre finanzielle Lage in maximal sechs Monaten entspannt, ist es für sie sinn­voll, im normalen Tarif zu bleiben. Der Sozial­hilfeträger kann auf Antrag dann vorüber­gehend auch den vollen Beitrag über­nehmen. Für Bezieher von ALG 2 gibt es keine entsprechende Regelung.

Stan­dard­tarif bei Grund­sicherung oder Sozial­hilfe

Versicherte, die Leistungen nach dem SGB XII beziehen, können auch in den Stan­dard­tarif wechseln – sofern sie die Voraus­setzungen für diesen erfüllen. Sie bekommen auch dort, wenn nötig, den vollen Beitrag als Zuschuss. Das hat den Vorteil, dass sie einfach dort bleiben können, wenn ihre Hilfebedürftig­keit endet und sie weiterhin knapp bei Kasse sind. Hilfebedürftige nach dem SGB II erhalten nicht den vollen Stan­dard­tarif-Beitrag.

Versichert bleiben trotz Schulden

Wer mit den Beiträgen im Rück­stand war und deswegen in den Notlagen­tarif umge­stuft wurde, kommt bei Eintritt von Hilfebedürftig­keit in den ursprüng­lichen Tarif zurück. Versicherte sollten dann aber in den Basis­tarif wechseln, damit ihr Schulden­berg nicht weiter wächst. Die Basis­tarif-Beiträge über­weist der Sozial­leistungs­träger direkt an den Versicherer. Wer während der Zeit im Notlagen­tarif medizi­nische Behand­lungen aufgeschoben hat, sollte sich dann um die Gesundheit kümmern, um Spät­folgen zu vermeiden.

Wenn die Hilfebedürftig­keit endet

Wenn die Hilfebedürftig­keit endet, können Versicherte, die nach dem 15. März 2020 in den Basis­tarif gewechselt sind, ohne erneute Gesund­heits­prüfung in ihren ursprüng­lichen Tarif zurück­kehren. Den Antrag auf Rück­kehr in den alten Tarif müssen Kunden inner­halb von drei Monaten nach Ende der Hilfebedürftig­keit stellen. Der Wechsel ist sinn­voll, weil mit der Hilfebedürftig­keit auch die Halbierung des Beitrags im Basis­tarif endet. Die Gesund­heits­prüfung entfällt allerdings nur, wenn die Hilfebedürftig­keit nicht länger als zwei Jahre gedauert hat.

Raus aus dem Notlagen­tarif

War jemand vor Beginn der Hilfebedürftig­keit bereits im Notlagen­tarif und ist dann erst in den Basis­tarif einge­treten, wird er oder sie allerdings wieder mit den alten Beitrags­schulden konfrontiert. Nach der zweiten Mahnung landen Betroffene dann erneut im Notlagen­tarif. Wenn möglich, sollten Versicherte deshalb versuchen, die Schulden beim Kranken­versicherer loszuwerden. Vielleicht können Freunde mit einem Kredit helfen.

Klappt das nicht, wechseln Versicherte am besten noch während des Mahn­verfahrens aus dem Basis­tarif zurück in ihren alten Tarif. Sie landen wegen ihrer Zahlungs­rück­stände trotzdem bald wieder im Notlagen­tarif. Doch wenn sie erst einmal alle Schulden abbezahlt haben, sind sie danach nicht im eher teuren Basis­tarif versichert, sondern in ihrem wahr­scheinlich deutlich güns­tigeren Normal­tarif.

Wer während der Hilfebedürftig­keit in den Stan­dard­tarif gewechselt ist, bleibt am besten dort. Denn eine Rück­kehr in den Normal­tarif ist von dort nur mit einer erneuten Gesund­heits­prüfung möglich. Für Mehr­leistungen, die der alte Tarif gegen­über dem Stan­dard­tarif bietet, können Versicherer Risiko­zuschläge oder Ausschlüsse verlangen.

Über­blick: Basis-, Normal- und Stan­dard­tarif bei Hilfebedürftig­keit

Wer hilfebedürftig im Sinne der Sozialgesetze ist, kann in den Basis­tarif seines Versicherers wechseln. Es gibt auch andere Möglich­keiten. Was das Vernünftigste ist, hängt von der persönlichen Situation ab.

Basis­tarif

Bisheriger „normaler“ PKV-Tarif

Stan­dard­tarif

Fazit

  • Gut geeignet für Leistungs­berechtigte nach dem Sozialgesetz­buch (SGB) II, zum Beispiel Menschen, die Bürgergeld beziehen.
  • Leistungs­berechtigte nach dem Sozialgesetz­buch XII (z.B. Grund­sicherung) sollten wegen der Rück­kehr­option ohne Gesund­heits­prüfung in den Basis­tarif wechseln, wenn sie schon wissen, dass ihre Hilfebedürftig­keit voraus­sicht­lich nicht länger als zwei Jahre dauern wird und sie später auf jeden Fall in ihren alten privaten Tarif zurück­wechseln möchten. Andernfalls sollten sie prüfen, ob sie in den Stan­dard­tarif wechseln können oder im bisherigen „normalen“ Tarif bleiben wollen.
  • Hilfebedürftige nach dem SGB XII, z.B. Bezieher von Grund­sicherung, sollten in ihrem bisherigen Tarif bleiben, wenn sie nur für kurze Zeit Leistungen in Anspruch nehmen müssen und der Sozial­leistungs­träger ihre Beiträge für diese Zeit voll­ständig über­nimmt.
  • Ansonsten ist es nur im Ausnahme­fall sinn­voll, trotz Hilfebedürftig­keit im bisherigen Tarif zu bleiben: Wenn der Beitrag für diesen Tarif nicht oder nur minimal höher ist als der halbierte Basis­tarif-Beitrag (2024 monatlich 421,76 Euro), der Selbst­behalt nur sehr gering ist und dieser Tarif trotzdem einen voll­ständigen Versicherungs­schutz bietet.
  • Für Hilfebedürftige nach dem SGB XII, z.B. Bezieher von Grund­sicherung, ist der Stan­dard­tarif für Rentner gut geeignet, wenn die gesetzlichen Voraus­setzungen erfüllt sind.
  • Das gilt vor allem dann, wenn Versicherte sich vorstellen können, auch nach dem Ende der Hilfebedürftig­keit in diesem Tarif versichert zu bleiben.

Vorteile

  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB II (Bundes­agentur für Arbeit/ Jobcenter) und SGB XII (Sozial­ämter) über­nehmen die Beiträge für die Kranken- und Pflege­versicherung – die der Kranken­versicherer für die Dauer der Hilfebedürftig­keit im Basis­tarif halbieren muss – in voller Höhe oder in der notwendigen Höhe, um die Hilfebedürftig­keit zu vermeiden. So entstehen keine neuen Schulden.
  • Hilfebedürftige haben das Recht, in den Basis­tarif ohne Selbst­beteiligung zu wechseln. Damit fallen auch keine Behand­lungs­kosten im Rahmen von Selbst­beteiligungen an.
  • Der Basis­tarif bietet einen voll­ständigen Versicherungs­schutz im Umfang der gesetzlichen Kranken­versicherung.
  • Ein Wechsel zurück in den alten Tarif ist ohne neue Gesund­heits­prüfung möglich, wenn die Hilfebedürftig­keit nicht länger als zwei Jahre bestand.
  • Hilfebedürftige behalten weiter die gewohnten Kranken­versicherungs­leistungen aus ihrem normalen Tarif, auch nach dem Ende der Hilfebedürftig­keit.
  • Sie sind dann nicht im möglicher­weise teureren und leistungs­schwächeren Basis­tarif versichert oder können wegen einer neuen Gesund­heits­prüfung nur in eine teurere oder leistungs­schwächere Variante des alten Tarifes zurück­kehren.
  • Dieser Vorteil gegen­über dem Basis­tarif entfällt jedoch bei kürzeren Zeiten von Hilfebedürftig­keit von nicht mehr als zwei Jahren.
  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB XII (Sozial­ämter) über­nehmen die Beiträge für den Stan­dard­tarif und die Pfle­gepflicht­versicherung bei einer Versicherung im Stan­dard­tarif in voller Höhe oder in der notwendigen Höhe, um die finanzielle Hilfebedürftig­keit zu vermeiden. So entstehen keine neuen Schulden.
  • Auch nach einem Ende der Hilfebedürftig­keit erhöhen sich die relativ nied­rigen Beiträge für den Stan­dard­tarif nicht, wenn Versicherte sie wieder selbst zahlen müssen.
  • Damit haben Betroffene die Möglich­keit, dauer­haft im Stan­dard­tarif versichert zu bleiben, wo sie die Beiträge eher aufbringen können.

Nachteile

  • Mit dem Ende der Hilfebedürftig­keit entfällt auch die Halbierung des Beitrags. Versicherte im Basis­tarif müssen nun den vollen Beitrag bis zum zulässigen Höchst­beitrag zahlen (2024: Kranken­versicherung 843,52 Euro, Pflege­versicherung 175,96 Euro im Monat).
  • Bestand die Hilfebedürftig­keit länger als zwei Jahre, kann der Versicherer bei Rück­kehr in den alten Normal­tarif eine neue Gesund­heits­prüfung durch­führen und für die Mehr­leistungen, die dieser gegen­über dem Basis­tarif bietet, einen Risiko­zuschlag oder Leistungs­ausschluss verlangen. Hat sich der Gesund­heits­zustand über die Zeit verschlechtert, wird der alte Tarif deutlich teurer, oder Versicherte müssen generell auf die Mehr­leistungen dieses Tarifes gegen­über dem Basis­tarif verzichten. Auf die höhere Erstattung von Arzt­honoraren sollte man aber nicht verzichten, da Ärzte in normalen Tarifen höhere Honorare abrechnen dürfen als im Basis­tarif.
  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB II (Jobcenter) und SGB XII (Sozial­ämter) über­nehmen die Beiträge für die Kranken- und Pflege­versicherung maximal in der Höhe, in der sie anfallen würden, wenn der Hilfebedürftige im Basis­tarif versichert wäre (2024 monatlich 421,76 Euro für die Kranken- und 87,98 Euro für die private Pfle­gepflicht­versicherung). Die Differenz zum tatsäch­lichen Beitrag zahlen Betroffene selbst.
  • Ausnahme: Bei Hilfebedürftig­keit nach dem SGB XII können die Sozialbehörden für Zeiten von nicht mehr als 3 Monaten (in begründeten Ausnahme­fällen auf Antrag auch bis zu 6 Monaten) auch höhere Beiträge bis zu den vollen Kranken- und Pflege­versicherungs­beiträgen über­nehmen.
  • Behand­lungs­kosten, die im Rahmen von vertraglichen Selbst­behalten entstehen, werden nicht über­nommen. Diese müssen die Hilfebedürftigen dann selbst tragen.
  • Selbst bezahlen müssen Versicherte auch Behand­lungs­kosten, die entstehen, wenn ihr Tarif an bestimmten Punkten geringere Leistungen als der Basis­tarif vorsieht.
  • Die Sozial­leistungs­träger nach dem SGB II (Jobcenter) über­nehmen die Beiträge für die Kranken- und Pflege­versicherung maximal in der Höhe, in der sie anfallen würden, wenn der Hilfebedürftige im Basis­tarif versichert wäre (2024 monatlich 421,76 Euro für die Kranken- und 87,98 Euro für die private Pfle­gepflicht­versicherung). Die Differenz zum tatsäch­lichen Beitrag zahlen Betroffene selbst. Sie dürfte in der Praxis allerdings nicht allzu hoch sein.
  • Der Stan­dard­tarif für Rentner ist ohnehin nur für eine sehr kleine Gruppe von potenziellen Leistungs­empfängern nach dem SGB II zugäng­lich.
  • Der Stan­dard­tarif sieht einen geringen Selbst­behalt für Arznei-, Heil- und Hilfs­mittel in Höhe von maximal 306 Euro im Jahr vor. Diese Kosten müssen Hilfebedürftige immer selbst tragen.
  • Wer wegen Hilfebedürftig­keit in den Stan­dard­tarif gewechselt ist, kann nur mit erneuter Gesund­heits­prüfung wieder in seinen bisherigen Tarif zurück. Eine Sonder­regelung wie für die Rück­kehr aus dem Basis­tarif inner­halb von zwei Jahren Jahren gibt es für den Stan­dard­tarif nicht.

Legende

Stand: 01.01.2024

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 10.07.2023 um 12:22 Uhr
    PKV-Standardtarif/Höhe

    @tanteherma: Die individuelle Beitragashöhe kann nur der Anbieter selbst ermitteln. Sie ist abhängig von der Vorversicherungszeit und dem Alter. Altersrückstellungen aus dem Altvertrag müssen voll angerechnet werden.

  • tanteherma am 10.07.2023 um 05:11 Uhr
    Die Höhe in der PKV-Standard?

    Wie errechnet sich diese?