Mutmacherin Ein Sieg für alle Frauen

3
Mutmacherin - Ein Sieg für alle Frauen

Erfolg­reich. Susanne Dumas hat gegen die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen in ihrer Firma gekämpft. © Stefan Korte

Unsere „Mutmacher“ sind Menschen, die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Susanne Dumas hat ein wegweisendes Urteil zur Lohn­gerechtig­keit erwirkt.

Der Fall

Es war die E-Mail eines Kollegen, die Susanne Dumas’ Kampf für Lohn­gerechtig­keit auslöste. „Vertriebs­leiter“ stand in der Signatur seines Schreibens vom November 2018, in ihrer dagegen nur „Vertrieb“. Dabei hatte der Mann nur zwei Monate vor ihr seine Stelle bei ihrem Arbeit­geber, einem Zulieferer der Bahn­branche, angetreten. Die Diplom-Kauf­frau erfuhr, dass er bis zu 1 000 Euro brutto mehr erhielt als sie – für die gleiche Arbeit. „Natürlich hat mich das enorm gewurmt“, sagt sie.

Der Betriebsrat greift ein - die Lohn­lücke bleibt

Zunächst wandte sich Susanne Dumas an ihren Vorgesetzten, der sich zu der Differenz nicht äußern wollte, später an den Betriebsrat. Dieser erwirkte, dass sie in dieselbe Gehalts­gruppe wie der Kollege einge­stuft wurde. Allerdings regelte der Tarif­vertrag, dass das bisherige Gehalt maximal um 120 Euro angepasst werden durfte. Zwischen Mitarbeiter und Mitarbeiterin blieb so eine erhebliche Lücke. Auch Anfragen beim Vorstand und der Diskriminierungs­stelle des Bundes halfen ihr nicht weiter. Dann entschloss sie sich zu klagen. „Ich dachte so locker-flockig: Das schaffst Du schon“, berichtet sie. Damals war sie sich sicher, dass sie das Recht auf ihrer Seite hat.

Klagen vor zwei Arbeits­gerichten

Doch 2019 scheiterte sie mit ihrer Klage vor dem Arbeits­gericht in Dresden. Das Gericht folgte der Argumentation des Arbeit­gebers: Der männ­liche Kollege habe sein Gehalt eben besser verhandelt.

Ihre berufliche Situation sei damals sehr schwierig gewesen, berichtet Susanne Dumas. Mit dem besser verdienenden Kollegen teilte sie sich sogar noch ein Büro. Ihr Chef warf ihr einen Vertrauens­bruch vor.

Erneute Nieder­lage vor dem Landes­arbeits­gericht

Sie gab nicht auf und zog mit ihrer Anwältin Susette Jörk vors Landes­arbeits­gericht in Chemnitz – wieder erfolg­los. Wieder wurde ihr erklärt, die unterschiedliche Bezahlung habe nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit Verhand­lungs­geschick. „Meine Anwältin war über die erneute Nieder­lage genauso entsetzt wie ich“, erinnert sich Susanne Dumas. „Damals wollte ich aufgeben. Ich war emotional absolut erschöpft, auch körperlich ging es mir nicht gut.“ Sie hatte bereits mehr als 5 000 Euro in den Rechts­streit investiert. „Als geschiedene Frau mit drei Kindern hatte ich keine finanziellen Reserven mehr“, sagt sie. Als nächste und letzte Instanz blieb das Bundes­arbeits­gericht. Im Falle des Scheiterns hätte sie aber auch die Anwalts­kosten der Gegen­seite über­nehmen müssen: „Das hätte ich nicht stemmen können.“

Verein bietet juristische Unterstüt­zung

Ihre Anwältin riet ihr trotzdem weiterzumachen – diesmal mit Unterstüt­zung der Gesell­schaft für Frei­heits­rechte. Der gemeinnützige Verein, in dem sich viele Juristinnen und Juristen engagieren, setzt sich für Grund- und Menschen­rechte ein. Unter anderem über­nimmt er bei ausgewählten Gerichts­verfahren das Kostenrisiko. Noch vor dem dritten Prozess nahm sie eine neue Stelle an. „Es ging nicht mehr“, sagt sie. „Das Verhältnis zwischen meinem Vorgesetzten und mir war zerrüttet.“

Lohn­rück­zahlungen und Diskriminierungs­entschädigung

Als im Februar 2023 das Urteil vor dem Bundes­arbeits­gericht in Erfurt unter großem Medien­interesse fiel, lagen fast vier Jahre Rechts­streit hinter der heute 45-Jährigen. Diesmal gewann sie auf ganzer Linie. Das Gericht sprach ihr 14 500 Euro entgangenen Lohn und 2 000 Euro Diskriminierungs­entschädigung zu und erklärte, dass Verhand­lungs­geschick kein höheres Gehalt mehr recht­fertigen darf. Über­glück­lich sei sie gewesen, sagt Dumas, und wahn­sinnig erleichtert. So sehr, dass ihr vor laufenden Kameras die Tränen kamen.

Noch immer: erhebliche Lohn­differenzen

Das Urteil, das Susanne Dumas ihren beiden Töchtern gewidmet hat, gilt als Meilen­stein im Kampf gegen den Gender-Pay-Gap – den Abstand zwischen dem Entgelt der Männer und dem der Frauen. 2022 betrug die Lohn­lücke in Deutsch­land 18 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass viele Frauen Teil­zeit arbeiten und in Branchen beschäftigt sind, in denen traditionell geringere Löhne gezahlt werden. Zieht man solche Faktoren ab, bleibt noch immer eine Lohn­lücke von 7 Prozent.

Ihre Chance

Klärung. Wenn Sie vermuten, weniger als Kollegen oder Kolleginnen zu verdienen, sollten Sie zunächst Ihren Vorgesetzten darauf ansprechen. Wenden Sie sich an den Betriebsrat, falls Sie so nicht weiterkommen.

Auskunfts­anspruch. In Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten haben Sie das Recht zu erfahren, welchen Lohn Kolleginnen und Kollegen für vergleich­bare Arbeit erhalten. Das regelt das Entgelt­trans­parenz-Gesetz, das 2017 in Kraft getreten ist.

Urteil. Die Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts zur Lohn­gleichheit vom 16. Februar 2023 gilt als wegweisend (Az. 8 AZR 450/21). Sie können sich in einer Auseinander­setzung mit dem Arbeit­geber darauf beziehen.

3

Mehr zum Thema

3 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Jana_Dakler am 23.02.2024 um 20:44 Uhr
    Die Firmen schaden sich selbst

    Man weiß doch gar nicht, ob der besserverdienende Kollege auch besser verhandelt hat. Vielleicht hat der Arbeitgeber ihm aus Gewohnheit ein besseres Gehalt gegeben.
    Außerdem kann es sein, dass 2 Monate später das Budget für eine Neueinstellung nicht mehr so groß war, und der Frau Dumas deshalb ein geringeres Gehalt angeboten wurde.
    Die Firmen sollten erstmal in der Probezeit beobachten, ob die eingestellte Person wirklich gute Arbeit macht. Dann kann man das Gehalt noch erhöhen.
    Wer einem Mann sofort ein hohes Gehalt zuspricht, riskiert vielleicht hohe Personalausgaben für einen rummurksenden Quacksalber, den man nur schwer wieder los wird.

  • chris51017 am 27.09.2023 um 13:28 Uhr
    Einheitslohn für Alle - Leistung wird bestraft

    Eine Diskriminierung kann ich beim besten Willen nicht erkennen, der Kollege von Frau Dumas hat offensichtlich im Gegensatz zu ihr während des Bewerbungsverfahrens ausgiebig den Marktwert seiner Arbeitsleistung recherchiert und ist den Aufwand (und das Risiko) eingegangen, in die Verhandlung um ein hohes Gehalt zu gehen.
    Alle Firmen konkurrieren um die besten Fachkräfte, werden diesen in Zukunft aber nur noch den intern etablierten Einheitslohn anbieten können, denn ansonsten würden sie wegen angeblicher Diskriminierung teure Klagen riskieren. Mit dem Ergebnis dass für die Besten das Auswandern in Wirtschaftsräume mit Leistungsprinzip (noch) attraktiver wird.

  • A.Schmidt am 20.09.2023 um 12:36 Uhr
    👎 Es geht bergab mit dem Wirtschaftsstandort

    Frau Dumas arbeitet im Vertrieb, soll also Produkte zu einem möglichst hohen Preis an Kunden verkaufen.
    Wenn ihr Kollege mehr Verhand­lungs­geschick in Lohnsachen hat, ist das für mich schon der Beweis, dass er auch der bessere Verkäufer ist.
    Und damit ist der Lohnunterschied gerechtfertigt.
    Profitieren werden von dieser Regelung in erster Linie die Anwälte.
    Die Last der Gerichte wird noch höher, indem ihnen immer mehr Aufgaben übertragen werden, die mit ihrer ursprünglichen Funktion nichts zu tun haben.