Mikrobiom-Selbst­tests Teure Analysen ohne Aussagekraft

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Mikrobiom-Selbst­tests - Teure Analysen ohne Aussagekraft

Darm im Fokus. Viele Angebote machen glauben, es lohne die Bakterien im Darm unter­suchen zu lassen. © Getty Images / Laurence Monneret

Kommerzielle Sets zur Analyse der Darm­flora sollen die Gesundheit verbessern − sagen die Anbieter. Doch Wissenschaft­lerinnen warnen vor Kosten und möglichen Folgeschäden.

Selbst­tests liegen im Trend. Auch wer Genaueres über die Zusammenset­zung seiner Darm­flora erfahren möchte, findet im Internet Angebote zur Analyse des so genannten Mikrobioms. Sie sollen helfen, unklaren Darm­beschwerden auf den Grund zu gehen und die individuelle Ernährung zu optimieren. Bei Verdauungs­problemen wie etwa einem Reizdarm, Allergien oder Infekt­anfäl­ligkeit sei die Analyse ebenfalls sinn­voll.

Stuhltest zuhause, Auswertung vom Anbieter

Der Ablauf ist simpel: Man kauft ein Test-Set, nimmt damit zu Hause eine Stuhl­probe, schickt sie zur Analyse an den Anbieter und bekommt von ihm eine Auswertung – inklusive Ernährungs- und Hand­lungs­empfehlungen, um das Darm-Mikrobiom zu optimieren.

Forscher sehen Risiken für finanzielle Ausbeutung

Durch die Forschung gestützt ist das nicht, im Gegen­teil. Eine Gruppe um die US-Wissenschaft­lerin Diane Hoff­mann von der University of Mary­land School of Law sieht Verbraucher durch Mikrobiom-Analysen finanziell ausgebeutet oder geschädigt, etwa wenn sie sich auf ungenaue Test­ergeb­nisse oder Ernährungs­empfehlungen verlassen, die wissenschaftlich nicht fundiert sind.

Nach den Recherchen der Forschenden gibt es welt­weit 31 kommerzielle Anbieter. Fast die Hälfte davon verkauft auch Nahrungs­ergän­zungs­mittel, die sie Kundinnen auf Basis der Analyse nahelegen. In der Fach­zeit­schrift Science fordern Hoff­mann und ihr Team eine Regulierung dieses Life­style-Industrie­zweigs und kritisieren, dass Anbieter Aussagekraft und Nutzen der Tests nicht belegen müssten.

Gesund leben mit der Stiftung Warentest

Stuhltests, die sinn­voll sind. Anders als Mikrobiom-Selbst­tests sind Stuhltests zur Früh­erkennung von Darm­krebs etabliert und sinn­voll. Die Kosten werden für Menschen ab 50 auch von der Kasse über­nommen. Mehr zu dem Thema lesen Sie in unserem Beitrag zur Darmkrebsvorsorge.

Abwehr­kräfte stärken. Was schwächt unsere Abwehr­kräfte? Lassen sie sich trainieren oder unterstützen? Diese Fragen beant­worten wir in unserem Artikel So machen Sie Ihr Immunsystem fit. Umfang­reiche Informationen bietet unser Ratgeber Für ein fittes Immunsystem.

Zusatz­präparate hinterfragen. Nahrungs­ergän­zungs­mittel sind oft über­flüssig. Wir erklären, welche Vitamine und Mineralstoffe Sie brauchen. Wir testen auch regel­mäßig verschiedene Präparate. Die Themenseite Nahrungsergänzungsmittel zeigt unsere aktuellen Unter­suchungen.

Deutsche Fachgesell­schaft rät von kommerziellen Tests ab

Die Deutsche Gesell­schaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoff­wechselkrankheiten (DGVS) bezeichnete Mikrobiom-Analysen bereits 2018 als „teuer und sinnlos“. „An dieser Einschät­zung hat sich nicht viel geändert“, sagt Birgit Terjung, Chef­ärztin der Abteilung für Innere Medizin und Gastroenterologie GFO Kliniken Bonn und Medien­sprecherin der DGVS. „Diese Tests sind in keiner Weise stan­dardisiert und validiert“. Es gebe auch keine Einig­keit, was ein gesundes Darmmikrobiom ausmacht. Das Mikrobiom sei sehr individuell – wie der Finger­abdruck.

„Daher ist es sehr problematisch, weiterführende Empfehlungen zur Ernährungs­umstellung oder zur Einnahme von Prä- und Probiotika oder Nahrungs­ergän­zungs­mitteln auf diesen Stuhl­analyse­ergeb­nissen aufzubauen“, erklärt Terjung. Gastroenterologen und auch Haus­ärzte bekämen dennoch häufig diese Selbst­tests von ihren Patientinnen und Patienten vorgelegt.

Tipps für Verbraucher

  • Sparen Sie sich das Geld für kommerzielle Mikrobiom-Tests. Die Kosten, beginnend ab 150 Euro, werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht über­nommen.
  • Bei Bauch­beschwerden wie Blähungen, Verstopfung oder Durchfall kann zunächst ein Ernährungs­protokoll helfen, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Beschwerden und bestimmten Nahrungs­mitteln zu erkennen.
  • Lassen Sie Beschwerden immer ärzt­lich abklären, vor allem wenn sie anhaltend sind oder bei Alarm­symptomen wie Fieber, Blut im Stuhl, Nacht­schweiß oder erheblicher ungewollter Gewichts­abnahme.
  • Reden Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, bevor sie dauer­haft Ihre Ernährung umstellen oder Nahrungsergänzungsmittel nehmen.
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