Medikamente und Hitze Diese Mittel können im Sommer Probleme bereiten

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Medikamente und Hitze - Diese Mittel können im Sommer Probleme bereiten

Über­anstrengung meiden. Dazu viel trinken und kleine wasser­reiche Mahl­zeiten einnehmen - das beugt Über­hitzung vor. © Alamy Stock Photo / Phanie

Bestimmte Medikamente sind vor allem bei Hitze von Nachteil: Sie schränken das Schwitzen ein oder schwemmen viel Wasser aus – mit riskanten Folgen. Wir klären auf.

Körpertemperatur muss sich selbst regulieren

An heißen Tagen wird der menschliche Organismus besonders bean­sprucht. Um eine Über­hitzung zu vermeiden, muss die Körperkern­temperatur des Menschen 36 bis 37,5 Grad Celsius betragen. Um dies entsprechend zu regulieren, verfügt der Körper über zwei Haupt­mecha­nismen: er bildet mehr Schweiß oder er erweitert kleine Blutgefäße.

Zwei Gruppen sind nach­teilig

Manche Medikamente aber beein­trächtigen genau diese Fähig­keiten des Körpers zur Selbst­regulierung, darunter Mittel bei Harnin­kontinenz und bestimmte Antide­pressiva. Andere, insbesondere Blut­druck­senker, verstärken den vermehrten Verlust von Wasser und Elektrolyten oder die Folgen der Gefäß­weit­stellung.

Mittel, die die Schweiß­bildung blockieren

In der Fach­sprache heißen sie Anticholinergika. Zu ihnen gehören Mittel, die die Muskulatur an inneren Organen wie Blase, Magen, Darm, Gallenwege entspannen sowie Mittel bei Depressionen und Parkinson. Sie verringern die Effekte des Nervenboten­stoffs Acetylcholin, der die Schweiß­drüsen zur Sekretion von Schweiß angeregt. Folgen: Bei eine Blockade von Acetylcholin nimmt die Schweiß­bildung ab, der Mund kann sich trocken anfühlen, die Haut sich röten und heiß werden. Manche Behandelte empfinden sich als ausgedörrt. Diese Medikamente gehören dazu:

  • Mittel bei Harnin­kontinenz mit Oxybutynin (darunter Oxybugamma, Kentera), Tolterodin (darunter Tolterodin Aristo, Tolterodin Puren), Fesoterodin (in Toviaz), Desfesoterodin (in Tovedeso), Trospium (etwa in Spasmex, Spasmolyt) und Propiverin (darunter Mictonorm, Propiverin Aristo)
  • Mittel bei krampf­artigen Beschwerden im Magen-Darm-Trakt (etwa Butyl­scopolamini­umbromid in Buscopan)
  • Pirenzepin (Inhalts­stoff des Magen­mittels Gastrozepin)
  • Mittel, die bei Parkinson oder parkinson­ähnlichen Beschwerden das Zittern und die Muskel­starre verbessern: Biperiden (etwa in Akineton oder Biperiden neuraxpharm), Bornaprin (in Sormodren) und Trihex­yphenidyl (in Parkopan).
  • Tetra- und trizyklische Antidepressiva, die bei Depressionen, Angst- und Zwangs­störungen und wie Amit­riptylin auch bei chro­nischen Schmerzen einge­setzt werden: Amit­riptylin (etwa in Amit­riptylin neuraxpharm, Amineurin), Clomipramin (etwa in Anafranil, Clomipramin neuraxpharm), Doxepin (etwa in Doxepin Ratiophram, Doxepin Neuraxpharm), Imipramin (etwa in Imipramin neuraxpharm), Mapro­tilin (etwa in Mapro­tilin neuraxpharm), Nortriptylin (etwa in Nortriptylin Glenmark) und Trimipramin (etwa in Trimipramin neuraxpharm, Trimipramin 1A Pharma).

Blut­druck­abfall, Schwindel, Müdig­keit

Einige Mittel aus der Gruppe der Anticholinergika haben weitere Neben­wirkungen wie dass sie beispiels­weise den Blut­druck absenken. Wer dann zu schnell aufsteht, dem kann schwarz vor Augen werden. Hierzu zählen:

  • Opipramol bei Angst­störungen (etwa in Opipram, Opipramol AL). Macht auch schwind­lig und müde, was sich bei Hitze verstärken kann.
  • Die rezept­freien Schlaf­mittel Diphenhydramin (etwa in Betadorm B, Halb­mond) und Doxylamin (etwa in Hoggar Night, Sedaplus Saft) sowie Dimenhydrinat (etwa Reise­gold Tabs gegen Reisekrankheit, Vertigo vomex Retardkapseln bei Menière-Krankheit). Sie machen auch schwind­lig und müde, was sich bei Hitze verstärken kann.
  • Mittel bei Psychosen. Bei diesen kann es zu einem lebens­bedrohlichen malignen neuroleptischen Syndrom kommen. Das Bewusst­sein ist dann getrübt und die Körpertemperatur erhöht. Das Mittel muss dann abge­setzt und sofort der Notarzt (Telefon 112) gerufen werden. Der Kranke braucht eine intensivmedizi­nische Behand­lung. Betroffen ist etwa 1 von 1 000 Behandelten oder weniger.

Tipp: Wenn Sie ein Mittel mit anticholinergen Wirkungen dauer­haft einnehmen und unter den genannten Beschwerden leiden, sollten Sie während einer Hitzewelle mit Ihrem Arzt besprechen, ob die Therapie angepasst werden sollte. Besonders ältere Menschen sind gefährdet.

Risiken auch für Epileptiker

Auch bestimmte Mittel bei Epilepsie schränken die Fähig­keit des Körpers ein, ausreichend zu schwitzen: Topiramat (auch zur Vorbeugung von Migräne einge­setzt, darunter Topiramat Glenmark, Topiramat Aurobindo) und Zonisamid (etwa in Zonegran, Zonisamid Glenmark). Sie gehören zwar nicht zu den Anticholinergika, allerdings greifen ihre Wirk­stoffe auf komplexe Weise in die Erregung von Nerven ein – auch Nerven, die die Schweiß­drüsen ansteuern.

Hitz­etage werden häufiger

Hitz­etage nehmen in Deutsch­land durch den Klimawandel stetig zu. Nach Angaben des Umweltbundesamtes hat sich in den vergangenen Jahr­zehnten die Zahl der Tage mit mindestens 30 Grad Celsius pro Jahr in einigen Regionen Deutsch­lands nahezu verdoppelt: Von knapp sechs Tagen zwischen 1961 und 1990 auf fast zwölf zwischen 1990 und 2019.

Wasser­ausschwemmende Mittel

Sie werden in der Fach­sprache Diuretika genannt und kommen häufig bei hohem Blut­druck oder Herz­schwäche zum Einsatz. Oft sind sie auch Bestand­teil von Kombinations­mitteln bei Blut­hoch­druck. Nachteil: Sie bergen das Risiko für einen über­mäßigen Salz- und Wasser­verlust, insbesondere bei hoher Dosierung. Anzeichen dafür: Durst, Mund­trockenheit, Schwäche- und Schwindelgefühle, Muskel­schmerzen und -krämpfe sowie Kopf­schmerzen. Der Arzt sollte daher in Hitze­zeiten den Kalium- und Natrium­spiegel im Blut und die Nieren­werte häufiger kontrollieren. Zu diesen Mitteln gehören:

  • Hydrochorothiazid (etwa in HCT Dexcel. HCT 1 A Pharma)
  • Xipamid (etwa in Xipamid AAA Pharma, Xipamid ratiopharm)
  • Indapamid (etwa in Indapamid Hexal, Natrilix)
  • Chlortalidon (etwa in Hygroton)
  • Furosemid (etwa in Furosemid ratiopharm, Furobeta)
  • Torasemid (etwa in Torasemid AL; Torasemid 1 A-Pharma)
  • Piretanid (etwa in Piretanid Hexal, Piretanid 1 A-Pharma)
  • Spironolacton (etwa in Aldactone, Spironolacton ratiopharm)
  • Eplerenon (etwa in Eplerenon Heumann, Eplerenon beta)

Tipp: Um Salz- und Wasser­verlusten vorzubeugen, ist es daher in Hitze­zeiten sinn­voll, regel­mäßig zu trinken. Wie viel getrunken werden soll, sollten Sie allerdings mit dem Arzt besprechen. Bei einer Herz­schwäche kann eine über­mäßige Flüssig­keits­aufnahme von mehr als zwei Litern pro Tag die Wasser­einlagerungen im Gewebe verschlimmern.

Regeln für heiße Tage

  1. Über­anstrengung meiden. Müssen Sie einen bei Hitze problematischen Wirk­stoff dauer­haft einnehmen, sollten Sie sich bei sehr warmem Wetter nicht anstrengen und sich nicht der Hitze aussetzen – also keine ausgedehnten Sonnenbäder nehmen, die Wohnung durch richtiges Lüften möglichst kühl halten.
  2. Dosis eventuell verringern. Bei einer Hitzewelle sollten Sie auf die beschriebenen Beschwerden achten. Kontaktieren Sie bei Beschwerden Ihren Arzt, möglicher­weise kann vorüber­gehend die Dosis verringert werden.
  3. Vorsicht bei Neueinstel­lungen. Werden sie im Hoch­sommer erst­malig auf ein Medikament mit erhöhtem Risiko bei Hitze einge­stellt, sollte die Therapie mit der nied­rigsten möglichen Dosis beginnen und schnelle Dosiss­teigerungen vermieden werden.
  4. Auf Mahl­zeiten achten. Für eine gute Versorgung mit Wasser und Mineralien sind bei Hitze mehrere kleine Mahl­zeiten mit hohem Wasser­gehalt empfehlens­wert, wie Obst, Gemüse und Salat – insbesondere wenn Sie die wasser­ausschwemmenden Thiazide einnehmen.
  5. Aktiv kühlen. Vorbeugend kann der Körper an heißen Tagen mit nassen Tüchern auf Armen, Beinen, Gesicht oder Nacken von außen gekühlt werden. Oder die Haut kann mit einem nassen Schwamm befeuchtet werden, ohne sie danach abzu­trocknen.
  6. Auch für junge Sportler gilt: Wenn Sie durch Schwitzen sehr viel Flüssig­keit verloren haben, sollten Sie kein Schmerz­mittel aus der Gruppe der NSAR wie etwa ASS, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen) einnehmen. Sie können die Schutz­funk­tion behindern, mit der der Körper in dieser Situation für eine ausreichende Durch­blutung der Nieren sorgt.
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