Long Covid Von Corona ausgebremst – Wo Sie Hilfe finden

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Long Covid - Von Corona ausgebremst – Wo Sie Hilfe finden

Long Covid, Post Covid. Betroffene sind in ihrer Leistungs­fähig­keit oft stark einge­schränkt. © Serge Filimonov / Stocksy United

Noch lange nach einer Covid-19-Infektion können eine Vielzahl an Symptomen auftreten. Wir zeigen, was Betroffenen helfen kann.

Es gibt bislang keine sicheren Diagnosen, keine anerkannten Therapien, keine eindeutigen Ursachen. Trotzdem ist die Krankheit da: Long Covid. Der Begriff steht für die Vielzahl an Beschwerden, die nach Covid-19-Erkrankungen auftreten können. Oft verschwinden sie, manchmal bleiben sie und belasten das Alltags­leben. Von Long Covid sprechen Fachleute, wenn Symptome länger als vier Wochen nach der Infektion anhalten, von Post Covid, wenn sie mehr als drei Monate andauern oder dann erst auftreten. Wir verwenden dafür den gängigeren Begriff Long Covid. Schät­zungs­weise 10 Prozent der Covid-19-Patienten erkranken an Long Covid. Ein Teil von ihnen an der schlimmsten Form: chro­nische Fatigue. Sie können nur einge­schränkt oder gar nicht arbeiten.

Unser Rat

Test. Machen Sie nach einem positiven Selbsttest einen kosten­pflichtigen PCR-Test zum Beispiel beim Haus­arzt. Post-Covid-Ambulanzen oder Sozial­versicherungs­träger können Nach­weise darüber verlangen, wann sie an Covid-19 erkrankt waren.

Information. Als Patientin oder Patient sind Sie teils auf sich allein gestellt. Selbst­hilfe­gruppen können Sie unterstützen. Informieren Sie sich über Symptome, schauen Sie selbst nach wirk­samen Therapien und akzeptieren Sie Einschränkungen vor­erst. Verfahren wie Pacing und neuro­psychologische Therapie greifen bei Fatigue und kognitiven Störungen, Psycho­therapie bei Ängsten und Depressionen.

Arbeits­platz. Sprechen Sie am Arbeits­platz offen über Ihre Einschränkungen. Vielleicht können Sie Ihre Stunden reduzieren oder den Aufgaben­bereich wechseln.

Warten auf Medikamente

Die meisten Mediziner gehen mitt­lerweile davon aus, dass Long Covid eine organische Erkrankung ist. Auch wenn sie psychische Symptome hervorrufen kann. Patienten zeigen in Gehirn, Muskeln, Gefäßen oder Lunge krankhafte Veränderungen. Einen Marker, mit dem sich die Erkrankung eindeutig diagnostizieren lässt, gibt es nicht. Ebenso wenig wie Medikamente. Die Charité untersucht ein Blut­wäsche­verfahren (Immun­adsorption). Es erzielte bislang keine anhaltende Wirkung. Und sie testet einen Wirk­stoff, der die Produktion der an der Fatigue beteiligten Auto­immun­zellen blockiert. Ähnlich wirkt das Herz-Medikamente BC 007, das derzeit geprüft wird. Ergeb­nisse gibt es 2025. An einer Liste mit für andere Krankheiten zugelassenen, aber bei Long Covid wirk­samen Medikamenten arbeitet derweil das Bundes­institut für Arznei­mittel und Medizin­produkte (BfArM). Sie könnten dann Off-Label verschrieben werden.

Verschiedene Ursachen vermutet

Als organische Ursachen werden eine Auto­immunre­aktion, Blut­gerinnsel oder eine chro­nische Entzündungs­reaktion durch verbliebene Virus­partikel vermutet. Die Liste der möglichen Symptome ist lang: Atemnot, Herz­rasen, Geruchs-, Geschmacks- und Verdauungs­störungen, Muskel­schmerzen, Haar­ausfall, Gedächt­nisverlust, Konzentrations­schwäche, Schwindel, Kopf­schmerzen, Schlaf­probleme, Depressionen.

Das schwerste Symptom ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chro­nisches Fatigue-Syndrom) zeigt sich in ausgeprägter Erschöpfung, die sich nach Anstrengung verschlimmern kann.

Eine Diagnose bringt Erleichterung

Wer nach einer Covid-19-Erkrankung an anhaltenden Beschwerden leidet, die vor dem Infekt nicht bestanden, sucht am besten eine Allgemeinmedizinerin oder einen Allgemeinmediziner auf. Allerdings sind nicht alle mit dem komplexen Krank­heits­bild vertraut. Einige Patienten erzählen, ihre Probleme würden nicht ernst genommen oder als psycho­somatisch abge­tan. Eine neue Long-Covid-Richt­linie des Gemein­samen Bundes­ausschuss‘ (G-BA) soll den Ablauf der Behand­lung für die Patienten verbessern.

Buch­tipp für Betroffene

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Bei psycho­sozialem Stress, ängst­lichen oder depressiven Symptomen ist für Long-Covid-Patienten Psycho­therapie ange­zeigt. Das meint Dr. Christine Allwang. Die Medizinerin und andere Experten raten Betroffenen, wie sie neue Kraft schöpfen, mit Leistungs­einbußen im Job umgehen und trotz Arbeits­unfähigkeit ihre Existenz sichern: „Post und Long Covid“, 2023, Stiftung Warentest ­Berlin, 20 Euro.

Linderung der Symptome

Experten sagen: Die richtige Diagnose ist entscheidend für die Betroffenen, denn sie fühlen sich erleichtert, wenn sie eine Erklärung für ihr Leiden haben. Eine Heilung ist zwar nicht möglich, die Linderung der Symptome dagegen schon. Haus­ärzte können Physio­therapie bei Beschwerden wie Atemnot, Kurz­atmig­keit oder Muskel­schmerzen verschreiben oder Ergo­therapie bei kognitiven Problemen. Die Long-Covid-Expertin Claudia Ellert empfiehlt Entspannungs­techniken wie Acht­samkeit oder Auto­genes Training auszupro­bieren. Wichtig ist auch ein gutes Stress­management, meint Ratgeber-Auto­rin. Dr. Christine Allwang. Bei Fatigue-Patienten heißt das Pacing. Sie müssen lernen, mit ihren durch die Krankheit einge­schränkten Belastungs­grenzen umzu­gehen.

Über­weisung zu Fachmedizinern

Sind weitere Tests nötig, können Haus­ärztinnen und Haus­ärzte an Spezialisten wie Pneumologen, Kardiologen oder Neurologen über­weisen. Auf Termine bei ihnen müssen Kassenpatienten jedoch oft lange warten. Für Privatpatienten bietet das Institut der Lungenfach­ärztin Jördis Fromm­hold in Rostock eine bundes­weite Beratung für Long-Covid-Patienten per Video­telefonat an.

Post-Covid-Ambulanzen

Tiefer­gehende Unter­suchungen sind in Post-Covid-Ambulanzen möglich, die bundes­weit an Unikliniken und Krankenhäusern entstanden sind (Adressen unter longcovid­deutsch­land.org oder über die Klinikweb­seiten). Diese bieten ambulante Therapien an, sind aber so über­laufen, dass Patientinnen und Patienten ein halbes Jahr auf einen Termin warten.

Voraus­setzung für eine Behand­lung ist oft eine Über­weisung von einer Arzt­praxis. Benötigt werden bisherige Befunde, Fragebögen sind auszufüllen. Entscheidend sind auch Schwere und Dauer der Erkrankung: Mal sind drei Monate anhaltende Symptome Bedingung, mal sechs.

Es gibt fach­über­greifende Ambulanzen, die Patientinnen und Patienten dann an die jeweiligen Fach­abtei­lungen einer Klinik vermitteln. Das ist praktisch, da Betroffene oft unterschiedliche Beschwerden mitbringen. Und gibt es Ambulanzen, die sich jeweils auf chro­nische Fatigue, pneumologische, kardiologische oder neurologische Beschwerden spezialisiert haben.

Teure experimentelle Therapien

Da es noch keine anerkannten Behand­lungs­methoden gibt, bieten einige Mediziner den Betroffenen privat zu zahlende Therapien an. Diese haben sich bereits bei anderen Erkrankungen als wirk­sam erwiesen. Mit der bei der Dialyse erprobten Blut­wäsche – wie sie die Charité testet – lassen sich auch Auto­antikörper aus dem Blut filtern. Sie kostet zirka 1 000 Euro pro Sitzung. Meist sind mehrere davon nötig.

Bei der hyper­baren Sauer­stoff­therapie erhalten Patientinnen und Patienten in einer Druck­kammer medizi­nisch reinen Sauer­stoff. Diese Therapie wird sonst beim Hörsturz angewendet und soll gegen die neurologischen Beschwerden helfen. Auch hier gibt es positive Berichte von Betroffenen. Auch sie müssen die mehrere Tausend Euro teure Behand­lung meist selbst bezahlen.

Einige Reha-Kliniken sind auf Long Covid spezialisiert

Auch eine Reha kann den Weg zurück in den Alltag erleichtern. Die Klinik­suche unter bei der Deutschen Rentenversicherung zeigt Adressen. Einige Häuser haben sich auf Long Covid spezialisiert. Gerade Patienten, die an Fatigue und der Belastungs­intoleranz PEM (Post-Exter­tional-Malaise) leiden, benötigen eine spezielle Behand­lung. Klassische Sport- und Bewegungs­therapien können bei ihnen negative Auswirkungen haben.

Patientinnen und Patienten können Wünsche zu Ort, Region oder einer speziellen Reha-Klinik angeben. Die Zuweisung in eine Einrichtung hängt aber von den jeweiligen Symptomen ab. Angeboten werden in den Reha-Kliniken je nach Bedarf Atemgymnastik, Ergo­therapie, Bewegungs­training, Ausdauertraining, Kraft­training oder balneo-physika­lische Therapien.

Voraus­setzung für den Reha-Aufenthalt

Menschen im erwerbs­tätigen Alter, die renten­versichert sind, können den Antrag auf eine Reha bei der Renten­versicherung stellen. Das geht online. Voraus­setzung: Ihre Erwerbs­fähig­keit wird durch die krank­heits­bedingten Funk­tions­einschränkungen gemindert oder gefährdet. Arbeits­suchende können die Reha beantragen, wenn sich ihre Erwerbs­fähig­keit dadurch wieder herstellen lässt, ebenso Menschen, die eine Erwerbs­minderungs­rente beziehen. Wer Alters­rente erhält, beantragt die Reha bei der Krankenkasse. Hier geht es darum, Alltags­fähig­keiten zurück­zugewinnen. Ist Long Covid eine Berufskrankheit oder als Arbeits­unfall anerkannt, ist die gesetzliche Unfall­versicherung für die Reha zuständig.

Nötig ist ein ärzt­licher Befundbe­richt, der den Reha-Bedarf bestätigt. Dieser muss neben Befunden auch Fach­arzt­berichte und bisherige Therapien auflisten und beschreibt, welche Tätig­keiten durch die Krankheit nicht mehr möglich sind. Er sollte bescheinigen, dass der Patient an der Reha teilnehmen kann und sich seine Gesundheit dadurch voraus­sicht­lich verbessert. Manchmal wird der Arzt-Bericht durch ein medizi­nisches Gutachten über­prüft. Der Eigen­anteil bei der Reha beträgt maximal 10 Euro pro Tag. Wer wenig verdient, kann sich ganz oder teil­weise von der Zuzahlung befreien lassen.

Selbst­hilfe­gruppen

Auch Selbst­hilfe wirkt oftmals. Bundes­weit gibt es an die 100 Selbst­hilfe­gruppen, eine Liste mit Selbsthilfegruppen findet sich auf nakos.de. Die Initiative Long Covid Deutsch­land unterhält auf Facebook eine geschlossene Gruppe für Patienten. Betroffene erhalten Alltags­tipps – wie im Sitzen zu kochen, um Kraft zu sparen –, außerdem Adressen von Ärzten oder Therapie-Ideen. Das Wissen, nicht allein zu sein, kann bestärken.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • marotoma am 11.07.2024 um 11:51 Uhr
    Pseudo Long-Covid

    Dass man vermeintliche Long-Covid-Leiden auch zum eigenen Vorteil nutzen kann, erlebe ich gerade bei einem Mannschaftskollegen meines Tennisvereins. Dieser Mann, ein verbeamteter Lehrer in den 40ern, hatte Covid und setzte eine zeitlang mit dem Sport aus, war nach Abklingen der Beschwerden aber wieder voll aktiv, spielte in Mannschaftsbewerben, bei Turnieren und war auf jeder Feier dabei. Zugleich war er aber krankgeschrieben wegen seiner angeblichen Covid-Symptome (Schlafstörungen, Schwindelanfälle usw). Nach über einem Jahr fortgesetzter Krankschreibung wurde er jetzt auf Antrag frühpensioniert und kann sich nun ganz seiner sporlichen Karriere widmen.

  • Alefu am 11.11.2022 um 15:11 Uhr
    Bitte keine Annahmen und Vermutungen verbreiten!

    Ja, es gibt für verschiedene Therapien noch keine wissenschaftliche Evidenz.
    Aber genau so wenig gibt es keine Evidenz, dass es keine Aussicht auf Heilung gibt. Hier bitte extrem vorsichtig sein mit solchen Äußerungen, grade weil viele Betroffene psychisch unter den vielen Symptomen leiden! Es gibt durchaus geheilte Long Covid Patienten, wenn auch nicht in großer Anzahl.
    Es wird richtig beschrieben, dass noch zu wenig Erkenntnisse über die Ursachen dieser Krankheit gibt. Wie aber kann man dann behaupten, dass es keine Heilung gibt, wenn doch die Ursachen noch vielfach unbekannt sind?
    Im Sinne der Betroffenen, bitte vorsichtig mit solchen Behauptungen!
    Übrigens sind die Selbsthilfegruppen nicht für jedermann und jederfrau geeignet, bei mentaler Instabilität kann da der Schuss auch gewaltig nach hinten los gehen. Erfahrung aus dem Verwandtenkreis.