Kokosöl im Test

Kokosöl: Wissenschaft entzaubert Trendöl

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Es soll Viren und Bakterien bekämpfen, beim Abnehmen helfen und sogar gegen Demenz wirken – einige Internet­seiten preisen Kokosnussöl als wahres Wunder­mittel. Doch unabhängige Gesund­heits- und Ernährungs­organisationen entzaubern die Versprechen und warnen sogar vor über­mäßigem Verzehr. Die Diskussion dreht sich vor allem um die Fett­säuren im Kokosöl. test.de fasst den Stand der wissenschaftlichen Debatte zusammen.

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Früher Volks­medizin, heute angeblich Allheil­mittel

Die Bewohner der Tropen verwenden Kokosöl seit jeher in der Volks­medizin. Seit einigen Jahren beschwören Internet­seiten es aber als Allheil­mittel für die ganze Welt. Vor allem seine Fett­säuren Laurin-, Caprin- und Caprylsäure sollen medizi­nisch wirk­sam sein und selbst bei sehr schweren Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Masern helfen. Kokosöl, so heißt es öfter, könne auch vor Herz-Kreis­lauf-Erkrankungen schützen und das Abnehmen fördern. Es soll zudem die Zähne pflegen und unter anderem vor Karies bewahren. Kann das Lebens­mittel wirk­lich vorbeugen und heilen wie ein Arznei­mittel – zumal die angepriesenen Fett­säuren zu den gesättigten Fett­säuren zählen, die allgemein als nach­teilig gelten?

Kokosöl nicht vorteilhaft für Herz und Kreis­lauf

„Hilf­reich dabei, die Risiko­faktoren für Herz­krankheiten zu minimieren“ – behauptet zum Beispiel das Gesund­heits­portal zentrum-der-gesundheit.de über Kokosöl. Doch die American Heart Association (AHA) hat dieser Heils­erwartung 2017 einen gehörigen Dämpfer verpasst. Die US-amerikanische Organisation, die sich dem Kampf gegen Herz­erkrankungen widmet, rät in einer Studie zu Speisefetten und Herzkreislauf-Erkrankungen sogar ausdrück­lich davon ab, Kokosöl zu verzehren. Aufgrund seines hohen Anteils an gesättigten Fett­säuren – rund 90 Prozent – erhöhe Kokosnussöl nämlich das unerwünschte LDL-Cholesterin im Blut. Hohe LDL-Werte gelten als Risiko­faktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders kritisch seien die gesättigten Fett­säuren Myristin- und Palmitinsäure. Auch der Laurinsäure kämen keine ausgleichenden Effekte zu.

Ungesättigte Fett­säuren sind gesünder

Die AHA empfiehlt, gesättigte Fett­säuren – wie sie in Kokosöl oder Palm­fett reichlich vorhanden sind – durch gesündere, ungesättigte Fett­säuren zu ersetzen. Laut Deutscher Gesell­schaft für Ernährung (DGE) sollten mindestens zwei Drittel der aus Fett stammenden Energie aus ungesättigten Fett­säuren stammen. Vor allem Raps- und Olivenöl enthalten viel von diesen vorteilhaften Fett­säuren.

Tipp: In unserem Rapsöl-Test und Olivenöl-Test finden Sie gute Produkte.

Kokosnussöl lässt Pfunde nicht purzeln

„Kokosöl zum Abnehmen“ propagiert die Internetseite kokosoel.info – und steht damit nicht allein. Viele einschlägige Seiten im Netz vertreten diese These. Ihr Argument: Da die gesättigten Haupt­fett­säuren Laurin-, Caprin- und Caprylsäure zu den mittel­kettigen Fett­säuren zählten und der Körper mittel­kettige Fett­säuren besonders schnell aufnehmen und leicht verdauen könne, speichere er sie nicht wie lang­kettige Fett­säuren, sondern baue sie bevor­zugt zur Energiegewinnung ab. Allerdings basieren Studien, die sich mit Abnehm-Effekten durch mittel­kettige Fett­säuren befasst haben, auf Ernährungs­versuchen mit speziellen Kunst­fetten. Diese MCT-Fette – das Kürzel MCT steht für Medium Chain Triglycerides – enthalten praktisch nur mittel­kettige Fett­säuren, haben aber nicht das Fett­säure­muster von natürlichem Kokosöl.

Ernährungs­wissenschaftler: MCT-Fette helfen nicht bei Fett­leibig­keit

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hält MCT-Fette in der Therapie gegen Adipositas nicht für empfehlens­wert. Nur einige, über einen kurzen Zeitraum angelegte Studien ließen darauf schließen, dass diese Fette helfen könnten, Körpergewicht und Fett­masse zu reduzieren. Lang­fristige Effekte seien nicht untersucht worden und auch nicht, wie verträglich die MCT-Fette sind. Damit ist wissenschaftlich also nicht bewiesen, dass mittel­kettige Fett­säuren auf lange Sicht das Körpergewicht positiv beein­flussen – oder über­haupt Pfunde purzeln lassen.

Laurinsäure gegen HIV?

„Bekämpft Viren, Bakterien und Pilze“, heißt es auf der Platt­form veganesk.de – und nicht nur dort. Portale wie gesundheit-und-wohlbefinden.net werden noch konkreter und behaupten, dass Kokosöl „Herpes, Hepatitis, HIV, Influenza und Masern heilen oder lindern“ könne. Die britische Ernährungs­organisation British Nutrition Foundation erklärt, dass ihr keine wissenschaftlich fundierte Studie bekannt sei, die antimikrobielle Effekte im Körper des Menschen nach­weise. Es sei auch nicht bekannt, wie viel Mono­laurin der Mensch aus Laurinsäure produziere. Immerhin lägen einige Hinweise vor, dass isoliertes Mono­laurin beim Menschen gegen Haut­infektionen wirke.

Wirkung bei Alzheimer nicht belegt

Die Leber verwandle die mittel­kettigen Fett­säuren über­wiegend in Ketone. Diese könnten unter­versorgte Hirn­zellen mit Energie versorgen. So lautet die Theorie hinter der Behauptung, dass Kokosöl bei Demenz helfen könne. Der Blog paleosophie.de stellt in Aussicht, dass man mit Kokosöl „Alzheimer erfolg­reich behandeln“ könne. Weitere Online-Seiten verweisen auf Veröffent­lichungen über Demenz-Patienten, deren Leiden angeblich durch Kokosöl gelindert wurde. Doch solche Einzel­fälle sind noch keine wissenschaftlichen Belege. Auch Studien über den positiven Einfluss von Kokosöl auf Alzheimer-Patienten sind nach Einschät­zung der britischen Ernährungs­organisation British Nutrition Foundation nicht belast­bar. Es handle sich über­wiegend um Tier­studien, und diese seien – wie auch die wenigen Human­studien – nicht mit handels­üblichem Kokosöl, sondern einem caprylsäurereichen Spezial­produkt durch­geführt worden.

Ölziehen reicht nicht als Karies­schutz

Ayurveda-Fans nutzen verschiedene Ölsorten, darunter auch Kokosöl, zum sogenannten Ölziehen. Dabei spülen sie einige Minuten lang etwas Öl im Mund hin und her und ziehen es so durch die Zahn­zwischenräume. Diese Art von Mund­hygiene soll verschiedenen Krankheiten vorbeugen. Das Kauf­beratungs­portal utopia.de schreibt zu Kokosöl: „Ein natürlicher Karies-Schutz“. Einige Anbieter und Anhänger von Kokosöl bewerben es darüber hinaus noch als Mittel zur Zahn­fleisch­pflege und zum Bleachen – also Aufhellen der Zähne. Einige Studien, etwa aus Indien, deuten mögliche Anti-Plaque-Effekte von Kokosöl an – vor allem gegen Pilze. Die Studien haben aber metho­dische Schwächen und bestätigen darüber hinaus keine Rundum-Wirkung gegen Karies. Die erreicht man durch klassische Zahn­pflege mit fluoridhaltiger Zahn­creme.

Tipp: Die Stiftung Warentest prüft regel­mäßig Zahnpasta. Wirk­same Zahn­cremes gegen Karies finden Sie in unserem Test Zahnpasta mit mehr als 90 Produkten.

EU verbietet Heil-Versprechen

Die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit Efsa hat keine gesund­heits­bezogenen Aussagen – sogenannte Health Claims – genehmigt, mit denen Anbieter ihre Kokosöle bewerben dürfen (Health Claims). Wenn sie die Laurinsäure beispiels­weise als „antibakteriell“ anpreisen, ist das nicht erlaubt. Die Efsa hatte 2011 einen Antrag auf einen Health Claim abge­schmettert, der sich auf Abnehm-Effekte durch mittelkettige Fettsäuren bezog.

Lieber zum Arzt gehen als Kokosöl verzehren

Es liegen nach unserer Recherche keine wissenschaftlich belast­baren Studien vor, wonach der Verzehr von Kokosöl Krankheiten vorbeugt, diese lindert oder gar heilt. Wer entsprechenden Gesund­heits­versprechen vertraut und lieber Kokosöl einnimmt statt einen Arzt zu Rate zu ziehen, geht insbesondere bei schweren Erkrankungen ein gesundheitliches Risiko ein.

Fazit: Raps- und Olivenöl sind gesünder

Es spricht nichts dagegen, gelegentlich Kokosöl in geringen Mengen zu verzehren. Kulinarisch kann es die Küche durch seinen Geschmack bereichern. Es gibt aber unserer Kennt­nis nach keine gesundheitlichen Vorteile, die nach Maßstäben der evidenzbasierten Medizin wissenschaftlich nachgewiesen sind. Das Fett­säurespektrum von Kokosöl ist nicht ideal. Raps- und Olivenöl liefern erheblich mehr wert­volle einfach und mehr­fach ungesättigte Fett­säuren: Gute Produkte zeigen der Rapsöl-Test und der Olivenöl-Test der Stiftung Warentest. Im Test von Margarine schnitten Produkte mit Kokos­fett weniger gut ab, andere mit viel Rapsöl waren gut.

Tipp: Warum manche Öle gesünder sind als andere, erklären wir in unserer Meldung Speiseöle im Vergleich und im Buch Warenkunde Öl. Speiseöle – Expertenwissen und kreative Rezepte, das für 19,90 Euro im test.de-Shop erhältlich ist. Antworten auf Fragen zum Thema Speiseöl gibt unser FAQ Speiseöl.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 13.12.2019 um 10:04 Uhr
    Kokosmilch

    @nils1896: Vielen Dank für Ihr Interesse an den Veröffentlichungen der Stiftung Warentest. Gerne nehmen wir das Thema „Kokosmilch“ als Testwunsch auf und leiten Ihren Wunsch an die entsprechende Abteilung weiter. Dennoch können wir nicht versprechen, dass wir Ihr Thema auch in absehbarer Zeit realisieren können. Es gibt eine sehr lange Liste von Untersuchungswünschen /-vorhaben und redaktionellen Projekten, die auf Umsetzung warten, aber leider nur begrenzte Ressourcen. (cr)

  • nils1896 am 12.12.2019 um 21:35 Uhr
    Kokosmilch

    Guten Tag, sie erwähnen in diesem Artikel zwar Kokosmilch, aber leider gibt es dazu von Ihnen bislang keinen Test. Dabei ist Kokosmilch weit verbreitet (gehört inzwischen sogar zum Standard-Sortiment von Aldi - das ist wirklich ein klares Indiz dafür, dass ein Produkt bei der breiten Masse angekommen ist) und für viele, die den Einsatz von tierischen Produkten reduzieren möchten, eine wichtige Alternative. Ich möchte daher anregen, in Zukunft mal Kokosmilch verschiedener Hersteller unter die Lupe zu nehmen. Vielen Dank!

  • Engel1984 am 09.07.2019 um 06:34 Uhr
    Wie erkennt man ein gutes Kokosöl?

    Ich gehöre zu den Menschen, die ein Kokosöl in der Küche nicht missen möchten. Aber wenn nur 5 von 15 Kokosölen zu empfehlen sind, dann muss das Öl gründlich unter die Lupe genommen werden. Wie erklennt ihr ein gutes Kokosöl?

  • brotaufstrich am 12.01.2019 um 12:48 Uhr
    Danke für den Hinweis

    Meines Erachtens war das beanstandete Kokosöl aus Sri Lanka. Das Label lässt sich zur Kontrolle überprüfen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 10.01.2019 um 09:55 Uhr
    Kokosöl Aldi Nord

    @brotausfstrich:Aldi hat das von uns untersuchte und mit '"mangelhaft" beurteilte Kokosöl aus Sri Lanka aus dem Verkehr gezogen. Unsere Kontrollbesuche in einigen Filialen bestätigen dies. Das Kokosöl, das jetzt unter gleicher Produktbezeichnung „GutBio Bio Natives Kokosöl“ im Handel ist, stammt aus Vietnam. (bp)