Die HPV-Impfung soll Frauen vor Gebärmutterhalskrebs schützen. Auch Männer können profitieren. Hier steht die Einschätzung der Stiftung Warentest für Jungen und Mädchen.
Starke Argumente für die Impfung
Die Argumente für diese Impfung sind stark. Sie ist die bislang einzige, die Krebs erzeugende Viren ausschalten kann – bestimmte Typen der Humanen Papillom-Viren, kurz HPV. Sie verursachen Gebärmutterhalskrebs, woran in Deutschland jedes Jahr mehr als 4 000 Frauen erkranken. Auch der seltenere Scheidenkrebs oder der Analkrebs bei Frauen und Männern gehen oft auf das Konto der Viren. Beim Geschlechtsverkehr gelangen sie von einem Körper auf den anderen.
2006 kam der erste HPV-Impfstoff auf den deutschen Markt. Die Ständige Impfkommission Stiko und auch die Experten der Stiftung Warentest haben die Impfung zunächst nur Mädchen und jungen Frauen ans Herz gelegt. 2018 weitete die Stiko ihre Empfehlung aus: Sie rät nun auch Jungen und jungen Männern zur HPV-Impfung. Das war Anlass für unsere Experten, die neuesten Studien auszuwerten. Das Ergebnis: Auch sie raten Jungen zur Impfung – und zwar mit dem Impfstoff Gardasil 9. Der andere Impfstoff auf dem deutschen Markt, Cervarix, wirkt nicht so breit und der Nutzen für Jungen ist wenig untersucht (Tabelle unten „Impfung gegen HPV – die Einschätzung der Stiftung Warentest“).
Impfquoten immer noch gering
Update 22.05.2020. Zu wenig Jugendliche lassen sich gegen HPV impfen. Seit 2007 bezahlen die Krankenkassen die Impfung für Mädchen, seit 2018 auch für Jungen. Die Quote ist aber mit etwa 31 Prozent bei 15-jährigen Jugendlichen gering, berichtet das Deutsche Krebsforschungszentrum. Für einen flächendeckenden Schutz seien mindestens 70 Prozent erforderlich. Auch die Stiftung Warentest stuft die HPV-Impfung als sinnvoll ein (Impfungen für Kinder).
Noch eine Impfung für Kinder – warum?
Es ist wichtig, sich vor der ersten möglichen Ansteckung gegen HPV zu wappnen. Das heißt: vor dem ersten Geschlechtsverkehr. Die Viren können auch über Oralsex in den Mund-Rachen-Raum gelangen. Etwa 80 Prozent der sexuell Aktiven infizieren sich damit – vor allem im Alter von 15 bis 25 Jahren. Haben die stark verbreiteten Viren einmal die oberen Hautschichten im Genital-, After- oder Rachenbereich befallen, werden Betroffene sie in etwa 10 Prozent der Fälle nicht mehr los. Die Viren können diese Hautzellen zu Krebsvorstufen wuchern lassen und in etwa 10 bis 30 Jahren zu Krebs führen. Experten haben ermittelt, dass 9- bis 14-Jährige in Deutschland im perfekten Impfalter sind. Aus zwei Gründen: Zum einen haben da 94 Prozent der Mädchen und 97 Prozent der Jungen noch keinen Sex gehabt – sie sind also virenfrei. Zum anderen schlägt die Impfung bei Kindern und jungen Teenagern besser an als bei älteren Jugendlichen. Sie brauchen für einen Schutz nur zwei Impfdosen, die älteren drei. Für Erwachsene empfiehlt die Ständige Impfkommission die Impfung nicht, da viele schon eine Infektion durchgemacht haben. Die Impfung nutzt dann weniger.
Gab es schon Todesfälle nach der Impfung?
Millionen Jugendliche haben sich bislang weltweit impfen lassen. Medien verschiedener Länder berichteten vereinzelt über Todesfälle von jungen Mädchen nach HPV-Impfungen, auch über neurologische Ausfälle wie Bewegungsstörungen oder Schmerzen in Armen und Beinen. Laut nachträglicher Untersuchungen soll es jeweils entweder schwere Vorerkrankungen gegeben haben oder keinen ursächlichen Zusammenhang zur Impfung.
Die Verantwortliche unserer Studienanalyse, Fachapothekerin Dr. Judith Günther vom Forschungsinstitut Pharmafacts, sagt: „Nach den Daten, die bisher vorliegen, scheint das Risiko für schwere Nebenwirkungen bei der HPV-Impfung ähnlich gering wie bei anderen Impfstoffen.“
Leichte Nebenwirkungen sind häufig. Dazu zählen Schwellungen, Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle, auch Fieber, Kopfschmerzen, Schwindel, Abgeschlagenheit. Die Symptome klingen normalerweise nach ein bis zwei Tagen ab.
Wodurch unterscheiden sich die Impfstoffe?
Es sind mehr als 200 HPV-Typen bekannt. Der Impfstoff Gardasil 9 des Pharmakonzerns MSD mit Hauptsitz in den USA wirkt gegen 9 der 40 HPV-Typen, die Infektionen auslösen können. Außer den beiden Haupterregern für Gebärmutterhalskrebs, HPV 16 und HPV 18, gehören dazu weitere Hoch-Risiko-Viren, die Krebs erzeugen können. Gardasil 9 wirkt auch gegen die Auslöser für Genitalwarzen. Der Impfstoff folgte auf Gardasil 4, der bis 2017 auf dem Markt war. Der zweite Impfstoff heißt Cervarix und stammt vom britischen Pharmakonzern Glaxo Smith Kline. Er schützt nachweislich vor den zwei Haupterregern für Gebärmutterhalskrebs, aber nicht vor Genitalwarzen.
In Deutschland verordnen Ärzte deutlich mehr Gardasil 9 als Cervarix. Dabei ist Gardasil 9 etwas teurer. Zwei Spritzen kosten etwa 325 Euro, zwei Spritzen Cervarix rund 313 Euro. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für beide Impfstoffe für Kinder und Teenager unter 18 Jahre.
Warum sollen sich auch Jungen impfen lassen?
Jungen erkranken seltener an Krebs durch HPV als Mädchen, würden als Geimpfte aber zu deren Schutz beitragen. Das wäre für die gesamte Gesellschaft von Vorteil. „Jungen übertragen HPV beim Sex. Wenn sie sich auch impfen lassen, ist das fair gegenüber den Mädchen“, sagt unsere Gutachterin Günther. Die Weltgesundheitsorganisation rät Ländern, in denen weniger als 50 Prozent der Mädchen geimpft sind, die Impfung gezielt für Jungen zu empfehlen. In Deutschland waren bei der jüngsten Erhebung 2015 nur etwa 45 Prozent der 17-jährigen Mädchen vollständig geimpft.
Wie bemerkt man eine Infektion?
Die Ansteckung mit den krebserregenden HPV-Typen verläuft meist symptomfrei und bleibt unbemerkt. Die Infektion heilt oft in ein bis zwei Jahren von selbst ab, aber eben nicht immer. Zellveränderungen kann nur ein Arzt – ein Gynäkologe, Urologe, ein Haut- oder Hausarzt – feststellen. Gynäkologen kommen Zellveränderungen über den Pap-Test auf die Spur. Er ist nach seinem Erfinder Papanicolaou benannt und gehört zur gynäkologischen Früherkennung. Der Arzt nimmt einen Zellabstrich aus dem Gebärmutterhals. Bei auffälligem Befund lässt er mit einem HPV-Test nach den Viren fahnden. Bestätigt sich eine Infektion, erfolgt je nach Virustyp und Schwere der Zellveränderung eine Behandlung. Die Stelle wird weggeätzt, gelasert oder operativ kegelförmig ausgeschnitten, Konisation genannt. Sie wird in Deutschland bei etwa 56 000 Frauen jährlich durchgeführt und erhöht bei späteren Schwangerschaften das Frühgeburtsrisiko.
Bietet die Impfung 100 Prozent Schutz?
Nein. Bislang ist nur belegt, dass die Impfung Vorstufen einiger Krebsarten verhindern kann (siehe Tabelle Impfung gegen HPV- die Einschätzung der Stiftung Warentest). Für Penis-, Mund- und Rachenkrebs ist das noch nicht bewiesen. Ob die Impfung langfristig wirklich zu weniger Krebsfällen führt, kann erst die Zukunft zeigen.
Beide Impfstoffe wirken zudem nicht gegen alle HPV-Typen. Ebenso ist unklar, ob der Schutz länger als zehn Jahre anhält und ob eine Auffrischungsimpfung sinnvoll ist.
Unsere Experten raten auch geimpften Frauen, weiter den Pap-Test machen zu lassen, und geimpften Männern, regelmäßig zum Urologen zu gehen. Bei wechselnden Sexpartnern sind Kondome angesagt. Sie senken das Ansteckungsrisiko, verhindern es aber nicht ganz.
Welche Krankheiten die Viren verursachen
Gebärmutterhalskrebs
Fast alle Fälle dieser Krebsart gehen auf Infektionen mit den als hoch riskant eingestuften HPV-Typen zurück. Etwa 4 540 Frauen in Deutschland haben 2014 diese Diagnose erhalten, 1 506 Frauen starben, so das Deutsche Zentrum für Krebsregisterdaten in seinem jüngsten Bericht.
Vaginalkrebs
Hochrisiko-HPV verursachen etwa 70 Prozent der Vaginalkarzinome, berichtet das Krebsregister. Für 2014 führt es 1190 Neuererkrankungen von Krebs im Vaginalbereich auf. Daran starben 456 Frauen.
Vulvakrebs
Die hochriskanten HPV-Typen können bösartige Tumore im äußeren Scheidenbereich erzeugen. 2014 erfasste das Krebsregister 3130 neue Patientinnen mit Vulvakarzinom, 849 starben.
Analkrebs
Beim Analsex können sich Frauen und Männer mit hochriskanten HPV-Typen anstecken, die etwa 90 Prozent der Analkarzinome verschulden. 2013 stellten Ärzte in Deutschland bei 1150 Frauen und 680 Männern Analkrebs fest, 431 Menschen starben.
Peniskrebs
In jedem zweiten Fall sind Hochrisiko-HPV die Ursache. Peniskrebs ist selten. So wurde er 2014 bei 950 – oft älteren – Männern entdeckt. 197 starben.
Mund- und Rachenkrebs
HPV können durch Oralsex die Mund- und Rachenschleimhaut befallen. Die Viren lösen 40 Prozent der Tumore im Mund- und Rachenbereich aus. 2014 erkrankten insgesamt etwa 3 700 Frauen und 9 130 Männer neu, fast 5 500 Personen starben.
Genitalwarzen
Vor allem die HPV-Typen 6 und 11, die als „niedrig riskant“ eingestuft sind, verursachen die Warzen – auch Feigwarzen genannt. Sie sind gutartig, aber äußerst infektiös und weit verbreitet. Die Warzen jucken, schmerzen, teils sind sie sichtbar. Sie lassen sich behandeln, etwa mit Medikamenten, Laser oder Vereisung.
So bewertet die Stiftung Warentest die zwei HPV-Impfstoffe
In der Tabelle steht die Einschätzung unserer Experten zur Impfung von Kindern und Jugendlichen gegen Humane Papillom-Viren (HPV). Auf dem deutschen Markt gibt es nur zwei Impfstoffe: Gardasil 9 und Cervarix.
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Für Mädchen und junge Frauen, die noch nicht sexuell aktiv sind |
Für Jungen und junge Männer, die noch nicht sexuell aktiv sind |
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Impfstoff |
Gardasil 9 |
Cervarix |
Gardasil 9 |
Cervarix |
Immunität |
Mindestens 6 Jahre, einige Studien deuten auf mehr als 10 Jahre hin. |
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Impfplan |
Zwei Impfdosen: für 9- bis 14-Jährige. Zeitabstand zwischen den Impfterminen: 5 bis 13 Monate. Drei Impfdosen: für alle, die bei der ersten Impfung 15 Jahre oder älter sind. Alle drei Spritzen sollten innerhalb eines Jahres gegeben werden. |
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Unsere Einschätzung |
Die Impfung ist sinnvoll. Dieser Impfstoff kann nachweislich Vorstufen von Gebärmutterhals- und Scheidenkrebs sowie Genitalwarzen vorbeugen. Die Impfung ist voraussichtlich sinnvoll, um Vorstufen von Analkrebs vorzubeugen: Die Belege reichen für eine eindeutige Einschätzung noch nicht aus. |
Die Impfung ist sinnvoll. Dieser Impfstoff kann nachweislich Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs vorbeugen. Die Impfung ist voraussichtlich sinnvoll, um Vorstufen von Scheiden- und Analkrebs vorzubeugen: Die Belege reichen für eine eindeutige Einschätzung noch nicht aus. |
Die Impfung ist sinnvoll. Der Impfstoff kann nachweislich Genitalwarzen vorbeugen. Dass er auch vor Analkrebsvorstufen schützt, ist gut belegt bei Männern, die mit Männern Sex haben. Neben individuellem Nutzen steigert die Impfung die Immunität der ganzen Bevölkerung gegen die Viren, da Männer sie übertragen. |
Die Impfung ist wenig sinnvoll. Der individuelle Nutzen gegen Genitalwarzen und zur Vorbeugung von Analkrebs mit diesem Impfstoff ist nicht belegt. Die Impfung kann die Immunität der gesamten Bevölkerung gegen zwei der Hauptauslöser von Gebärmutterhalskrebs steigern. |
So sind wir bei der Impfbewertung vorgegangen
Methodik
Ein Expertenkreis hat in unserem Auftrag die aktuelle Studienlage zur Impfung gegen Humane Papillom-Viren (HPV) und zu den verfügbaren Impfstoffen ausgewertet. Die Experten orientierten sich an den Kriterien der evidenzbasierten Medizin und brachten auch ihre klinische Erfahrung ein. Sie bewerteten das Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Einzelnen, aber auch, wie sich die Krankheit innerhalb der Gesellschaft entwickelt, wenn größere Bevölkerungsgruppen geimpft werden. Hier finden Sie eine ausführliche Methodenbeschreibung.
Experten
Prof. Gerd Glaeske, Leiter der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung an der Universität Bremen und des Forschungsinstituts für Arzneimittelversorgung Pharmafacts; Dr. Judith Günther, Pharmafacts; Prof. Winfried V. Kern, Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg; Prof. Michael M. Kochen, Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg und von 1989 bis 2011 Direktor der Allgemeinmedizin an der Universität Göttingen; Prof. Barbara Schmalfeldt, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf.
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