Altersarmut ist auch im reichen Deutschland ein Thema – weniger für heutige Rentner als für Jüngere mit wenig Einkommen. Was kommt auf diese Personengruppe zu? Hier beantworten wir elf wichtige Fragen und erklären, wie der Staat später hilft.
1. Wer zahlt, wenn im Alter mein Geld nicht reicht?
Wenn Sie im Alter Ihren Lebensbedarf nicht selbst decken können, beantragen Sie „Grundsicherung im Alter“. Das ist eine steuerfinanzierte Sozialleistung.
2. Wo beantrage ich Grundsicherung im Alter?
Grundsicherung beantragen Sie beim Sozialhilfeträger. Das sind meist die Kommunalbehörden, also Städte, Kreise, Landschaftsverbände, Bezirke oder Landessozialämter. Sie können den Antrag aber auch bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Die leitet ihn dann an die zuständige Stelle weiter. Zum Renteneintritt informiert die Rentenversicherung Sie mit dem Rentenbescheid auch über die Leistungen der Grundsicherung.
3. Wie hoch ist die Grundsicherung im Alter?
Es gibt nicht einen für alle gleichen Grundsicherungsbetrag. Das Sozialamt legt vielmehr fest, wie hoch Ihr Bedarf im Einzelfall ist. Im September 2020 lag er nach Angaben des Bundesamts für Statistik im Durchschnitt bei 831 Euro brutto im Monat. Einen Teil des Lebensunterhalts wie Nahrung, Kleidung, Hausrat, Körperpflege, Strom zahlt das Sozialamt Ihnen als Pauschale – den Regelsatz. Er liegt 2022 für Alleinstehende bei 449 Euro und für Paare bei 404 Euro im Monat pro Partner. Über den Regelsatz hinaus bekommen Sie Leistungen für Unterkunft und Heizung. Hier zahlt das Sozialamt die tatsächlichen Kosten, wenn sie angemessen sind. In bestimmten Fällen haben Sie zudem Anspruch auf einen sogenannten Mehrbedarf, etwa wenn Sie schwerbehindert sind.
4. Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen?
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Grundsicherung im Alter sind:
- Sie haben die Regelaltersgrenze erreicht. Die steigt für jeden Jahrgang bis zum Jahr 2031 stetig auf 67 Jahre an Tabelle Regelaltersgrenze (nach dem Klick auf den Link bitte etwas herunterscrollen zur Tabelle).
- Ihr Einkommen und Vermögen reichen nicht aus, um Ihren notwendigen Bedarf etwa für Lebensmittel, Kleidung, Heizung und Miete selbst zu decken.
- Das Einkommen und Vermögen Ihres Partners ist nicht so hoch, dass er damit auch noch Ihren Lebensunterhalt bestreiten könnte. Wenn Sie mit einem Partner zusammenleben, bilden Sie eine Bedarfsgemeinschaft – auch wenn Sie nicht verheiratet oder verpartnert sind.
5. Welches Einkommen wird auf die Grundsicherung angerechnet?
Das Sozialamt rechnet fast alle Einkommensarten auf die Grundsicherung an: Miet- und Pachteinnahmen, Einkünfte aus Kapitalvermögen wie Zinsen, Unterhaltszahlungen eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartners. Nur bei Renten bleibt seit 2018 mindestens ein Betrag von 100 Euro monatlich anrechnungsfrei. Die Regelung gilt für alle Formen der zusätzlichen Altersvorsorge: private Renten, Riester- und Rürup-Renten oder freiwillige Beitragszahlungen an die gesetzliche Rentenkasse.
Übersteigt Ihre Riester-Rente diese 100 Euro, werden zusätzlich 30 Prozent des darüberliegenden Betrages nicht zum Einkommen gezählt. Bei einer Riester-Rente von 200 Euro im Monat blieben also 130 Euro anrechnungsfrei. Wichtig: Der Gesamtfreibetrag darf höchstens 50 Prozent des Eckregelsatzes von derzeit 449 Euro im Jahr betragen. Das sind 224,50 Euro im Jahr 2022.
Auch berücksichtigt das Sozialamt nicht Ihr volles Bruttoeinkommen. Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung zieht es ab. Auch private Haftpflicht−, Hausrat− und bestimmte Sterbegeldversicherungen können angerechnet werden.
6. Wird die neue Grundrente auf die Grundsicherung angerechnet?
Die Grundrente wird nicht voll angerechnet. Auch hier gibt es einen Freibetrag, der je nach Einkommen individuell berechnet wird (siehe Frage 5).
7. Muss ich erst mein gesamtes Vermögen aufbrauchen, bevor der Staat Grundsicherung zahlt?
Fast alles. Behalten können Sie ein angemessenes Haus mit Grundstück (siehe Frage 11), wenn Sie selbst dort alleine oder mit Angehörigen wohnen. Auch das sogenannte Schonvermögen lässt Ihnen der Staat. Seit April 2017 beträgt es 5 000 Euro.
8. Was zählt alles zu meinem Vermögen?
Im Sozialrecht gehört neben Bargeld fast alles andere zum Vermögen, was Sie theoretisch irgendwie zu Geld machen könnten: Bankguthaben, Wertpapiere, Bausparverträge, Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen, Schenkungen, Erbansprüche, Haus− und Immobilienbesitz, aber auch Erbbau− und Nießbrauchsrechte sowie Gemälde, Schmuck und Ihr Auto.
Das Sozialamt prüft, ob und welche Ihrer Vermögensgegenstände überhaupt verwertbar sind und dann, ob es nicht zum Schonvermögen (siehe Frage 7) gehört. Geprüft wird auch, ob der der Verkauf eine besondere Härte für Sie darstellen würde. Das kann etwa bei einem Familien- und Erbstück der Fall sein. Auch Gegenstände zur Befriedigung geistiger, wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse, etwa Musikinstrumente, können Sie unter Umständen behalten. Ein Auto kann zum Schonvermögen gehören, wenn der Verkaufswert unter dem Freibetrag liegt.
9. Holt sich das Sozialamt später das Geld von meinen Kindern zurück?
Nein. Bei der Grundsicherung im Alter verzichten die Behörden auf den sogenannten Unterhaltsrückgriff auf die Kinder. Auch Erben müssen keine Kosten erstatten. Ist das Einkommen eines Ihrer Kinder allerdings sehr hoch (mindestens 100 000 Euro jährlich), entfällt der Grundsicherungsanspruch für Sie. In diesem Fall haben Sie aber Anspruch auf eine andere Sozialleistung: Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese können sich die Sozialämter allerdings von Ihren Kindern wieder zurückerstatten lassen. Aber auch hier gibt es recht hohe Freigrenzen.
10. Kann ich in meiner Mietwohnung bleiben?
Ja, solange Kosten für Unterkunft und Heizung dem Sozialamt angemessen erscheinen. Die können in München natürlich völlig anders ausfallen als in Bremerhaven. Die Jobcenter geben Auskunft. Auch darf die Wohnung nicht viel zu groß sein. Als Richtschnur für eine angemessene Größe der Wohnung gilt:
- 45 bis 50 Quadratmeter für eine Person
- 60 Quadratmeter oder zwei Zimmer für zwei Personen
- 75 Quadratmeter oder drei Zimmer für drei Personen
- 85 bis 90 Quadratmeter oder vier Zimmer für vier Personen.
Erachtet das Sozialamt Ihre Wohnung als unangemessen, könnten Sie aufgefordert werden, sich eine andere Bleibe zu suchen oder Ihre Zahlungen könnten gekürzt werden. Allerdings muss der Umzug für Sie zumutbar sein. Hier müssen Aspekte wie soziale Bindungen oder Infrastruktur berücksichtigt werden.
11. Muss ich mein Wohneigentum verkaufen?
Nein, solange es in den Augen der Behörden angemessen ist und Sie es selbst bewohnen. Häuser dürfen in der Regel bis 130 Quadratmeter groß sein, Wohnungen bis 120 Quadratmeter.
12. Wie wehre ich mich gegen Entscheidungen des Sozialamts?
Sie können bis zu einem Monat nach Erhalt Ihres Bescheids Widerspruch bei der Behörde einlegen. Diese entscheidet dann erneut und schickt Ihnen einen Widerspruchsbescheid. Hier haben Sie dann wieder einen Monat Zeit, um vor dem Sozialgericht dagegen zu klagen. Verfahrensgebühren fallen dafür nicht an.
Kommentarliste
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@Hajub: Bei der Grundsicherung erfolgt die Anrechnung von Vermögen auf sehr komplexe Weise, da viele Ausnahmen definiert werden. Fragen Sie am besten direkt beim zuständigen Sozialamt nach.
Kann man Geschwister finanziell bei der Grundsicherung z.B. mit 500 € monatlich unterstützen ohne das dies zur Verringerung der Grundsicherung um den gleichen Betrag führt wenn man das der Stelle, die die Grundsicherung berechnet und zahlt, meldet bzw. sogar melden muss? Sonst wäre es doch ein Null-Summen-Spiel.
Mir hat es geholfen, dass ich mich als Freiberufler nie auf dem Rücken unseres Staates ausruhen konnte. Als Jugendlicher bekam ich Sozialhilfe und später als Student BaföG welches als Kredit gewährt wurde. Nach 10 Jahren im Beruf wurde ich krank und musste ich mich trotz Krankheit morgens aus dem Bett quälen, obwohl ich viel lieber liegen geblieben wäre. Ich musste mir was einfallen lassen. Es hat mehr als 5 Jahre gedauert, mein Leben in den Griff zu bekommen. Heute habe ich viel Unerledigtes erledigt, den Alkoholkonsum auf ein Minimum reduziert, meine Ernährung umgestellt und ich bewege mich regelmäßig. Mit einem wunschlos-glücklich Paket von Vater Staat würde ich nicht dort stehen wo ich heute bin. Das Geld vom Staat löst langfristig kein einziges unserer Probleme. Es macht oft vieles schlimmer. Wir haben unser leben selber in der Hand und das ist gut so.
Mir kommt es so vor, als würde so gut wie Jeder und Alles Alimentiert werden. Die Geldmittel scheinen bei den meisten Menschen kaum noch zum Leben zu reichen. Immer wieder sehe ich Rentner, die Flaschen sammeln müssen - um den Lebensunterhalt sichern zu können.. Mich stimmt das traurig. Meine Oma muss auch für alle möglichen Dinge einen Antrag stellen, damit sie ihren Unterhalt sichern kann. Ich fülle diese für Sie aus - doch ich frage mich, wie ergeht es den Menschen, die keine Angehörigen haben, die beim Ausfüllen der Anträge helfen?
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