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Wer mit dem neuen Textilsiegel werben will, muss unter anderem nachweisen, dass die von ihm produzierte Kleidung unter fairen Arbeitsbedingungen entstanden ist. Das Foto entstand 2018 in einer Textilfabrik in Bangladesch. © picture alliance / Nick Kaiser
Ein neues, von der Bundesregierung initiiertes Textilsiegel soll es Verbrauchern erleichtern, nachhaltige Mode zu erkennen. Vergeben wird es an Anbieter, die auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards achten – wie Mindestlohn und ausreichender Gesundheitsschutz für die Textilbeschäftigten. Zertifiziert wird dies durch externe Institute. Produkte mit dem grünen Knopf könnten schon bald erhältlich sein. Kritiker loben die Zielsetzung, fordern aber verbindlichere Vorgaben.
Der grüne Knopf soll für nachhaltige Lieferketten stehen ...
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Textilsiegel gibt es bereits einige. Mit dem grünen Knopf hat das Entwicklungshilfeministerium ein übergreifendes Label aufgelegt. © BMZ
Das neue Label wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) herausgegeben. Es berücksichtigt nicht nur den Umweltschutz, sondern auch die Arbeitsbedingungen. Bis auf Weiteres werden lediglich die Produktionsschritte Färben und Bleichen sowie Zuschneiden und Nähen erfasst. Später sollen noch die Produktionsschritte Baumwollanbau beziehungsweise Kunstfaserherstellung, Spinnen der Fäden und Weben der Stoffe sowie Vertrieb hinzukommen. Das Nachhaltigkeitssiegel soll zunächst Verbrauchern beim Textilienkauf Orientierung bieten – vom T-Shirt über Bettlaken bis zu Rucksäcken. Langfristig sollen sich damit aber auch die Lieferketten anderer Produktarten erfassen lassen.
... und ergänzt bestehende Textillabel
Der grüne Knopf ist eine Art „Übersiegel“. Erfüllt eine Modemarke bereits die Kriterien bestehender nachhaltiger Siegel im Textilbereich, kann sie sich auch um den grünen Knopf bewerben. Das gilt für folgende acht bestehende Siegel:
- Global Organic Textile Standard GOTS
- Faitrade Textile Production
- IVN Naturtextil
- Oeko-Tex-Standard „Made in Green“
- Fair Wear Foundation
- Certified Cradle to Cradle
- Bluedesign Product
- Standard SA 8000 der Organisation SAI.
Textilfirmen müssen Einhaltung von Standards nachweisen
Die genannten Label stehen schon jetzt für die Einhaltung bestimmter Kriterien, zum Beispiel der Verwendung von Biobaumwolle sowie der Einhaltung von Mindeststandards bei Arbeitsbedingungen, Löhnen und Umweltschutz in den Fabriken. Sie werden genauer dargestellt auf der vom Entwicklungshilfeministerium betriebenen Website Siegelklarheit.de. Außerdem prüfen die Institute des grünen Knopfs selbst auch die Modemarken und ihre Firmen. Diese Prüfung geht über die der meisten bestehenden Siegel hinaus. Bisher wurden meist nur die Endprodukte und gegebenenfalls deren Herkunft zertifiziert. Anbieter müssen anhand von 20 Kriterien nachweisen können, dass sie Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Zum ersten Mal hat ein Bundesministerium in diesem Bereich eine eigene Zertifizierung aufgebaut.
Von Aldi über Tchibo bis Vaude
27 Unternehmen machen zum Anfang mit, darunter Start-Ups, Mittelständler wie hessnatur, Trigema und Vaude sowie Handelskonzerne wie Aldi, Rewe, Tchibo und die Schwarz-Gruppe (Kaufland, Lidl). 26 weitere Unternehmen sind derzeit im Prüfprozess, unter anderem auch Hugo Boss und die Otto-Group. Bis der grüne Knopf tatsächlich in den Geschäften auftaucht, kann es bei manchen Marken allerdings noch Monate dauern. Denn entsprechende Etikette können erst gedruckt werden, wenn für die Firma ein fertig unterschriebener Lizenzvertrag vorliegt.
Das hat die Stiftung Warentest zu Textilien herausgefunden
Anfang 2019 haben wir fünf Textilsiegel geprüft, ob sie Nachweise für ihre nachhaltigen Anspruch beibringen können. Die Label sollten in den Geschäften und bei Onlineversendern häufig zu finden sein und für Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche stehen. Im Test: Global Organic Textile Standard (Gots), Cotton Made in Africa, Better Cotton Initative sowie die Unternehmenslabel C&A „Wear the change“ und H&M „Conscious“. Weltweit sind immerhin 19 Prozent der Baumwolle aus zertifiziertem nachhaltigem Anbau.
Beim aktuellen Test von Hemden prüften wir unter anderem Tragekomfort und Haltbarkeit. Im zugehörigen CSR-Test (Corporate Social Responsibility, gesellschaftliche Unternehmensverantwortung) untersuchten wir, unter welchen Bedingungen sie produziert wurden und wie ihre Anbieter sich für die Umwelt engagieren.
Grüner Knopf: 26 Kriterien sind auf Produktebene relevant ...
Bei den Produkten selbst baut der Grüne Knopf auf den bisher acht bereits anerkannten Siegeln auf. 26 Kriterien müssen hier erfüllt werden. Im Umweltbereich sind zum Beispiel gefährliche Chemikalien verboten, die Abwassergrenzwerte müssen eingehalten werden, die Fasern auf Schadstoffe geprüft sein. Soziale Kriterien umfassen etwa den Arbeits- und Brandschutz, das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, bezahlte Überstunden oder das Recht auf kollektive Verhandlungen im Betrieb, etwa über eine Gewerkschaft. (Detaillierte Kriterien des Grünen Knopfs)
... aber die Unternehmen müssen 20 weitere Kriterien erfüllen
Neben den Kleidungsstücken müssen sich auch die herstellenden Firmen einer Prüfung für den Grünen Knopf unterziehen. Die 20 Kriterien beruhen auf den Leitprinzipien der Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sowie Empfehlungen der OECD für den Textilsektor. Sie erfassen die gesamte Produktion der jeweiligen Firma. Diese muss unter anderem Risiken der Lieferkette analysieren, Maßnahmen ergreifen, öffentlich berichten und ein Beschwerdemanagement in den Betrieben einrichten.
Kritiker erwarten mehr ...
Die „Kampagne für Saubere Kleidung“, die sich nach eigenen Angaben für die Rechte der Beschäftigen in der Lieferkette der Textilindustrie einsetzt, sieht noch „erhebliche Schwächen“ beim Grünen Knopf. Etwa sei „unklar, wie die Kriterien und die Nachweisführung in der Praxis umgesetzt werden“. Außerdem hält die Kampagne für Saubere Kleidung die freiwillige Produktzertifizierung durch privatwirtschaftliche Institute nicht für den richtigen Ansatz. Die Kampagne fordert ein Lieferkettengesetz, das Herstellern die Einhaltung von bestimmten Kriterien in der Produktion vorschreibt.
... und viele Verbraucher auch
Auch die Verbraucher hätten gerne mehr: Laut einer repräsentativen Umfrage von Hopp Marktforschung im Auftrag des vzbv erwarten 74 Prozent der Befragten, dass die gesamte textile Wertschöpfungskette vom Baumwollfeld bis zum Bügel durch das Siegel abgedeckt wird. Und 84 Prozent erwarten demnach, dass existenzsichernde Löhne gezahlt werden.
Mindestlohn aber nicht existenzsichernde Löhne
Der Grüne Knopf schreibt als Untergrenze für die Bezahlung den Mindestlohn vor. Das wäre oft mehr, als jetzt vor Ort bezahlt wird. Existenzsichernde Löhne, also solche, von denen ein Mensch oder eine Familie leben kann, sind in den meisten Ländern aber noch weit höher. Solche existenzsichernde Löhne sind bei den Stoffherstellern diverser Länder sehr umstritten und sollen erst in einigen Jahren für das Siegel Pflicht werden. Irgendwann nach Abschluss der Pilotphase im Jahr 2021.
Verbraucherzentrale Bundesverband sieht „Potenzial“
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erkennt durchaus Potenzial im Grünen Knopf „mehr Licht in den Siegeldschungel zu bringen“, so eine aktuelle Erklärung. „In der Kombination der Unternehmenskriterien zum Umgang mit Menschenrechten und der Nutzung ausgewählter Textilsiegel sieht der vzbv einen echten Mehrwert des ‚Grünen Knopfes‘ für Verbraucher“, sagt Kathrin Krause, Referentin für nachhaltigen Konsum beim vzbv. Der vzbv sieht aber ebenso weiteren Bedarf an gesetzlichen Regelungen, neben einem Lieferkettengesetz etwa beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, damit nicht jeder ungestraft mit unzertifizierten Logos und angeblichen „grünen“ Kriterien werben könne, ohne dass auch tatsächlich in der Produktion etwas dahinter stehe.
Die erste deutsche Gewährleistungsmarke
Der Grüne Knopf ist die erste sogenannte Gewährleistungsmarke in Deutschland. Sie beruht auf einem seit Januar gültigen Gesetz. Solche Marken sollen für Verbraucher bestimmte Eigenschaften der Waren sicherstellen. Und zwar nicht nur für einen Hersteller, sondern auch für eine ganze Reihe von Firmen, die die Kriterien der Qualitätsmarke nutzen wollen. Diese Marken werden überwacht vom Deutschen Patent- und Markenamt. Das Siegel erfüllt laut Entwicklungshilfeministerium auch EU-Regeln, kann also prinzipiell auch von anderen Ländern genutzt werden.
Bürokratische Hürden für die Zertifizierung
Die Einführung des Siegels musste verschoben werden, weil es allerhand rechtliche Hürden zu überwinden galt. Das BMZ baute ein eigenes Referat für die Sache auf; wasserdichte und EU-konforme Regelungen mussten gefunden werden. Ein weiterer Engpass bestand am Schluss nicht mehr in den Kriterien, sondern in der Überprüfung derselben: Es kann nicht jeder prüfen, die Prüfinstitute müssen wieder von einem anderen Amt zugelassen werden, der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS). So waren Anfang August erst vier Prüfinstitute für das komplexe Zertifizierungsverfahren zugelassen.
Warten auf die Prüfung
Einige auch marktbedeutende Unternehmen beschwerten sich, dass sie auf Grund mangelnder Prüfkapazitäten zur Einführung des Grünen Knopfes nicht mit von der Partie sein können. Das spiegelt einen Umschwung in der Branche: In der Anfangszeit des Grünen Knopfes war es eher das Problem, dass nur wenige, meist kleinere Unternehmen des Textilsektors mitmachen wollten. Und diese waren meist bereits Branchenvorbilder in Sachen Nachhaltigkeit.
Die Vorgeschichte des Grünen Knopfs
Schwere Unglücke. Treibende Kraft für den Grünen Knopf ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, kurz BMZ. Auslöser waren unter anderem zwei Fabrikunglücke in Pakistan 2012 und Bangladesch 2013, bei denen zusammen etwa 1 400 Menschen ums Leben kamen. Oft sind niedrigste Löhne, lange Arbeitstage, fehlender Brandschutz in Fabriken oder ein ungeschützter Umgang mit giftigen Chemikalien Probleme der Branche.
Startschuss 2014. Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller hatte 2014 deshalb das Textilbündnis initiiert. Dort sollen freiwillig Textilerzeuger und -verkäufer beitreten und zusammen mit Nichtregierungsorganisationen an Reformen in den Erzeugungs- und Verarbeitungsländern mitwirken. Veränderung dauert. Die Zahl der Firmen im Textilbündnis stagniert jedoch seit längerem und Veränderungen in den Erzeugerländern von Kleidung und anderen Textilien kommen nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen nur sehr langsam voran. Auch gesetzliche Regelungen wie ein Lieferkettengesetz sind noch nicht in Sicht. Der Grüne Knopf soll jetzt für einen Ausweg sorgen.
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