Geld­anlage mit ETF Viel zu wissen hilft nicht unbe­dingt viel

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Geld­anlage mit ETF - Viel zu wissen hilft nicht unbe­dingt viel

In welche Richtung gehen die Kurse? Anle­gerinnen und Anleger, die sich gerne und viel mit Wirt­schafts- und Börsen­nach­richten beschäftigen, legen trotz ihres umfang­reichen Wissens nicht unbe­dingt besser an als andere. © Getty Images / Jorg Greuel

Wer sich an der Börse auskennt, will das beim Geld­anlegen gern umsetzen – in der Hoff­nung auf höhere Renditen. Wissen ist zwar nützlich, doch gute Streuung ist am besten.

„Wie lege ich mein Geld am besten an?“ Auf dem Weg zur Antwort auf diese Frage kann man sich leicht verlaufen, die falschen Leute nach dem Weg fragen oder die falschen Schlüsse aus den eigenen Beob­achtungen ziehen.

In einer Rubrik zum Thema Miss­verständ­nisse bei der Geld­anlage wollen wir in loser Folge auf solche Miss­verständ­nisse eingehen. Hier Teil 3: Viel zu wissen hilft nicht unbe­dingt viel. Teil 2 war: Anlegen auf Sicht kostet Rendite. Teil 1 war: MSCI World ETF – nur was für Einsteiger?

Wenn viel Wissen nicht viel hilft

Zeitungen, Finanz­newsletter und Magazine, Finfluencer und Podcaster: Die Medien sind voll mit Analysen von Geschäfts­modellen, Absatz­märkten, Dividendenschät­zungen, Gewinn­rechnungen, Cash Flows, Umsatz­prognosen, ausgefeilten Kenn­zahlen und nicht zuletzt Meinungen von Aktien­analysten mit den neuesten Aktientipps.

Folgende Schlagzeilen kommen Ihnen vielleicht bekannt vor: „Die 6 Aktien, die Sie 2024 brauchen“, „Starmanager nennt seine aktuellen Favoriten“, „5 Aktien, die vom neuen Trend besonders profitieren werden“.

Einige Leser denken sich dann: „Wenn ich da wirk­lich tief eintauche, dann weiß ich mehr als der Durch­schnitt und kann meine Geld­anlage selbst in die Hand nehmen – und zwar erfolg­reich!“. Andere sind eher abge­schreckt: „Uh, das ist mir zu viel, zu kompliziert, zu zeitraubend. Ich will mich damit nicht beschäftigen. Ich über­lasse die Geld­anlage lieber Fonds­managern, die sich damit auskennen und die sich Unternehmen und Wirt­schafts­zahlen jeden Tag und in Echt­zeit anschauen.“

Doch ganz so einfach ist es nicht. Fonds­manager sind zwar Fachleute und können Laien die Zusammen­stellung eines Aktienkorbes abnehmen, aber besser als der Markt sind sie meist nicht. Mit Markt ist zum Beispiel ein Index wie der MSCI World gemeint, den man in Form eines ETF kaufen kann. Tief einzutauchen hilft auch nicht unbe­dingt. Im Gegen­teil: Auch Leute, die Geld­anlage als Hobby betreiben und viel Zeit rein­stecken, schaffen es nur selten, den Markt zu schlagen – und lang­fristig wird es noch unwahr­scheinlicher. Das zeigen Studien von Anlegerdepots. Ein Grund dafür ist auch, dass Handels­kosten die Rendite schmälern.

Die Kontroll-Illusion

Die Psycho­logie beschreibt einen weiteren Effekt, der mit viel Wissen einhergeht: den der Kontroll-Illusion. Anleger mit vielen Detailkennt­nissen glauben leichter, durch ihr Wissen Entwick­lungen kontrollieren zu können – oder bei Finanzmärkten: voraus­sagen zu können. Doch das ist ein Irrtum.

Wohl­gemerkt: Wissen ist natürlich hilf­reich, wenn es um die Geld­anlage geht. Was ist ein Fonds, welche Wert­papiere gibt es, wie muss meine Geld­anlage aufgestellt sein, welche Risiken gehen mit welcher Anlage einher – solche Grund­kennt­nisse erleichtern das Finanzleben ungemein. Uns geht es hier jedoch um Detailwissen über Unternehmen, zur Aktien­analyse, verschiedenen Kenn­zahlen und Märkten.

Das Problem, Informationen in Mehr­gewinn umzu­münzen

In den 1950er Jahren führte Harry Markowitz die Moderne Portfolio­theorie ein, welche auch heute noch den Rahmen für die moderne Kapitalmarkt­forschung darstellt. Mithilfe seiner Annahmen konnten ziemlich einfache Schluss­folgerungen für eine sinn­volle Geld­anlage entwickelt werden. Eine dieser Annahmen war, dass es im Finanzmarkt keine exklusiven Informationen gibt und sich alle Markt­teilnehmer die gleichen Informationen teilen. Oder anders ausgedrückt: Es gibt keine Markt­teilnehmer mit Insider­informationen. Das stimmt natürlich nicht in der Praxis, aber da das Handeln aufgrund von Insider­informationen in den meisten Ländern strafbar ist, kann die Annahme in der Tat als halb­wegs gültig betrachtet werden.
Wenn sich ein Aktien­preis aufgrund aller öffent­lichen Informationen im Tauziehen von Angebot und Nach­frage bildet, dann nennt man das auch einen „Markt­preis“ – das ist der Preis, den der Markt im Schnitt bereit ist, für die Aktie zu zahlen.

Wer Teil 1 MSCI World ETF – nur was für Einsteiger? gelesen hat, wird sich erinnern: Sogar professionelle Fonds­manager tun sich schwer damit, nicht nur auf Informationen zu reagieren, also quasi hinterherzu­laufen, sondern sie besser als der Markt zu antizipieren. Kein Wunder: Das entspricht ja dem Blick in die Glaskugel. Wenn sogar Profis oft daran scheitern, Informationen in einen Mehr­gewinn umzu­münzen, dann stellt sich für private Investoren erst recht die Frage: Wozu das ganze Analysieren, Daten­sammeln und Wälzen von Geschäfts­berichten?

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Ein solider Kern und dazu individuelle Beimischungen

Natürlich bleibt es Anlegern mit Spaß an der Börse unbe­nommen, sich trotzdem mit Einzel­aktien und Trends zu beschäftigen und hier und da anzu­legen. Die Autoren dieser Zeilen können das sogar gut nach­voll­ziehen. Da man zwecks guter und wichtiger Streuung jedoch häufig mehr Aktien kaufen müsste, als man sich leisten kann, empfiehlt es sich, einen Kern­baustein mit einem breit streuenden Welt-ETF zu nutzen und nur mit 30 Prozent der gesamten Aktien­anlage seinem Spiel­trieb zu folgen. Hier kann man dann Einzel­aktien kaufen sowie in Themen- oder Branchenfonds investieren. Man sollte aber immer bedenken: Auch wer neueste Zahlen und Trends beim Anlegen berück­sichtigt, nutzt trotzdem nur Informationen, die längst im Markt, sprich einge­preist, sind.

Wen Börse nicht interes­siert, der kann getrost darauf verzichten. Für ihn reicht ein ETF auf den MSCI World Index. Auch das ist eine Lehre aus der Kapitalmarkt- und Portfolio­theorie: Man sollte streuen und anlegen wie der „breite Markt“ – weshalb ein welt­weit anlegender Indexfonds die erste Anlauf­stelle ist.

Fazit: Wissen hilft – ständiges am Ball bleiben nicht unbe­dingt

Für private Anle­gerinnen und Anleger ergibt sich eine klare Erkennt­nis: Sie benötigen für erfolg­reiche Investitionen im Aktienmarkt kein Detailwissen zu einzelnen Firmen und Märkten! Vieles, was dazu tag­ein tagaus publiziert wird, ist nichts als Rauschen in der Welt der Informationen. Klingt gewagt? Analysen und Unter­suchungen der letzten Jahre haben es immer wieder gezeigt.

Das heißt natürlich nicht, dass jegliches Finanz­wissen über­flüssig ist. Im Gegen­teil: Über ein gewisses Grund­wissen zu verfügen, ist essenziell für eine gute Geld­anlage. Aber es sind nicht die Tages­meldungen, die einem weiterhelfen.

Tipp: Wenn Sie sich für die Geld­anlage mit ETF interes­sieren und nicht wissen, wie Sie dabei vorgehen sollen, hilft Ihnen unser ETF Spezial.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild test_de-Projektleiter_Stoffel am 28.01.2024 um 22:14 Uhr
    Faktoren

    @Tom422: Wir sind etwas zurückhaltender, was die Bewertung von Faktoren anbelangt. Begriffe wie "Beweis" passen nicht zu den Kapitalmärkten. Man sollte Faktoren nicht für
    "Naturgesetze" der Kapitalmärkte halten. Dazu sind die Untersuchungsergebnisse zu Faktoren viel zu uneinheitlich. Die funktionieren nicht zu jeder Zeit und nicht in jedem Land und strukturelle Veränderungen der Kapitalmärkte können nicht ausgeschlossen werden. Zu Faktoren finden Leser hier mehr:
    www.test.de/Faktor-ETF-6-Anlagestrategien-die-Sie-kennen-sollten-5880721-0

    Zum Gerd Kommer ETF hier:
    www.test.de/LG-Gerd-Kommer-Multifactor-Equity-ETF-Breite-Streuung-und-etwas-Weihrauch-6029520-0

  • Profilbild test_de-Projektleiter_Stoffel am 28.01.2024 um 21:59 Uhr
    Diversifizierung

    yalgoo: Mit dem Satz "Eine stärkere Diversifizierung kostet im Zweifel Rendite." meinen Sie das Richtige, aber vielleicht darf ich präzisieren. Hohe Renditechancen gehen mit hohem Risiko einher. Das Risiko lässt sich durch Diversifizierung senken. Wichtig: Während durch Diversifizierung die Portfolio-Rendite dem (gewichteten) Mittel der einzelnen Portfoliobestandteile entspricht, ist das Risiko des Portfolios niedriger als das Mittel des Risikos aller Bestandteile! Kurz: Durch Diversifizierung senkt man das Risiko mehr als die Rendite! Deshalb ist Diversifizierung so wichtig für eine gute Geldanlage. Wegbereiter für diese Erkenntnis war Markowitz, der Vater der modernen Portfolio- und Kapitalmarkttheorie.

  • 3PCD am 27.01.2024 um 14:23 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.

  • Tom422 am 27.01.2024 um 11:53 Uhr
    Antwort auf yalgoo

    Es gibt mittlerweile deutlich bessere Welt-ETF als den MSCI World. Den Gerd Kommer ETF (WKN: WELT0A oder WELT0B) zum Beispiel. Dieser ist mit einer TER von 0,5% p.a. etwas teurer als ein ETF auf den MSCI World, löst jedoch viele Probleme von rein marktkapitalisierenden ETFs: Weniger Klumpenrisiko (heute: US+Tech), Small-Caps, Emerging-Markets, zahlreiche wissenschaftlich nachgewiesene Faktor-Prämien, keine IPOs usw. Kurzfristig kann der MSCI World diesen ETF outperformen. Langfristig ist eine Outperformance sehr unwahrscheinlich. Mindestens hat man mit dem ETF eine ähnliche Performance, jedoch ein niedrigeres black-swan-risk durch eine breitere Streuung. Man darf sich von dem Erfolg der USA in den letzten Jahren nicht täuschen lassen. Das ist hindsight bias und war schon immer gefährlich.

  • weissh am 26.01.2024 um 23:47 Uhr
    Antwort auf yalgoo

    Es gibt nur eine Bank in Deutschland, die sich nur von den Kunden bezahlen lässt und Kickbacks der Anbieter an den Kunden ausschüttet. Diese Bank stellt gemäß des Risikoprofils des Kunden genau solche "passiven" Depots zusammen. Diese Depots sind breiter gestreut als nur MSCI World oder MSCI All Country World. Ich bin selbst seit über 10 Jahren Kunde und zufrieden mit dem Ergebnis. Einfach mal nach Quirin oder Quirion suchen.