EuGH-Urteil Telefónica lenkt im Roaming-Streit ein

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EuGH-Urteil - Telefónica lenkt im Roaming-Streit ein

Vor dem Abflug aus dem Urlaubs­ort noch mal bei den Lieben zu Hause anrufen – das kostet seit 2017 weniger. Für die Nutzung ausländischer Funk­netze inner­halb der EU darf der Mobil­funkanbieter seitdem keine Zusatz­gebühren mehr verlangen. © Getty Images / Buena Vista Images

Der Mobil­funkanbieter Telefónica (O2) hätte seine Kunden 2017 auto­matisch von den Roaming­gebühren inner­halb der EU frei­stellen müssen. In einem Urteil vom September 2020 bestätigte der Europäische Gerichts­hof (EuGH) die Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Jetzt haben sich der vzbv und Telefónica auf eine Tarif­umstellung und die Erstattungs­möglich­keiten von Roaming-Entgelten geeinigt.

Keine Roaming­gebühren inner­halb der EU

Mobil­funkanbieter waren laut EU-Roamingverordnung Mitte 2017 verpflichtet, ihren Kunden von sich aus die Zusatz­entgelte für die Nutzung ausländischer Netze inner­halb der EU zu erlassen. Sie durften diese Pflicht nicht auf ihre Kunden abwälzen. Das hat der Europäische Gerichts­hof (EuGH) gegen den Anbieter Telefónica entschieden (Az. C-539/19). Als Roaming bezeichnet man die Möglich­keit, mit dem Mobiltelefon in einem anderen Funk­netz als dem des eigenen Anbieters zu telefonieren – vor allem bei Auslands­auf­enthalten wichtig.

„Roam like at home“

Jahre­lang wurden für die Nutzung ausländischer Mobil­funk­netze Roaminggebühren erhoben. Seit 2007 waren sie inner­halb der EU sowie für Telefonate in Island, Liechten­stein und Norwegen zunächst begrenzt und später schritt­weise gesenkt worden. Zum Stichtag 15. Juni 2017 wurden die Gebühren schließ­lich abge­schafft. Kunden sollten ab diesem Zeit­punkt mit Smartphone oder Handy zu denselben Konditionen „wie zu Hause“ telefonieren und ihr Daten­volumen nutzen können. Doch nicht alle Nutzer kamen in den Genuss der „Roam like at home“-Regelung.

O2-Kunden sollten selbst handeln

Telefónica hatte dies seiner­zeit nicht für alle Kunden umge­setzt. Statt dessen hatte der Anbieter im Internet darüber informiert, dass er Nutzern „alternativer“ – das heißt: nicht von der EU-Regulierung erfasster – Tarife die Roaming-Entgelte künftig nur dann erlassen würde, wenn sie aktiv per SMS den Wechsel in einen regulierten Tarif beantragen. Kunden, die das nicht taten, sahen sich in der Folge mit Mehr­kosten konfrontiert.

EuGH: Gebühren hätten auto­matisch wegfallen müssen

Nach Aussage von Telefónica waren 2017 rund 90 Prozent aller Kunden auto­matisch umge­stellt worden. Zu diesem Zeit­punkt hatte Telefónica nach eigenen Angaben 45,2 Millionen Kunden­verträge. Demnach hätten sich damals immer noch mehrere Millionen Kunden aktiv um einen Wechsel in einen regulierten EU-Roaming­tarif bemühen müssen. Dies sei laut Telefónica jeder­zeit kostenlos inner­halb eines Tages möglich gewesen. Laut EuGH wäre die Abschaffung der Gebühren jedoch „auto­matisch auf alle Kunden anzu­wenden“ gewesen – unabhängig vom Tarif.

Umstellung auf regulierten Tarif

Nach monate­langen Verhand­lungen mit dem vzbv wird Telefónica die noch erforderlichen Umstel­lungen in den regulierten Roaming-Tarif nach­holen. Kunden bleibt jedoch die Möglich­keit der Umstellung zu wider­sprechen – beispiels­weise wenn ein alternativer Roaming-Tarif für sie güns­tiger ist.

Erstattungs­möglich­keiten für Kunden

In bestimmten Fällen haben Kunden ein Anrecht, dass ihnen Roaming-Entgelte erstatten werden. Das ist etwa möglich, wenn Posten wie „Verbindungen inner­halb der EU“ oder „Roaming Day Packs“ mit Kosten von beispiels­weise 1,99 Euro pro Tag in Rechnung gestellt wurden. Verbraucher können die Erstattung verlangen, wenn die folgenden Voraus­setzungen vorliegen:

  • Der Mobil­funk­vertrag zwischen Kunden oder Kundin und Telefónica wurde bereits vor dem 15. Juni 2017 abge­schlossen.
  • Telefónica hat nach dem 15. Juni 2017 inner­halb der Europäischen Union oder den Ländern Liechten­stein, Norwegen und Island Roaming-Entgelte in Rechnung gestellt, die bei einer Nutzung in Deutsch­land nicht angefallen wären.
  • Die Höhe der zu viel gezahlten Roaming-Gebühren können Kunden anhand von Belegen wie Rechnungen oder Einzel­verbindungs­nach­weisen beweisen.

Telefónica hat dazu einen Link auf ihr Kundenportal einge­richtet, über den die Kunden ihre Ansprüche geltend machen können.

Diese Meldung ist im September 2020 erschienen und wurde am 3. Februar 2021 aktualisiert. Zuvor gepostete Nutzer­kommentare beziehen sich auf die frühere Fassung.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 27.10.2020 um 15:39 Uhr
    O2 ändert nichts

    @informiert: Fordern Sie die Roaming-Gebühren (schriftlich) unter Fristsetzung (zum Beispiel 3 Wochen) und mit Hinweis auf die Rechtsprechung zurück. Sie können Ihren Anspruch laienhaft formulieren. Es bedarf hierzu keiner Einhaltung formeller Voraussetzungen. Nach dem erfolglosen Ablauf der Frist, können Sie das Schlichtungsverfahren bei der Bundesnetzagentur anrufen (nachdem Sie sich noch einmal bei Anbieter noch einmal erfolglos beschwert hatten): www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Verbraucher/Verbraucherschlichtung/Zustaendigkeit/zustaendigkeit-node.html
    Zuweilen hilft es auch, über die sozialen Medien mit dem Anbieter Kontakt aufzunehmen, über die Facebook-Seite zum Beispiel. (maa)

  • informiert am 23.10.2020 um 15:16 Uhr
    O2 ändert nichts

    Sehr geehrte Redaktion,
    auch ich gehöre zu den O2 KundeInnen, die damals nicht aktiv wurden. Nach diesem Urteil von September 2020 habe ich bis Mitte Oktober 2020 gewartet, wie O2 von sich aus auf mich zukommt. Es passiert nichts. Können Sie einen Musterbrief für uns entwerfen, oder was schlagen Sie als weiteres Vorgehen für Betroffene vor?
    Viele Dank, informiert