Deutsche Edel­fisch Wie Anleger geködert werden

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Deutsche Edel­fisch - Wie Anleger geködert werden

Edel­fisch Zander. Schmack­haft, aber als Investitions­objekt mit Vorsicht zu genießen. © Adobe Stock / K.-U. Häßler

Die Deutsche Edel­fisch will mit Anleihen die größte Aquakultur-Kreis­lauf­anlage für Zander in Europa bauen. Die Firma geht dabei mit dubiosen Methoden vor.

Youtube-Video von der Baustelle

Ein lächelnder Mann begrüßt die Zuschauer. „Sie wollen natürlich wissen, wie weit die Bauarbeiten sind. Dann gucken wir doch einfach mal.“ Von oben filmt eine Drohne. Der Mann wirkt nun winzig – und die Baustelle umso größer. Es passiert etwas. Das soll das Video wohl vermitteln, das im November 2021 bei Youtube hoch­geladen wurde. Denn es richtet sich an Anleger. Hans Acksteiner, Geschäfts­führer der Deutsche Edel­fisch DEG GmbH & II Co KG, möchte in Meck­lenburg-Vorpommern die größte Aquakultur-Kreis­lauf­anlage für Zander Europas bauen. Dafür braucht er Geld.

700 Tonnen will er pro Jahr produzieren. Zum Vergleich: Europas größte Aquakul­tur­anlage in Dänemark produziert 400 Tonnen pro Jahr. Branchenkenner sagen, die dänische Firma Aquapri habe viele Jahre gebraucht, um die Zucht in diese Dimension zu bringen. Der Grund: Zander können nicht allzu eng gehalten werden und sind sehr empfindlich. Für die Zucht von 700 Tonnen wären mindestens 900 000 Setzlinge nötig, die wegen ihres Kannibalismus in dieser Phase an Trockenfutter angepasst sein müssen. Jähr­lich an diese riesige Menge kost­barer Setzlinge zu kommen, erscheint den befragten Experten als Kunst­stück.

Acksteiners Vorhaben ist also ambitioniert und Zweifel angebracht. Tatsäch­lich entpuppt sich die Deutsche Edel­fisch als Beispiel, wie wichtig es ist, dass Anle­gerinnen und Anleger vor einem Investment genau hinsehen. Finanztest führt die Firma bereits seit 2020 auf der Warnliste Geldanlage, nachdem sie nicht ausreichend über die Risiken eines Genussrechts aufgeklärt hatte.

Die Deutsche Edel­fisch setzt auf den Trend zu nach­haltigen Investments. Das kommt an. Jeden sechsten Euro, den deutsche Kunden 2021 in Fonds investieren, stecken sie bereits in nach­haltige Anlagen. Aquakultur sei die ökologisch saubere Antwort auf die welt­weite Über­fischung, heißt es bei der Firma. Zudem lassen sich die Tiere frei von Mikro­plastik züchten.

Berichte entpuppen sich als Werbung

Der Zander gehört mit seinen weißen, fett­armen und grätenfreien Filets zu den teuersten Edel­fischen. Die Lebens­mittel­produktion sei der Sektor mit dem stärksten Wachs­tum welt­weit, heißt es in einem Exposé. Und so klingt es vielleicht plausibel, wenn die Deutsche Edel­fisch Renditen zwischen 5,5 bis über 10 Prozent für ihre Anleihen und Anteile verspricht. Acksteiner ködert seine Anleger damit bei Facebook. Hier schaltete er noch im März Werbe­videos, in denen er mit einer Verkaufs­marge von 100 Prozent wirbt – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seine Produkte riskant und nur was für erfahrene Anleger seien.

Auf der Facebookseite seiner Firma verweist er auf vermeintliche Erfolge: „Das Handels­blatt hat über unser Aquakultur-Projekt berichtet“. Ein Link ist mit dem Titel­kopf der Zeitung zu sehen. „Droht dem Zander die Ausrottung?“, lautet die Über­schrift. Im Text heißt es: „Das Berliner Start-up Deutsche Edel­fisch baut eine besonders fort­schritt­liche und nach­haltige Zucht­anlage in Meck­lenburg-Vorpommern, um den Zander vor dem Aussterben zu retten.“

Acksteiner verlinkt auch auf Geschichten bei Focus.de und bei Stern.de. Die Medien scheinen sich für seine Firma zu interes­sieren. Artikel in bekannten Publikationen sind die beste Werbung. Doch was er Anlegenden als Berichte verkauft, erweist sich als bezahlte Werbung. So genannte Adver­torials – eine Wort­schöpfung aus “Ad” (Werbung) und “Editorial” (Leit­artikel). Diese Werbeform ist so gestaltet, dass sie Artikeln täuschend ähnelt. Finanztest befragte die betroffenen Medien. Sie betonen, Leser könnten an der Kenn­zeichnung erkennen, dass es sich um Werbung handelt. Acksteiner teilte mit, ihm ginge es um Auffind­barkeit im Netz – zudem: „Das Handels­blatt hat doch über uns geschrieben, oder?“

Angebliche Förderung existiert nicht

Ähnlich salopp verschickte er noch Ende Februar Informationen an Kunden, die nach seinen Anleihen fragten mit dem Vermerk: „Gefördert durch das Land und die EU“. In der Broschüre heißt es: “Nach Fertigstellung der Kreis­lauf­anlage werden vom Land Meck­lenburg-Vorpommern und der EU aus Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds Fördergelder in Höhe von 3 380 000 Euro ausgezahlt.“

Was sicher und seriös klingt, entpuppt sich als gewagt. Dem Ministerium liegt zwar ein Förder­antrag vor, doch bislang befinde man sich in der Prüf­phase und es fehlten noch Unterlagen, teilte das Ministerium auf Finanztest-Anfrage mit. Vielleicht fließen Gelder, doch sicher ist das keineswegs.

Auf einer seiner Internet­seiten behauptete Acksteiner schon vor einem Jahr: „Das Fördergeld liegt beim Land Meck­lenburg-Vorpommern und wird in diesem Jahr zugeteilt.” Das Ministerium dementiert. Und in einem älteren Exposé der Firma steht: “Nach der erfolg­reichen Projektierung der ersten Anlage in Nord­deutsch­land soll hier bereits das zweite Projekt entstehen.” Doch bislang ist über­haupt keine Anlage realisiert.

Groß­kunden dementieren Zusammen­arbeit

Auf die Deutsche Edel­fisch sollte man sich auch nicht verlassen, wenn es um den Verkauf der gigantischen Fisch­mengen geht. “Unser Haupt­abnehmer ist die Deutsche See, die uns zugesichert hat, hier mindestens 50 Prozent abzu­nehmen”, heißt es in dem Film, der zuletzt im März bei Facebook geschaltet wurde. “Tatsäch­lich würde die Deutsche See auch 100 Prozent über­nehmen” – doch man wolle sich nicht von einem Abnehmer abhängig machen. Einge­blendet werden dabei die 700 Tonnen, die angeblich künftig pro Jahr produziert werden.

Auf Nach­frage teilt der Markt­führer Deutsche See mit: “Wir unterhalten keine Geschäfts­beziehungen zu diesem Unternehmen und planen dies auch nicht.”

Viel Geld für Werbung

Weitere Fragen wirft der Blick in die Bilanzen auf. Bislang finanzieren die Anleger die Gesell­schaft. Gegründet wurde die Firma bereits 2017. Die Deutsche Edel­fisch weist bisher nur Verluste aus. Und was passiert mit dem Geld der Anleger? Die “Haupt­geschäfts­tätig­keit der Gesell­schaft” bestand laut Jahres­bericht 2019 darin, an weitere Geld­geber zu kommen. Aufgezählt sind Vertrieb, Provisions­zahlung sowie Werbung und recht­liche Beratung. “Die ursprüng­lich für das Jahr 2020 geplante Produktion von schlacht­reifen Fischen wird sich erst im Jahr 2021 realisieren lassen”, steht unter Risiken. Doch auch daraus wurde nichts. Und Anfang 2022 existiert lediglich eine Baustelle.

Eigentlich müsste die Bilanz für 2020 veröffent­licht sein. Acksteiner legte Finanztest zumindest die noch nicht veröffent­lichte Bilanz vor. Die großen Kosten fallen für Adress­daten potenzieller Anleger, Vertrieb, Provisionen und Beratung an: Zusammen rund 350 000 Euro. Für Grund­stücke und Bauten hingegen sind nur 32 000 Euro verbucht.

Anleger sollten sich nie auf Versprechen verlassen, die sie nicht über­prüft haben. Mit der Bafin hatte Acksteiner bereits mehr­fach Ärger. Deswegen bot er seine neuen Anleihen auch nur 149 Personen an. Damit vermied er die sonst geforderte Prospekt­pflicht. Und während er noch Ende Februar Werbebroschüren für seine Anleihen verschickte, teilte er Finanztest Anfang März plötzlich mit, “dass wir diese ab sofort nicht mehr aktiv anbieten.” Doch auch danach waren zumindest noch Werbeanzeigen bei Facebook geschaltet. Und nur einen Tag nach Acksteiners Mitteilung ließen sich zwei neue Kommanditisten ins Handels­register eintragen, die zusammen 150 000 Euro in Anteile investierten. Finanztest warnte bereits vor der Deutsche Edel­fisch – und stellt sie nun erneut auf die Warnliste.

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Kommentarliste

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  • Gelöschter Nutzer am 16.03.2022 um 21:32 Uhr
    Lächerlich

    "Anlegenden" wird also was erzählt. Nun, jeder macht sich halt lächerlich wie er kann. Die Stiftung Warentest kann da halt mehr. Und ja, das war Sarkasmus, der wohl Einzug richtigen Form auf solche Wortschöpfungen zu reagieren.