Daten­handel auf Finanzportalen Dubiose Daten­dealer im Web

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Daten­handel auf Finanzportalen - Dubiose Daten­dealer im Web

Daten im Blick. Der Handel mit den Nutzer­daten im Internet, den Leads, ist eine zwiespältige Angelegenheit. © Getty Images / Daniel R. Haug

Der Verkauf von Verbraucher­profilen ist für die Betreiber von Internet­seiten lukrativ, für Kunden ist er intrans­parent. Selbst bei bekannten Seiten ist Vorsicht geboten.

Bei Google Trends lässt sich nach­voll­ziehen, was Menschen bewegt. In der ersten Januar­woche dieses Jahres waren das Zinsen. Den Begriff tippten so viele Nutze­rinnen und Nutzer in die Such­maschine, wie nie zuvor seit Beginn der Messungen vor rund 19 Jahren. Die Gründe liegen auf der Hand: Mit der Inflation erhöhte die Europäische Zentral­bank (EZB) den Leitzins mehr­fach und seither steigen die Zinsen für Geld­anlagen höher und höher. Auf der Jagd nach den besten Konditionen googeln Sparwil­lige nach Zinsen und stoßen auf Seiten, die genau darauf optimiert wurden. Doch auch dubiose Portale nutzen diese Such­maschinen­optimierung. Deshalb warnt Finanztest regel­mäßig vor solchen Abzo­ckern und gibt Tipps, wie sie zu erkennen sind.

Der Schein kann trügen

Jenseits dieser Betrüger existieren aber weitere Zins- und Anlageportale im Internet, die ebenfalls fragwürdig erscheinen und eine genaue Beob­achtung verdienen. Diese Seiten versuchen zwar nicht, Verbrauche­rinnen und Verbraucher abzu­zocken, doch sie erwecken einen Anschein, der sich bei näherer Betrachtung als Trug­bild erweist.

Unser Rat

Spar­sam sein. Internet­seiten, die Finanz­dienst­leistungen vermeintlich kostenlos anpreisen, aber eine Anmeldung verlangen, verarbeiten Ihre Daten in der Regel zu kommerziellen Zwecken. Seien Sie auch im Hinblick auf einen möglichen Identitäts­miss­brauch spar­sam mit Ihren persönlichen Daten. Lesen Sie vor einer Anmeldung die Daten­schutz­bestimmungen und allgemeinen Geschäfts­bedingungen.

Unabhängig bleiben. Suchen Sie nach neutraler Beratung? Wenden Sie sich an Verbraucherzentralen oder an einen Honorarberater, den Sie selbst bezahlen. Die Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht (Bafin) führt ein Register mit unabhängigen Beratern.

Verbraucher selbst sind das Produkt

Finanztest schaute sich zwei dieser Portale genauer an: Geld­anlagen-kapital­anlagen.de und Finanzen.de. Sie funk­tionieren unterschiedlich, verfolgen aber denselben Zweck: Die Webseiten schaffen mit einem angeblich kostenlosen Informations­angebot rund um das Thema Geld­anlage für Nutzer den Anreiz, sich anzu­melden und persönliche Daten zu hinterlassen.

„Leads“ ist der Fach­begriff für die Daten­pakete

Doch die eigentlichen Kunden dieser Seiten sind nicht die Verbraucher, sondern etwa Versicherungs- und Anlage­vermittler. Die Nutzer sind vielmehr selbst das Produkt. Wer sich mit Namen und Adresse anmeldet, kann davon ausgehen, dass aus seinen Such­anfragen Personen­profile generiert und diese an Dritte verkauft werden. Solche Daten­pakete heißen im Fachjargon „Leads“. Das ist nicht illegal: Mit vermeintlich kostenlosen Dienst­leistungen im Netz entstanden im Silicon Valley die heute wert­vollsten Konzerne der Welt wie Facebook oder Google. Problematisch erscheinen im Leads-Handel einige Methoden und die Frage, wer die sensiblen Daten bekommt.

Geld­anlagen-kapital­anlagen.de

Die Alpha Assay GmbH & Co KG handelt schon seit 2008 mit Daten und nennt sich selbst Spezialist für Kapital­anlage-Leads. Sie steht auch im Impressum der Seite Geld­anlagen-kapital­anlagen.de. Die Besonderheit bei diesem Portal besteht darin, Interes­sierte mit Werbung zu locken, die wie eine attraktive Geld­anlage daher­kommt, aber keine ist. Stets geht es nur darum, an die Kontakt­informationen der Nutzer zu gelangen.

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Die Seite geld­anlagen-kapital­anlagen.de warb mit vermeintlichen Geld­anlagen, die aber reine Werbung sind. © Quelle: geldanlage-kapitalanlagen.de, Screenshot: 24.01.2023, Stiftung Warentest

Vermeintlich hohe Renditen

Fragwürdig erscheinen hier vor allem die sogenannten Fest­zins­anlagen. In dieser Rubrik heißt es zu einem Angebot: „(E)in Familien­unternehmen ist seit vier Generationen ein Garant für Zuver­lässig­keit und Beständig­keit. Freuen Sie sich auf 5,1 % Fest­zins bei einer Lauf­zeit ab 3 Jahren oder 6,1 % ab 5 Jahren bzw. 6,5 % bei einer Lauf­zeit von 10 Jahren, die Ihnen monatlich pünkt­lich wie ein Schweizer Uhrwerk direkt auf Ihr Giro­konto über­wiesen werden.“ Die Seite hat verschiedene solcher Angebote. Unter den Top 4 verspricht sie Zinsen bis zu 12 Prozent und „Garan­tiert nach­haltig“. Als Besonderheit aufgeführt sind zudem: „3,4 Mrd. verwaltetes Vermögen“ und die „Abwick­lung über deutsches Bank­haus“.

„Rein werb­liche Anpreisungen“

Sollten Sparwil­lige das für konkrete Angebote halten, irren sie sich. Auch auf Nach­frage nannte uns der Geschäfts­führer Bernd Zablocki keine Produkte, die so hohe Zinsen abwerfen. Er teilte mit, dass es sich gar nicht um Angebote handele, sondern „um rein werb­liche Anpreisungen ohne konkrete Vermitt­lung oder gar Beratung für ein namentlich genanntes Produkt“. Irreführend, meint Zablocki, sei dies aber nicht.

Sicherheit, die es nicht gibt

Verwirrend, dass diese Werbung, die für nichts Konkretes werben soll, in der Rubrik Fest­zins­anlagen aufgeführt ist. Dort stehen auch Tages­geld- und Fest­geld-Angebote. So könnte auch der Eindruck entstehen, Fest­zins­anlagen wären ähnlich risikoarm wie Fest­gelder. Die bieten in der Regel Banken an. Und dank der gesetzlichen Einlagensicherung sind Kundengelder dort im Pleitefall mindestens bis zu einer Höhe von 100 000 Euro geschützt.

Hoch riskante Anlagen

Auch hier, meint Zablocki, werde auf der Webseite keine Sicherheit suggeriert. Es gehe darum, dass ein gewisses Produkt einen festen und keinen varia­blen Zins in Aussicht stelle. Dass Nutzer denken könnten, die Zinsen seien sicher erzielt, „vermögen wir nicht nach­zuvoll­ziehen“, so Zablocki. Auch Anleihen, Genuss­rechte oder Nach­rangdarlehen böten ja feste Zinsen. Allerdings zählen diese zu den heiklen Finanz­produkten des Grauen Kapitalmarkts mit hohem Risiko. Die Seite aber wirbt mit „besten Sicherheiten“.

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Verbraucher­profile. Die Preise, die für Daten gezahlt werden, summieren sich. © Quelle: simply-lead.de, Screenshot: 24.01.2023, Stiftung Warentest

Alpha Assay GmbH & Co. KG verkauft Daten

In der Daten­schutz­ver­einbarung heißt es, Daten würden erhoben, „um eine fehler­freie Bereit­stellung der Website zu gewähr­leisten. Andere Daten können zur Analyse Ihres Nutzer­verhaltens verwendet werden“. Mit Eingabe und Über­mitt­lung, stimme man „der Weitergabe seiner Daten an einen unserer Leistungs­partner (z. B. Makler, Versicherungs­gesell­schaften, Finanz­dienst­leister, Banken ...)“ zu. Weitergabe bedeutet Verkauf. Und der scheint lukrativ zu sein: Für Daten­profile von Nutzern, die etwa nach Geld­anlagen suchen, rief Alpha Assay GmbH & Co KG in einer Preisliste – Stand: Januar 2022 – 157 Euro auf (siehe Screen­shot oben). Laut eigenen Angaben generierte die Alpha Assay GmbH & Co. KG schon „mehrere zehn­tausend Leads“.

Firma kommt auf unsere Warn­liste

Fazit: Besucher von Geld­anlagen-kapital­anlagen.de könnten die „werb­lichen Anpreisungen“, die Sicherheit und Rendite verheißen, für konkrete Angebote halten. Die Webseite, auf deren dubiose Fest­zins­angebote Finanztest schon 2020 hinwies, unternimmt wenig, um einer Irreführung entgegen­zuwirken. Sie kommt auf unsere Warnliste Geldanlagen.

Haben Sie Erfahrungen mit dubiosen Anbietern gemacht? Bitte senden Sie uns Ihre Hinweise an: warn­liste@stiftung-warentest.de.

Finanzen.de gehört zu den Großen

Zu den größten Daten­händ­lern im Geschäft mit Leads zählt Finanzen.de. Die Firma vermittelt nach eigenen Angaben jähr­lich rund 400 000 Verbrauche­rinnen und Verbraucher. Deren Daten scheinen wert­voll zu sein, denn das Versicherungs-Start-up Clark Germany GmbH kaufte Finanzen.de 2021 für 100 Millionen Euro.

„Einfach gut beraten“?

Die Webseite bietet im Wesentlichen Informationen zu Versicherungen und Kapital­anlagen, will Hintergründe liefern und vor allem „Experten“ vermitteln. Der Werbespruch lautet: „Einfach gut beraten.“ Die Seite beschreibt, wen sie anspricht, so: „(S)tunden­langes Suchen nach einem passenden Angebot schre­cken Sie ab? Wir finden einen Experten, der Sie kostenlos und kompetent (…) informiert.“ Nach eigenen Angaben verfügt Finanzen.de über ein Netz­werk von 10 000 solcher Experten.

Vermitt­lung in riskante Investments

Für manche endete diese Vermitt­lung in einem Fiasko. Als sich im Sommer 2015 ein Anleger auf Finanzen.de anmeldete, schickte die Platt­form eine E-Mail. „Wir haben die Experten der Euro Concept AG als Ansprech­partner für Sie ausgesucht.“ Verwiesen wird dazu noch auf die in einer Datei angehängten Kundenbe­wertungen. Die hier vergebenen 4,5 von 5 Sternen suggerieren Seriosität.

Euro Concept AG bot riskante Beteiligungen an

Doch bei der Euro Concept AG handelte es sich um eine Schweizer Gesell­schaft, die Geld für riskante Beteiligungen an einem eigenen Projekt einsammelte. Das Anleger­kapital sollte in ein Gewerbebau­projekt in Konstanz investiert werden. Doch 2019 meldete die Schweizer Aktiengesell­schaft Insolvenz an.

Start-up Clark äußert sich nicht dazu

Finanztest liegt die E-Mail eines weiteren Falls vor. Darin beschwichtigt ein Mitarbeiter von Finanzen.de einen besorgten Anleger, der von der Pleite in der Presse gelesen hatte und deswegen im Mai 2019 nach­fragte. Der Mitarbeiter schrieb, die Probleme in der Schweiz „haben jedoch tatsäch­lich nichts mit dem hiesigen Markt zu tun“. Die deutsche Euro Concept Development GmbH sei nicht von der Abwick­lung betroffen. Doch auch dieser Rat ging nach hinten los: Die Liquidation der deutschen Gesell­schaft der Gruppe erfolgte knapp vier Monate nach dieser Beschwichtigung. Auf Anfrage von Finanztest zu diesem Sach­verhalt wollte sich Clarks PR-Managerin nicht äußern.

60 Klagen gegen Finanzen.de

Anleger, die von Finanzen.de zur Euro Concept AG vermittelt wurden, verloren viel Geld. Dutzende Geschädigte vertritt die Düssel­dorfer Kanzlei Bender Pfitzmann Rechts­anwälte, die etwa 60 Klagen einreichte, um von der Finanzen.de-Vermitt­lungs­gesell­schaft für Verbraucher­verträge GmbH Schadens­ersatz zu erwirken.

Wer als „Experte“ gilt

Finanztest fragte nach, wer bei der Platt­form als „Experte“ geführt und vermittelt werde. Man habe Prozesse zur „fort­laufenden Geschäfts­part­nerprüfung etabliert“ und setze auf „markt­führende Dritt­lösungen“, heißt es von der PR-Managerin allgemein formuliert. Man habe zudem Geschäfts­partner „vertraglich zur Einhaltung von (Beratungs)stan­dards“ verpflichtet. Welche Vorkehrungen und Konsequenzen konkret aus der Pleite der Euro Concept AG getroffen wurden, wollte die PR-Managerin mit Verweis auf „laufende Rechts­fragen“ nicht verraten. Das Land­gericht Berlin dürfte darüber entscheiden, ob Daten von Anlegern in diesem Fall recht­mäßig erhoben und verarbeitet wurden.

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Schnäpp­chen. Die Preise für Verbraucher­daten variieren mit den Interessen. © Quelle: finanzen.de, Screenshot: 24.01.2023, Stiftung Warentest

„Rest­bestände zu Wunsch­preisen“

Im Daten­geschäft zählt Schnel­ligkeit. „Die erfolg­reichsten Lead-Käufer kontaktieren ihre potenziellen Neukunden spätestens fünf Minuten nach Entstehung des Daten­satzes“, sagte eine Mitarbeiterin von Finanzen.de in einem Interview. Daten, die sich nicht umge­hend verkaufen lassen, werden rabattiert veräußert. „Rest­bestände zum Wunsch­preis“ – hieß es in einem Prospekt des Unter­nehmens. Ob sensible Verbraucher­daten tatsäch­lich verramscht wurden oder werden, wollte Clark nicht beant­worten. Verbrauche­rinnen und Verbraucher sollten acht­sam bleiben, da die Qualität der Experten von Finanzen.de schwer zu bewerten ist und diese zudem auch für die Vermitt­lung der Daten bezahlen.

Erfahrungen mit dubiosen Anbietern

Haben Sie Erfahrungen mit dubiosen Anbietern gemacht? Bitte senden Sie uns Ihre Hinweise an: ugc-grauer­kapitalmarkt@stiftung-warentest.de

Hinweis zur Warn­liste Geld­anlage der Stiftung Warentest

Die Warn­liste Geld­anlage listet alle Unternehmen, Geld­anlage­angebote und Dienst­leistungen der vergangenen zwei Jahre auf, die die Stiftung Warentest negativ bewertet hat. Sie lässt sich kostenlos im Format PDF herunterladen. Sie umfasst mehrere Seiten und wird in der Regel einmal im Monat aktualisiert. Wenn zwei Jahre vergangen sind, werden Einträge gelöscht, wenn in der Zwischen­zeit nicht erneut negativ berichtet wurde. Einträge, die älter als zwei Jahre sind und ohne Folgebe­richt­erstattung blieben, sind ab dann nicht mehr auf der aktuellen Warn­liste zu finden.

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