Crowdfunding Gemein­sam kämpfen, wenn das Projekt scheitert

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Crowdfunding - Gemein­sam kämpfen, wenn das Projekt scheitert

Gemein­schafts­werk. Anlegende eines Crowdfunding-Projekts haben Informationen zusammen­getragen. © Getty Images / Prostock-studio

Platzen Projekte, die ein Schwarm von Anlegenden finanziert hat, ist es sinn­voll, gemein­sam zu handeln. Das zeigt ein Erfolgs­fall. Drei wichtige Erkennt­nisse für Anleger.

Anle­gerinnen und Anleger von Crowdfunding-Platt­formen berichten zunehmend von Problemen. Die Beträge, die sie gemein­sam mit anderen investiert haben, bekommen sie nicht wie geplant oder gar nicht zurück. Die Risiken bei einer Schwarm­finanzierung sind hoch, vor allem bei jungen Unternehmen. Viele setzten sich nicht am Markt durch. Nun mehren sich auch schlechte Nach­richten bei Immobilien, die früher als eher sicher beworben wurden. Projekt­entwickler bauten dabei mit Anlegergeld und zahlten es nach dem Verkauf zurück. Oder eben nicht, wenn das Projekt nicht nach Plan lief. Anlegende können aber etwas tun. In einem Fall bekamen sie dadurch sogar ihren Schaden ersetzt.

Etliche Projekte laufen nicht mehr nach Plan

Als Mikhel Stamm, Chef der Crowdfunding-Platt­form Estateguru aus Estland, im Januar 2023 über seine Projekte in Deutsch­land berichtete, war das wenig erfreulich: Von 85,2 Millionen Euro an Krediten von Anlegenden wurden 2022 gut zwei Drittel nicht plan­mäßig bedient. Er betonte, „dass der Markt vor andert­halb Jahren noch ganz anders aussah“ und viele Konkurrenten vor ähnlichen Heraus­forderungen stünden.

Bei der Platt­form Engel & Völkers Digital Invest gab es 2022 zum Beispiel die erste Insolvenz bei einem Projekt, Berg­fürst berichtet von vier Fällen mit Verzug bei der Rück­zahlung ihrer Darlehen. Diese stehe bei einem nun kurz bevor, bei einem anderen floss ein Teil.

Unser Rat

Risiko. Beim Crowdfunding investieren Sie in ein Unternehmen oder Projekt und tragen daher hohe Risiken, haben aber in der Regel keine Mitspracherechte. Droht eine Insolvenz, müssen Sie damit rechnen, leer auszugehen.

Streuung. Investieren Sie nur so viel in Crowdfunding-Projekte, dass Sie einen Total­verlust verkraften könnten. Stecken Sie lieber kleine Summen in mehrere statt einen größeren Betrag in ein einzelnes Angebot.

Probleme. Bei Ihrem Crowdfunding-Projekt gab es Ungereimtheiten? Schließen Sie sich mit anderen Anlegern zusammen, recherchieren Sie gemein­sam. Das erhöht Ihre Chancen, den Schaden ersetzt zu bekommen.

Viele Immobilien­projekte scheitern

Klappte das nicht, lag das zum Teil am Markt. Zum Teil kam heraus, dass Anlegende von vorneherein eine ungüns­tige Position hatten, wie beim Exporo-Projekt „Am Hamburger Stadt­park“. Es sollte maximal etwa 13 Monate laufen, ein Käufer war schon gefunden. Was konnte da schief­gehen? Viel, wie Anleger fest­stellten.

Problem-Bauprojekt „Am Hamburger Stadt­park“

Crowdfunding - Gemein­sam kämpfen, wenn das Projekt scheitert

© Exposé „Am Hamburger Stadtpark“ (Exporo AG); Stiftung Warentest

In diesem Crowdfunding-Fall bekamen Anle­gerinnen und Anleger des Exporo-Projekts sogar ihren Schaden ersetzt. Daraus lassen sich drei wichtige Erkennt­nisse für Anleger ziehen:

Erkennt­nis 1: Vorgeschriebene Informationen einfordern

Alle, die in einer Crowd anlegen, sollten bei ihren Projekten auf dem Laufenden bleiben. In der Regel haben sie eine riskante, nach­rangige Position. Rück­zahlungen können leicht verweigert werden. Im Insolvenzfall sind vorrangige Gläubiger vor ihnen an der Reihe.

Unternehmen, die Vermögens­anlagen per Crowdfunding-Platt­form ausgegeben haben, müssen ihren Jahres­abschluss in der Regel spätestens sechs Monate nach Geschäfts­jahres­ende beim Bundes­anzeiger einreichen. Wenn er auf unternehmensregister.de stark verspätet oder nicht abruf­bar ist, ist das ein Warnzeichen. Anleger haben dann das Recht, sich den Abschluss zusenden zu lassen (Paragraf 23, Absatz 1 Vermögens­anlagengesetz).

Viele Platt­formen verpflichten Unternehmen zwar, Anlegende zu informieren. Verlassen können sie sich darauf nicht, etwa wenn die Platt­form ihre Tätig­keit aufgibt, wie es 2022 Innovestment getan hat.

Tipp: Fragen Sie bei der Platt­form nach. Auch beim Bundes­anzeiger oder beim Bundes­amt für Justiz sind Beschwerden möglich.

Erkennt­nis 2: Selbst nach den Gründen für Probleme suchen

Zins- oder Rück­zahlungen sind ausgefallen? Wenn sich Unternehmen dazu äußern, schieben sie das in der Regel auf Corona oder andere äußere Umstände. Oft stimmt das. Manchmal aber nicht.

Es ist daher sinn­voll, selbst nach Gründen für Probleme zu suchen. Anlegende des Exporo-Bauprojekts „Am Hamburger Stadt­park“ haben das gemein­sam über das Internetforum Investmentcheck.community gemacht.

Sie fanden heraus: Die Gesell­schaft, die Mittel der Anleger frei­geben durfte, hatte das Projekt vermögenden Kunden als Investment präsentiert. Ihr Vorstand hat Prokura bei einer Gesell­schaft, deren Anteile laut Handels­register der Fußballer Jerome Boateng hält. Er besitzt demnach auch eine weitere Gesell­schaft, der die Käuferin des Bauprojekts gehört. Gemäß Makler- und Bauträger­ver­ordnung wurde sie in Höhe ihrer Kauf­preis­anzah­lungen von Grund­pfandrechten frei­gestellt. Die beworbene, erst­rangige Grund­schuld als Sicherheit für Anleger wurde dadurch wert­los. Die Löschung wurde schon 2018 vorgemerkt.

In einem anderen Fall entdeckte jemand aus der Crowd einen Insolvenz­antrag für die Royal Residenz 4 GmbH vom 4. August 2022. Für deren „Atelier-Wohnungen an der Burg II“ hatte die Platt­form Engel & Völkers Digital Invest Ende Juli 2022 noch 2,18 Millionen Euro vermittelt. Kurz vorher war das Vorgängerfunding zurück­bezahlt worden. Eine Gruppe denkt nun über recht­liche Schritte nach. Das Unternehmen war nicht für eine Stellung­nahme erreich­bar. Die Platt­form betonte, das Projekt sorgfältig analysiert zu haben. Es werde unter anderem zu prüfen sein, ob der Darlehens­nehmer falsch oder unvoll­ständig informiert habe.

Möglich ist auch, selbst eine Interes­sengemeinschaft mit eigener Internetseite zu gründen. Ein Anleger der Platt­form Berg­fürst verantwortet zum Beispiel die Internetseite ig-bergfuerst-anleger.de. Er will auf diesem Weg vor allem Vorgänge rund um zwei gescheiterte Projekte auf Mallorca und ein nicht zurück­gezahltes Projekt Essen am Buschgarten der Ultima Ratio Buschgarten GmbH & Co. KG aufklären. Ultima Ratio äußerte sich dazu nicht. Berg­fürst betonte gegen­über Finanztest, der Sicherheitentreuhänder der Anle­gerinnen und Anleger sei „zuver­sicht­lich, zeit­nah eine Lösung herbeiführen zu können“.

Erkennt­nis 3: Mitstreiter für recht­liche Schritte suchen

Die Kosten für recht­liche Schritte sind bei Crowdfundings im Verhältnis zum Schaden oft unver­hält­nismäßig hoch, sie können ihn auch weit über­steigen. Bei 1 000 Euro sieht das Gesetz knapp 700 Euro für Gerichts­kosten und Anwalts­gebühren vor, durch zwei Instanzen wären es gut 1 500 Euro im Fall einer erfolg­losen Klage.

Der Sach­verhalt ist oft komplex. Rechts­anwälte schließen daher oft eine Honorar­ver­einbarung mit einem Stunden­satz oder Fest­preis ab, statt die gesetzlichen Gebühren abzu­rechnen. Wegen des hohen Aufwands ist es schwer, jemanden zu finden, der solche Fälle über­nimmt. Als Gruppe klappt das eher.

So beauftragten etwa zwei Dutzend Anleger des Projekts „Am Hamburger Stadt­park“ den Rechts­anwalt Tobias Piel­sticker von der Kanzlei Witt Rechts­anwälte in München. Mit Erfolg: Die Exporo AG hat den Schaden zum Groß­teil ersetzt.

Piel­sticker berichtet von bislang etwa 20 Vergleichen. In Fällen vor Gericht sei es dabei um den gesamten Schaden gegangen, außerge­richt­lich um etwa drei Viertel des Schadens. Das Land­gericht Hamburg hatte Exporo und die Exporo Forderungs­händler II GmbH am 18. Juli 2022 per Versäumnis­urteil rechts­kräftig zu vollem Schaden­ersatz verurteilt (Az. 335 0 54/22). Exporo äußerte sich auf unsere Anfrage nicht zu dem Fall.

Problemfälle gibt es seit Jahren

Bei Immobilien gingen Schwarm­finanzierer 2018 das erste Mal leer aus: Im Jahr 2017 stellten zwei Projektentwicklungsgesellschaften Insolvenzantrag, die in Berlin-Tempelhof zwei Mikroa­part­menthäuser mit dem Namen Luvebelle bauen. Weitere Problemfälle folgten.

Wie wichtig es ist, sich genau zu informieren, zeigte das Immobilien­projekt „Kardinal-Wendel-Gärten“ in Homburg, Saar­land. Die Platt­formen ReaCapital und GLS-Crowd arbeiteten 2017 in diesem Fall bei den Fundings zusammen. Nach der Insolvenz des Entwick­lers bekamen nur ReaCapital-Anleger ihr Geld zurück. Sie waren über eine Grund­schuld abge­sichert. GLS-Crowd-Anleger waren das nicht.

Bei der Platt­form Berg­fürst bekamen die Anlegenden der „Rhein­straße Duisburg“ Ende April 2020 fällige Zahlungen verspätet. Der Grund: Die Platt­form und der Projekt­entwickler Bonafide stritten über die Art der Rück­zahlung.

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