Boxspringbetten Was indivi­dualisierte Schlafstätten taugen

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Boxspringbetten - Was indivi­dualisierte Schlafstätten taugen

© Stiftung Warentest

Eine Schlafstätte nach Maß, das klingt perfekt: Manche Betten-Anbieter verheißen ihren Kunden, dass sie besser schlafen auf einem Bett, das auf ihren Körperbau, ihr Gewicht und ihre Schlafge­wohn­heiten zuge­schnitten ist. Die Indivi­dualisierung lassen sie sich teuer bezahlen: 4 600 beziehungs­weise 6 700 Euro kosteten die von uns gekauften Doppelbetten – erheblich mehr als ein gewöhnliches Boxspringbett. Ist das Geld­schneiderei oder die Erlösung für alle, die schlecht schlafen?

Vor dem Probeschlafen kommt der Körperscan

Haut­eng schmiegt sich der glänzend grüne Anzug an Carl-Friedrich Theill. Der Rentner und frühere test-Redak­teur steht vor einer schwarzen Wand, dreht und wendet sich. Währenddessen erfasst ein Mess­gerät seine Körperkonturen: Schulterbreite, Taille, Becken. Theill interes­siert sich für ein nach Maß angepasstes Boxspringbett der Firma Kreamat. Gut zwei Dutzend Bettenhändler in Deutsch­land bieten den dafür nötigen Körperscan an. Das Geschäft, in das sich Theill begeben hat, verkauft haupt­sächlich hoch­preisige Betten – von aufgestapelten Matratzen wie beim Discounter keine Spur.

„So liegen Sie richtig!“ Wirk­lich?

Der Berater, der ihn vermessen hat, stellt auf Basis der Mess­werte ein Boxspringbett zusammen: Unter die Schultern kommt ein weiches Latex­element, unters Becken ein festes Paket, unter die Taille ein extra festes Element mit Taschenfedern. Oben­drauf legt der Verkäufer eine dicke Federkern­matratze. Auf diesem Pols­terturm fühlt sich Theill wie ein Prinz auf der Erbse. Nur die einzelnen Elemente unter der Matratze spürt er nicht. Der Berater versichert: „Die Wirbelsäule ist gerade. Auf dem indivi­dualisierten System liegen Sie genau richtig.“

Was der Mann nicht ahnt: Sein Kunde liegt inkognito Probe für die test-Redak­tion. Kreamat ist eines von zwei individuell angepassten Bett­systemen, die die Stiftung Warentest untersucht hat. Das andere ist Ergosleep der Firma LS Bedding.

Luxus­preis nicht nur für Luxuslagen

Boxspringbetten - Was indivi­dualisierte Schlafstätten taugen

© Stiftung Warentest

Unsere Test­kunden waren in mehreren Geschäften unterwegs. Ein Kreamat-Verkäufer warb: „Sie gelangen auch mit einem Opel ans Ziel. Aber in einem Mercedes reisen Sie viel komfort­abler.“ Autos testet die Stiftung Warentest nicht. Bei den Boxspringbetten zeigt unsere Unter­suchung, dass ihr Luxus­preis nicht nur für Luxuslagen sorgt: Keines der nach Maß gebauten Modelle beider Marken bietet den dafür vermessenen Test­kunden optimale Liegeeigenschaften.

Tipp: 5 000 Euro und mehr muss niemand für ein Boxspringbett ausgeben. Boxspringbetten in vergleich­barer Qualität gibt es bereits für deutlich weniger als die Hälfte. Zum Vergleich: Die beste je von der Stiftung Warentest getestete Matratze kostet nur 199 Euro. Test­ergeb­nisse für 272 Matratzen, darunter auch rund 30 Boxspringbetten, zeigt unser Produktfinder Matratzen.

Wie von Zauber­hand verstellt

In einem Ergosleep-Geschäft – einem von deutsch­land­weit 27 – bittet der Verkäufer Carl-Friedrich Theill ins sogenannte Erleb­nisstudio. Das ist eine abge­schirmte Kabine mit indirektem Licht und Vorhängen. Theill legt sich auf eine Doppelbett­hälfte, der Verkäufer gibt am Computer Größe, Alter und bevor­zugte Lieg­epos­ition seines Kunden ein, dann verstellt sich der Unterbau elektronisch. Einzelne Zonen unter Theill senken sich, andere heben sich. Wie von Zauber­hand sinken Schulter und Becken tief in das Bett. Hüfte und Beine heben sich an. „Nur Ergosleep lässt sich perfekt auf den Körper einstellen“, sagt der Verkäufer. „Eine Stan­dard­matratze dagegen passt nicht auf jeden Körper.“

Anbieter versprechen zu viel

Für unseren Test haben wir Probanden zu Händ­lern von Ergosleep und Kreamat geschickt. Im Labor legen sich der große, schwere Testkäufer und seine deutlich kleinere Part­nerin auf die nach ihren jeweiligen Maßen ange­fertigten Boxspringbetten. Die Mess­apparaturen offen­baren, wie gut die Betten sie abstützen. Der Proband liegt zwar in Seiten­lage auf beiden Betten gut, als Rücken­schläfer jedoch nicht auf Kreamat. Seine Part­nerin wiederum liegt auf Ergosleep nur mittel­mäßig. Zudem sinken beide tief in die Betten ein. Ihre Körper haben auf großer Fläche Kontakt zur Matratze. „Optimal ist das nicht“, sagt unser Testleiter. Dabei verspricht Kreamat optimalen Schlaf­komfort. Ergosleep wirbt mit maximaler ergono­mischer Unterstüt­zung.

Kreamat über­zeugt im Dauer­test

Ein teures Bett sollte eine Weile halten. Im Labor rollen die Prüfer eine 140-Kilogramm-Walze 60 000 Mal darüber, setzen es Wärme und Feuchtig­keit aus. Das simuliert den Gebrauch über acht Jahre. Kreamat gibt nur wenig nach (Tabelle). Doch Ergosleep setzen Wärme und Schweiß zu. Die Matratze wird weicher und bildet eine Liegekuhle; die Liegeeigenschaften werden schlechter.

Chemiecock­tail im Schlaf­zimmer

Ergosleep wird mit einem Chemiecock­tail ausgeliefert. Nach dem Öffnen der Folie verströmt das Bett in den ersten 24 Stunden große Mengen flüchtiger organischer Verbindungen, darunter allergie­auslösende Terpene und schleimhautreizende Löse­mittel. Die Substanzen verfliegen größ­tenteils inner­halb weniger Tage. Doch ein lästiger Kunst­stoff­geruch ist auch vier Wochen später noch wahr­nehm­bar. Auch Kreamat dünstet anfangs Löse­mittel aus – jedoch in geringerer Konzentration. Zudem fehlt jeglicher Hinweis, wie sich die Fasern des Matratzenbe­zugs zusammensetzen. Die EU schreibt ein Etikett vor.

Zum halben Preis

Selbst die Verkäufer sind offen­bar nicht restlos von ihrem Bett über­zeugt. Als einer unserer Probekunden am Ende der Vermessung zögert, schlägt sein Berater vor: „Ich kann Ihnen mit anderen Matratzen ein genauso gutes Boxspringbett individuell zusammen­stellen – zum halben Preis.“

Stöbern Sie in unserer Test-Daten­bank!

Die Matratzenbranche erzählt Werbemärchen, dass sich die Lattenroste biegen. Sie will möglichst teure Schlafstätten verkaufen. Orientierung im Betten-Märchen­land gibt allein der Produktfinder Matratzen der Stiftung Warentest. Dort finden Sie viele Kauf­tipps und Test­ergeb­nisse für insgesamt 272 Matratzen, davon sind mehr als 40 mit gut getestet worden und immer noch liefer­bar.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 28.09.2020 um 10:20 Uhr
    Neuer Test

    @Neunzehn99: Ihren Kommentar nehmen wir gerne als Testanregung auf und leiten sie an das zuständige Untersuchungsteam weiter. (Se)

  • Deschain am 25.09.2020 um 16:15 Uhr
    Boxspring vs. Lattenrost

    Danke für den Test! Interessant wäre hier ein neuer Test, insbesondere unter Einbeziehung der günstigeren Hersteller. Was noch viel interessanter wäre: Aufklärung darüber, ob Boxspringbetten tatsächlich besser sind als die in Europa weit verbreiteten klassischen Betten mit Lattenrost-System. Ich spreche in diesem Fall nicht von den persönlichen Präferenzen, die oft ausschlaggebend für ein Liegefühl sind. Ich denke es sollte faktisch belegbar sein, ob das eine System gegenüber dem anderen Vorteil hat, der etwas mit der Gesundheit zu tun hat. Ich habe schon auf beidem geschlafen und kann noch immer nicht beurteilen, was für den Körper besser ist - irgendwann gewöhnt man sich an das neue Bett und findet das dann auch bequem.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 17.10.2018 um 13:15 Uhr
    Wo findet man Adressen der Anbieter?

    @Martina1979: Bitte informieren Sie sich über das Internet oder einschlägige Branchenverzeichnisse. (Bee)

  • Martina1979 am 17.10.2018 um 11:19 Uhr
    Wo findet man Adressen der Anbieter

    Guten Tag,
    wo gibt es denn in der Nähe von Stuttgart einen Anbieter der Boxspringbetten individuell anpasst?