Behörden haben die tolerable Aufnahmemenge für Bisphenol A drastisch gesenkt. Die EU plant sogar ein Verbot der Chemikalie in Lebensmittelpackungen. Das sind die Gründe.
Alle Fragen im Überblick
Wo Bisphenol A vorkommt
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Was ist Bisphenol A?
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Bisphenol A (BPA) ist eine Industriechemikalie. Mit ihrer Hilfe werden der harte und transparente Kunststoff Polycarbonat sowie Epoxid-Kunstharze hergestellt.
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In welchen Produkten ist Bisphenol A enthalten?
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Bisphenol A findet sich in vielen Alltagsgegenständen mit Polycarbonat – zum Beispiel in Smartphones, Aufbewahrungsboxen und Flaschen für Lebensmittel sowie Geschirr. Zudem kommt die Substanz in Produkten mit Epoxidharzen vor. Die Harze werden auch für Klebstoffe, Verbundkunststoffe, Lacke oder Innenbeschichtungen von Getränke- und Konservendosen verwendet.
Tipp: Unser Test BPA in Konserven zeigt, dass viele Lebensmittel in Dosen Bisphenol A enthalten. 51 von 58 Produkten waren belastet.
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Wodurch nehmen Verbraucherinnen und Verbraucher viel Bisphenol A auf?
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Die Hauptaufnahmequelle für Bisphenol ist die Ernährung. Nach Daten Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2015 tragen überwiegend Lebensmittel zur BPA-Aufnahme bei, die in mit Epoxidharz beschichteten Dosen gelagert werden.
Grund: Bisphenol A kommt als Rest von Ausgangsverbindungen aus dem Herstellungsprozess in Epoxidharzen vor. Sie können verwendet werden, um Lebensmittel- und Getränkedosen von innen oder außen zu beschichten. So soll verhindert werden, dass das Blech rostet und sich Metalle lösen, die dann die Lebensmittel beeinträchtigen könnten. Daneben gibt es viele andere Quellen für Bisphenol A, darunter Fleischerzeugnisse, Leitungswasser, Bastelharze oder einfach Staub. Auch Bücher für Kleinkinder wurden schon wegen hoher BPA-Gehalte zurückgerufen.
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Was plant die EU-Kommission?
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Die EU-Kommission hat im Februar 2024 einen Verordnungsentwurf über ein Verbot der absichtlichen Verwendung von Bisphenol A zur Herstellung von Lebensmittelbedarfsgegenständen vorgelegt. Darin sind unterschiedlich lange Fristen für Hersteller von Lebensmittelkontaktmaterialien vorgesehen, um ihre Produktion umzustellen. Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaftsbeteiligte und Mitgliedstaaten konnten diesen Entwurf vier Wochen lang kommentieren. Als nächstes wird der Vorschlag mit den EU-Mitgliedsstaaten beraten. Die EU-Kommission plant laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen zügigen Abschluss des Verfahrens.
Weshalb Experten eine Neubewertung von BPA vornahmen
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Warum hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Bisphenol A neu bewertet?
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Seit 2013 sind zahlreiche neue Studien erschienen, die laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Anlass für eine neue, deutlich strengere Bewertung waren. Die Behörde wertete mehr als 800 dieser Studien aus und veröffentlichte im April 2023 eine Neubewertung von Bisphenol A. Darin kam sie zu dem Schluss, dass „die ernährungsbedingte Exposition gegenüber Bisphenol A ein Gesundheitsrisiko für Verbraucher in allen Altersgruppen darstellt“.
Vor allem Hinweise aus Studien mit Mäusen hätten den Ausschlag gegeben: Sie wiesen darauf hin, dass eine Aufnahme von Bisphenol A die Anzahl spezieller T-Zellen im Immunsystem junger Mäuse ändern könne. Diese Zellen spielten eine Schlüsselrolle bei den zellulären Immunmechanismen des Menschen. Aus einer erhöhten Konzentration könnten allergische Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen folgen.
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Was ist der neue Richtwert für Bisphenol A?
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Nach dem neuen Richtwert der Efsa soll die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake, TDI) an Bisphenol A bei 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegen. Der neue Wert ist 20 000-fach niedriger als der bisherige aus dem Jahr 2015. Der lag bei 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.
Der TDI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die täglich über die gesamte Lebenszeit ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) dürfte die Bisphenol-Aufnahme bei Menschen aller Altersgruppen den neuen Wert deutlich überschreiten – auch wenn die Gesamtaufnahme in der Bevölkerung seit Jahren als rückläufig gilt. Aktuelle Daten zur Aufnahme liegen nicht vor.
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In Deutschland gibt es Kritik am neuen Efsa-Richtwert. Warum?
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Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält das Ergebnis der Efsa für nicht angemessen und begründet dies in einer Stellungnahme. Die Behörde hat als Gegenvorschlag einen eigenen, weniger strengen TDI berechnet: 200 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Dieser Wert liegt 20-fach unter dem früheren. Das BfR stützt sich eigenen Angaben zufolge bei seiner Berechnung auf mehr als 600 Studien aus den vergangenen rund 20 Jahren. Dieser moderate TDI wahre genug Sicherheit gegenüber weiteren Risiken wie allgemeiner Toxizität, Krebserzeugung, Auswirkungen auf Gehirn und Verhalten, betont die Behörde.
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Was bedeutet es, wenn Behörden unterschiedlicher Meinung sind?
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Die Differenzen von BfR und Efsa werden in einem gemeinsamen Dokument von beiden Parteien erläutert, das öffentlich zugänglich ist. Außer dem BfR legte noch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Bedenken zur Methodik der Efsa-Neubewertung vor. Sowohl die Neubewertung als auch die Einwände stellen nun eine Informationsgrundlage dar, nach der die Europäische Kommission und Vertreter der Mitgliedstaaten einen neuen Grenzwert für Bisphenol A erlassen könnten.
Welche Gesundheitsrisiken bekannt sind
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Welche Gesundheitsrisiken können von Bisphenol A ausgehen?
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung hat die Substanz eine geringe akute Giftigkeit, werde bei langfristiger Aufnahme im Tierversuch allerdings mit etlichen Effekten in Zusammenhang gesehen.
- Fortpflanzungsschädigende und hormonähnliche Wirkung. Die Europäische Chemikalienagentur hat Bisphenol 2017 wegen seiner fortpflanzungsschädigenden und hormonähnlichen Wirkungsweise als besonders besorgniserregende Substanz identifiziert. In Tierstudien mit jungen Nagetieren hatte die Substanz unter anderem dazu geführt, dass die Pubertät verfrüht eingetreten war und sich Brustdrüsengewebe veränderte. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sind allerdings bisher keine gesundheitsschädlichen Wirkungen von Bisphenol A für Menschen nachgewiesen. Der menschliche Körper wandle die Substanz schnell in ein Stoffwechselprodukt um, das selbst keine hormonelle Wirkung mehr habe und über die Nieren ausgeschieden werde. Im Januar 2018 wurde Bisphenol A wegen seines Einflusses auf Hormonsysteme zusätzlich noch als schädlich für die Umwelt identifiziert.
- Leber- und nierenschädigend. 2015 identifizierte die Efsa in Tierversuchen nieren- und leberschädigende Wirkungen.
- Wirkungen auf das Immunsystem. Nachdem in einer Studie an Mäusen trächtigen und säugenden Muttertieren BPA verabreicht wurde, erhöhte sich beim Nachwuchs die Konzentration sogenannter T-Helferzellen in der Milz. Diese spielen laut Efsa eine Schlüsselrolle für zelluläre Immunmechanismen. Ihr Anstieg könne beim Menschen zur Entwicklung allergischer Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen führen. Das BfR kritisiert aber methodische Mängel in der Studie. So sei etwa unklar, wie viel BPA den Mäusen verabreicht wurde und ob eine erhöhte Zahl an T-Helferzellen die genannten Erkrankungen tatsächlich verursacht. Zudem sei die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen fraglich.
Wie sich im Alltag weniger Bisphenol A aufnehmen lässt
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Gibt es Konservendosen ohne Bisphenol A?
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In unserem Test von Lebensmittelkonserven auf Bisphenol A gaben die meisten Anbieter uns gegenüber an, Dosen und Deckel mit BPA-freiem Innenlack oder „BPA-NI-Dosen“ zu verwenden. NI steht für „non intent“, das heißt BPA wird im Innenlack nicht absichtlich eingesetzt. Dennoch war lediglich in 7 der 58 getesteten Konserven-Lebensmittel kein BPA nachweisbar. Welche das waren und wie BPA in die Dosen gelangen kann, lesen Sie in unserem Test BPA in Konserven.
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Lässt sich erkennen, ob die Beschichtung einer Konservendose Bisphenol A enthält?
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Nein. Anbieter müssen Dosen, die mit Epoxidharzen beschichtet sind, nicht kennzeichnen. Allerdings gelten in Deutschland und in der EU Grenzwerte für Materialien, die Bisphenol A freisetzen können und Kontakt mit Lebensmitteln haben. Der spezifische Migrationswert für Bisphenol A beträgt derzeit 50 Mikrogramm pro Kilogramm Lebensmittel. Der Wert beruht allerdings noch auf dem bisherigen Richtwert von 2015.
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Wie lässt sich die Aufnahme von Bisphenol A generell verringern?
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Wer möglichst wenig Bisphenol A aufnehmen möchte, sollte Lebensmittel am besten frisch verzehren und Glas und Kartonverpackungen bevorzugen. Wer zuhause Trinkwasserleitungen hat, die mit Epoxidharz saniert wurden, sollte daraus kein Warmwasser trinken.
Verbraucherinnen und Verbraucher können beim Kauf von Kunststoffdosen, -flaschen und -geschirr auf den Hinweis „Bisphenol-frei“ achten. Bei dieser Kennzeichnung sind laut BfR keine Bisphenole erlaubt. Auf die Angabe „BPA-frei“ sollten Verbraucherinnen und Verbraucher hingegen nicht zu viel geben. Es könnten andere, zum Teil weniger gut untersuchte Bisphenole wie Bisphenol F enthalten sein.
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In welchen Produkten ist Bisphenol A schon verboten?
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Seit 2011 ist es EU-weit verboten, Babyfläschchen aus Polycarbonat mit Bisphenol A herzustellen. Das Verbot wurde 2018 auf Polycarbonat-Trinkgefäße und -Flaschen für Säuglinge und Kleinkinder erweitert. Für alle anderen Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff ist ein Grenzwert für den Übergang von Bisphenol A ins Lebensmittel festgelegt. Bisphenol A wurde auch für Thermopapiere wie Kassenbons eingesetzt, ist seit 2020 aber auch in diesen verboten.
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Kommentarliste
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@agatestfan: Das ist kein Fehler. Wir bewerten nicht den reinen BPA-Gehalt, sondern die Belastung, die von einer bestimmten Verzehrsmenge für eine Person mit 60 Kilogramm Körpergewicht ausgeht. Da von Suppen und Eintöpfen in der Regel größere Portionen verzehrt werden, sind wir bei ihnen von einer Verzehrsmenge von 400 Gramm ausgegangen. Bei Thunfisch haben wir dagegen bei der Bewertung eine Verzehrsmenge von 200 Gramm zugrunde gelegt.
Eine Verständnisfrage: Wieso werden bei Ökoland: Möhren-Ingwer Cremesuppe Bio die 7,6 µg/kg mit "Deutlich belastet" (BfR) bewertet, während bei Saupiquet: Thunfisch Naturale ohne Öl die 8,8 µg/kg mit "Gering belastet" bewertet werden? Liegt hier ein Fehler vor - oder wie sind die Werte einzuordnen? Danke!
Wir haben keine Lebensmittel in Gläsern und Verbundkartons auf BPA untersucht. Aber laut Bundesinstitut für Risikobewertung droht aus Glas und Verbundkartons kein Übergang von Bisphenol A ins Lebensmittel. Auch Tiefkühlprodukte können eine Alternative zu Dosenprodukten sein. Weitere Tipps, wie Sie die BPA-Belastung verringern können, stehen in unserem Test BPA in Konserven: https://www.test.de/BPA-in-Konserven-Die-Dose-hat-ein-Problem-6110181-6110188/
Was ist mit Gläsern (Deckel) und Tetra-Packs?
Das BPA, das in Polycarbonat, z.B. bei Fitness-Tracker, Hamdyhüllen, usw. drin ist, muss sich ja auch erst herauslösen. Gibt es Untersuchungen dazu, ob das der Fall ist bzw. wie relevant diese Mengen im Vergleich zum neuen Wert sind? Eine zweite Frage ist, wie die Hautpenetration sich verhält. Gehen z.B. in 24 Stunden Hautkontakt 10% des angelegten Bisphenols A über?