Bereits in erster Instanz war die Inco Genossenschaft aus Duisburg mit ihrem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen die Stiftung Warentest vor dem Landgericht Stuttgart gescheitert. Jetzt erklärte das OLG Stuttgart, dass es sich bei dem Bericht der Stiftung Warentest nicht um eine Verdachtsberichterstattung handele. Die Stiftung Warentest „berichtet nicht etwa, dass der Verdacht bestehe, die Klägerin (Inco) sei unseriös, sondern sie berichtet, dass sie es tatsächlich ist, und zwar aufgrund konkret mitgeteilter Tatsachen.“ Entsprechend darf die Stiftung Warentest die Inco Genossenschaft in der Warnliste „Unseriöse Firmen und Produkte“ aufführen.
Finanztest hatte den Verkauf des „Autark-Theaters“ kritisiert
Die Inco war gegen den Bericht Erneut schlechte Nachrichten für Autark Anleger vorgegangen. Darin hatten wir die Übertragung von 94 Prozent der Anteile des Duisburger Theaters am Marientor (TaM Betriebsgesellschaft mbH) auf die Inco Genossenschaft kritisiert. Die restlichen sechs Prozent gingen an eine Leipziger Gesellschaft. Die Übertragung war für Anleger der Autark Invest AG aus Liechtenstein ein Schock, da ihnen das Theater stets als gewinnbringendes „Flaggschiff“ verkauft worden war. Zudem hatte Stefan Kühn, der einschlägig wegen Vermögensdelikten vorbestrafte Autark-Boss, Anleger über den seltsamen Deal nicht informiert. Auch Genossen der Inco erfuhren damals nicht, dass die Genossenschaft über 30 Millionen Euro für die Anteile zahlen sollte. Sie könnten aber durch die Übertragung der Anteile Nachteile haben: So erscheint der Preis für die Anteile sehr hoch. Auch könnte es passieren, dass der Deal mit dem „Autark-Theater“ wieder rückgängig gemacht werden muss.
Friends and Family – die handelnden Personen
Vor dem Hintergrund, dass hunderte Anleger der Autark Invest AG aus Liechtenstein bereits seit Monaten vergeblich auf die Rückzahlung ihres Geldes warten, kam es uns sonderbar vor, dass ausgerechnet Autark-Boss Kühn und seine Tochter Laura Koschate Mitbegründer der Incomm Genossenschaft waren, die später in Inco umfirmiert wurde.
Die Anteilsübertragung fand nach Recherchen von Finanztest zudem statt, als Kühns Ehefrau Sabine Geschäftsführerin der TaM war. Stefan Kühn selbst war bis August 2017 Geschäftsführer der TaM und wurde nach der Übertragung der Anteile von der Autark Invest AG auf die Inco Genossenschaft erneut Geschäftsführer der TaM.
Stutzig machte uns auch, dass der privat insolvente Grischa Pietsch – ein früherer Vertriebsmitarbeiter der Autark und alter Bekannter von Autark-Boss Stefan Kühn – Vorstand der Inco wurde und Jens Walther, Rechtsanwalt der Autark Invest AG den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Genossenschaft einnahm. Hinzu kommt, dass die Ehefrau von Inco-Vorstand Grischha Pietsch, Katharina Magarete Pietsch bis zum 10. Dezember 2018 bei der TaM Einzelprokura hatte.*
Theateranteile sollen für über 30 Millionen Euro übertragen worden sein
Insider berichteten zudem, dass die Anteile an dem einstmals für rund 3 Millionen Euro gekauften „Autark-Theater“ jetzt plötzlich für weit über 30 Millionen Euro an die Inco übertragen wurden. Weitere Informationen besagen, dass die Inco den Kaufpreis in Raten von monatlich 250 000 Euro an eine Rahl Geschäftsbesorgungsgesellschaft mbH aus Holzminden zahlen soll. Diese Gesellschaft soll Stefan Kühn zur Übertragung von Vermögenswerten der Autark Invest AG benutzt haben. Geschäftsführerin dort ist Kühns Bekannte Adele Raschke. Fragen zu den Verstrickungen und Geldflüssen zwischen den Unternehmen haben uns weder Kühn, Pietsch noch Raschke beantwortet. Pietsch begründete dies mit dem laufenden Inco-Prozess, gab aber auch vor Gericht keine Auskünfte dazu. Er erschien dort erst gar nicht.
Ungute personelle Verstrickungen zwischen Inco und Autark
Die vielen personellen und persönlichen Verstrickungen zwischen der Inco Genossenschaft und der Autark-Gruppe sind weder für Inco-Genossen noch für Autark Anleger vertrauenserweckend (Details zu den personellen Verflechtungen zeigt unsere Grafik am Ende dieses Beitrags). So wechselte der zweite Inco-Vorstand Bram ten Hove zur TaM. Dort ist er seit September 2018 Geschäftsführer. Die Ehefrau von Grischa Pietsch, Katharina Pietsch, hatte bei der TaM bis zum 10. Dezember 2018 Einzelprokura.*, **
Dubioses Umtauschangebot der Rahl an Autark-Anleger
Hinzu kommt, dass Anlegern kurz nach der Liquidation der Autark Invest AG im Oktober 2018 ein dubioses Umtauschangebot der Rahl erreichte. Danach sollten sie ihre Nachrangdarlehen, die sie der Autark Invest AG gegeben haben, in vermutlich wertlose Aktien der inzwischen von der Autark Group AG in Autark Entertainment AG umbenannten Gesellschaft tauschen („Weiteres dubioses Angebot“). test.de hatte ausdrücklich vor der Annahme dieses Angebots gewarnt.
Pietsch und Kühn-Tochter sind Direktoren bei Londoner Firma
Zwar behauptete der Anwalt der Inco in erster Instanz vor Gericht, dass sich Kühn und Pietsch nicht näher kennen würden. Ein von Finanztest vorgelegtes Foto, bei dem Kühn im Beisein von Pietsch eine Anleihe der Autark an den MSV Duisburg übergab, erklärte Pietschs Anwalt als rein zufällig zustande gekommenes Foto. Hingegen belegten von Pietsch an Autark-Mitarbeiter geschickte E-Mails, dass er Informationsveranstaltungen für die Autark organisierte und durchführte. Im Oktober 2018 gründete Pietsch dann sogar zusammen mit Kühns Tochter Laura Koschate in London die Firma First Entertainment Group PLC. Pietsch und Koschate sind Direktoren der Firma.**
OLG Stuttgart: Finanztest darf vor der Inco warnen
Wie diese personellen Verflechtungen zusammenpassen, wissen Kühn, Pietsch und Raschke natürlich. Auskünfte darüber haben sie Finanztest verweigert. Pietsch verwies dabei auf das laufende Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, dass die Inco nun verloren hat. Das OLG urteilte, dass die unstreitigen, teilweise von Finanztest im Artikel „Herber Schlag für Autark Anleger“ mitgeteilten Tatsachen in der Gesamtschau das Werturteil „unseriös“ und damit die Aufnahme der Klägerin in die Warnliste der Stiftung Warentest rechtfertigen. Wegen der intransparenten Darstellung ihres Geschäftszwecks in der Inco-Satzung sei nicht auszuschließen, dass das bei privaten Kapitalanlegern eingesammeltes Vermögen für die Verfolgung unbekannter, möglicherweise im Interesse Dritter liegender Zwecke dienen solle. Weder seien die Übernahme des TaM-Anteile öffentlich kommuniziert worden, noch sei erklärt worden, warum die durch Nachrangdarlehen von Privatanlegern finanzierten Anteile, gegen die ein Liechtensteiner Gericht ein „Sicherungsbot“ erlassen habe, an die Inco übertragen wurden.
Vorbestrafter Straftäter Kühn hat Konzept mitentwickelt
Dass Kühn als Mitbegründer der in Inco umfirmierten Genossenschaft zur Übertragung der TaM Geschäftsanteile schweige sowie die Tatsache, dass ein wegen Vermögendelikten vorbestrafter Straftäter das Konzept mitentwickelt habe, sei eine wesentliche Tatsachengrundlage zur Bewertung des Genossenschaftskonzept. Auch die Privatinsolvenz des Vorstands der Inco, Grischa Pietsch habe „erhebliches Gewicht“, urteilte das OLG. Für Kapitalanleger sei es wichtig, dass ein Genossenschaftsvorstand, der ihr Vermögen verwalten solle, schon privat nicht in der Lage war, seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse zu übersehen, heißt es im Urteil. Auch die Funktion des für die Autark Invest AG tätigen Rechtsanwalts Jens Walther als Aufsichtsratsvorsitzender der Inco, ist laut OLG eine wichtige Mitteilung.
Kühn trickste offenbar auch den Gerlachreport aus
Die Machenschaften des bereits wegen dubioser Finanzgeschäfte vorbestraften Stefan Kühn gehen noch weiter. So hat er offenbar Vermögenswerte der Autark Invest AG, die vor einigen Tagen Konkurs angemeldet hat, nicht nur an die Inco und die Rahl gegeben. Auch Rainer von Holst, ein Finanzhai, der sich in die USA abgesetzt hat, wollte wohl die Autark übernehmen, nachdem er sie zuvor monatelang in seinem aus den USA gesendeten unseriösen Onlinedienst Gerlachreport als Betrugsunternehmen bezeichnet hatte. Als Rainer von Holst dahinter kam, dass Autark-Boss Stefan Kühn Autark-Vermögenswerte anderwärtig übertrug, veröffentlichte er im Gerlachreport mehrere negative Artikel über Stefan Kühn und seine Ehefrau Sabine Kühn.
In SMS-Nachrichten drohte er Sabine Kühn Ende November mit Negativberichten über die Autark im Gerlachreport und Tätlichkeiten gegen ihre Kinder, wenn sie nicht umgehend eine vereinbarte Geldsumme auf sein US-Konto überweisen würde (weitere Informationen zum Erpresserportal Gerlachreport). Sabine Kühn war bei mehreren Autark-Firmen Geschäftsführerin – unter anderem bei der TaM. Sie gibt an, seit der Durchsuchung ihres Hauses wegen Betrugsverdachts und Untreuevorwürfen im Juli 2018 mittellos zu sein. Ihre gesamten Vermögenswerte seien beschlagnahmt worden, erklärte sie nach der Durchsuchung gegenüber Finanztest.
Drohungen vom Rechtsanwalt
Ob das stimmt, können wir nicht beurteilen. Wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens will sich Sabine Kühn derzeit nicht äußern. Auch will sie Fragen danach, ob Immobilien der Autark Invest AG auf ihren Namen eingetragen wurden und ob mit dem Theater am Marientor unter ihrer Geschäftsführung Verluste gemacht wurden, nicht beantworten. Stattdessen ließ sie uns durch ihren Anwalt damit drohen, dass eine Nennung ihres Namens zwingend zu unterbleiben habe. Sollte Finanztest dieser Aufforderung nicht nachkommen, „teile ich Ihnen bereits jetzt mit, dass ich mit der Einleitung umfassender rechtlicher Schritte gegen Sie, insbesondere der Stellung einer Strafanzeige, beauftragt bin“, schreibt ihr Strafverteidiger Gennaro Festa aus Dortmund an Finanztest.
Am Ende seines Schreibens droht der Anwalt, dass eine Wiedergabe seiner Antwort auf die von uns an Sabine Kühn gestellte Anfrage zu unterbleiben habe. Offenbar möchten der Rechtsanwalt und seine Mandantin nicht, dass seine Drohungen öffentlich werden.
* Korrigiert am 12.02.2019
** Korrigiert am 14.03.2019