Investieren grüne Fonds tatsächlich grün? Ein Nachhaltigkeitsbeirat aus Fachleuten kann dafür sorgen, dass wirklich nur nachhaltige Aktien im grünen Portfolio landen.
Grüne Ansätze in vielen Wirtschaftszweigen
Was ist an Microsoft nachhaltig? Oder an der Deutschen Telekom? Bei der ein oder anderen Aktie in einem nachhaltigen Fonds reiben sich Anleger und Anlegerinnen verwundert die Augen. Schnell wird der Vorwurf laut, der Anbieter betreibe Greenwashing, streiche seinen Fonds nur mit grüner Farbe an, statt tatsächlich grün zu investieren. Doch so einfach ist die Sache nicht. Grün ist nicht nur das Offensichtliche – zum Beispiel ein Windrad oder eine Solaranlage.
Nachhaltige Geldanlage setzt sich aus den Komponenten Ökologisches, Soziales und gute Unternehmensführung zusammen, englisch ESG (environmental, social, governance). Microsoft nimmt Angaben des US-Indexproviders MSCI zufolge in der Softwarebranche eine führende Rolle in Bezug auf die Nachhaltigkeit ein. Die Amerikaner heben zum Beispiel den Datenschutz und die Personalentwicklung hervor. Die Deutsche Telekom habe konkrete Klimaziele, schreibt die GLS Bank in ihrem Investitionsbericht.
Stiftung Warentest bewertet Nachhaltigkeit
Trotz der positiven Beispiele: Nicht selten bleibt beim ein oder anderen Anleger ein gewisses Misstrauen: Womöglich kaufen die Fonds in erster Linie solche Werte, die zuvorderst ökonomischen Erfolg versprechen und stellen die Nachhaltigkeit hintenan? Was nachhaltig ist, legen die Fondsanbieter jeweils selbst fest. Für manche ist – grün hin oder her – wichtig, den Markt möglichst breit abzubilden. Andere sortieren mit harter Hand aus, was nicht zur hauseigenen Nachhaltigkeitsphilosophie passt. In unserem Test grüner Fonds und ETF haben wir den Grad der Nachhaltigkeit bewertet. Von dunkelgrün bis hellgrün beziehungsweise streng bis lax ist alles dabei.
Expertise für die Qualitätssicherung
Vor allem die strengen Fonds zeichnen sich häufig auch dadurch aus, dass sie sich bei ihrem Auswahlprozess von unabhängigen Experten beraten lassen: einem Nachhaltigkeitsbeirat, Anlagebeirat oder Anlageausschuss. Bei GLS zum Beispiel sitzen unter anderem eine Biologin, ein Chemiker und ein Verfahrenstechniker im Ausschuss. Bei Ökoworld gehören ihm etwa Experten zu Klima, Lieferketten im internationalen Handel, Ernährung oder Medizinethik an. Bei Steyler und terrAssisi sind auch Theologen dabei. Sie sprechen und entscheiden darüber, ob ein Unternehmen für den Fonds investierbar ist. Aus unserer Sicht helfen diese Gremien, die Nachhaltigkeitsqualität der Fonds zu sichern. Das bewerten wir positiv in unserer Finanztest-Nachhaltigkeitsbewertung.
Wie Nachhaltigkeitsbeiräte arbeiten
Der Auswahlprozess von nachhaltigen Aktien erfolgt in mehreren Stufen. Bei der GLS Bank etwa sortiert das GLS-Nachhaltigkeitsresearch aus einem Ideenpool die zur Anlagephilosophie der Bank passenden Unternehmen aus. Bevor sich das Management des GLS Bank Aktienfonds die wirtschaftlich aussichtsreichsten Titel aussuchen kann, kommt der Anlageausschuss ins Spiel. Die Experten diskutieren jedes einzelne Wertpapier und entscheiden, ob es gekauft werden darf oder nicht. „Wir sind offen für Vorschläge“, sagt Caroline Kremer vom GLS-Anlageausschuss, „und gehen mehrfacher Kritik, etwa von Anlegern, auch nach“.
Ähnlich ist das Verfahren beim Ökoworld Ökovision Classic. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Unternehmen perfekt seien, „aber unterm Strich muss es stimmen und sie müssen auf dem richtigen Weg sein“, schreibt der Ausschuss in seiner Imagebroschüre.
Die Ausschüsse treffen sich mehrmals jährlich und nehmen auch Kontakt mit den Unternehmen auf – wenn etwa Kontroversen zu klären sind.
Beiräte mit Mitspracherechten sowohl bei der Titelauswahl als auch dem Nachhaltigkeitsansatz sind außer bei GLS und Ökoworld noch bei einigen anderen weltweit anlegenden Aktienfonds tätig – unter anderem beim terrAssisi Aktien, dem Steyler Fair Invest und dem Acatis Fair Value Aktien Global. Die Fonds weisen einen hohen bis sehr hohen Grad der Nachhaltigkeit auf.
Unabhängig, auch wenn der Fonds nicht so gut performt
Die Ausschüsse sind unabhängig und treffen ihre Entscheidungen eigenständig – und zwar auch dann, wenn es wirtschaftlich mal nicht so gut läuft. Der GLS Bank Aktienfonds beispielsweise weist derzeit eine Fünfjahresrendite von 3,9 Prozent pro Jahr auf (Stand 31. Oktober 2023). Im Vergleich mit dem MSCI World ist das wenig: Der Index hat im selben Zeitraum mehr als 10 Prozent pro Jahr erzielt. Auch andere nachhaltige Fonds performen besser. Trotzdem: „Wir müssen keine Kompromisse machen“, sagt Caroline Kremer. „Wir werden weder dazu gedrängt, bestimmte Unternehmen zu behalten, noch dazu, andere neu aufnehmen zu müssen.“ In den Sitzungen des Anlageausschusses sei die Wertentwicklung des Fonds kein Thema, da gehe es nur um die nachhaltigen Aspekte.
Der Ökovision Classic hat zuletzt sogar nur eine Fünfjahresrendite von 0,7 Prozent pro Jahr erzielt. Wir wollten wissen, ob es Druck vom Fondsmanagement gibt, nach anderen Investitionsmöglichkeiten zu suchen. Andreas Kraemer, Co-Vorsitzender des Anlageausschusses, sagt: „Wir – der Anlageausschuss, das Fondsmanagement und das Nachhaltigkeitsresearch – suchen im Grunde immer und ständig nach neuen Unternehmen.“ Das könnten junge Firmen sein, die nun für ein Investment interessant geworden seien, spezialisierte Unternehmen, die von größeren Mischkonzernen abgespalten werden, oder etwa Unternehmen, die sich neu oder stärker auf Nachhaltigkeit orientierten. Auf jeder Sitzung gebe es solche Updates und neue Vorlagen. „Da braucht es und da gibt es keinen Druck von Fondsmanagement oder anderer Seite,“ sagt Kraemer. Sie gingen davon aus, dass sie mit ihren nachhaltigen Kriterien diejenigen Unternehmen identifizierten, die auf lange Sicht zu den Gewinnern gehörten.
Auch mit aktuellen Ereignissen wie dem gerade beendeten Klimagipfel beschäftigt sich das Gremium. „Die Ergebnisse der Klima-COP28 in Dubai werden wir auf der nächsten Sitzung auswerten“, ergänzt Kraemer, „wahrscheinlich zusammen mit einer Betrachtung der Energiestatistik für Deutschland für das Jahr 2023.“
{{data.error}}
{{col.comment.i}} {{comment.i}} |
---|
{{col.comment.i}} {{comment.i}} |
---|
- {{item.i}}
- {{item.text}}
Experten mit eingeschränkten Mitspracherechten
Nicht immer darf der Beirat mitbestimmen. Einige Beiräte haben zum Beispiel nur Mitspracherechte bei der Festlegung des Nachhaltigkeitsansatzes, nicht aber bei der Auswahl der Unternehmen. Das ist zum Beispiel bei den Weltfonds Erste Responsible Stock Global und Erste Responsible Stock Dividend der Fall, außerdem beim Swisscanto Equity Sustainable sowie den drei Fonds von J. Safra Sarasin, JSS Sustainable Equity Global Climate 2035, JSS Sustainable Equity Global Thematic und JSS Global Dividend.
Beim Bethmann Aktien Nachhaltigkeit ist es umgekehrt. Hier kann der Beirat bei der Titelauswahl mitbestimmen, nicht aber bei der Festlegung des Nachhaltigkeitsansatzes.
Wenn es zwar einen Beirat gibt, er aber keine Mitspracherechte hat, dann werten wir das so, als gäbe es gar keinen Beirat. Das ist zum Beispiel beim Kepler Ethik Quality Aktien, beim Kepler Growth Aktienfonds und beim Gutmann Aktien Nachhaltigkeit der Fall.
Beirat bei Global Challenges Index involviert
In unserer Untersuchung haben wir keinen einzigen ETF gefunden, der mit einem Nachhaltigkeitsbeirat arbeitet. Der einzige Index mit Beirat ist der Global Challenges Index (GCX), der von der Börse Hannover herausgegeben und mithilfe der Ratingagentur ISS ESG zusammengestellt wird. Er zählt sieben Mitglieder, darunter auch ein Vertreter des WWF Deutschland. Das Gremium unterstützt die Börse Hannover und ISS ESG sowohl bei der Konzeption des Index als auch bei der konkreten Zusammenstellung. Der GCX ist Basis mehrerer Fonds: Zum einen wird er vom Bantleon Global Challenges Index abgebildet. Dieser ist aber kein ETF, sondern ein mit fünf Nachhaltigkeitspunkten bewerteter Indexfonds. Zum anderen ist er Grundlage für die aktiv gemanagten Fonds Superior 6 Global Challenges und IPConcept Prima Global Challenges.
Tipp: Sie können die Nachhaltigkeitsbewertungen von aktiv gemanagten Fonds und ETF aus den Gruppen Aktienfonds Welt, Europa, Schwellenländer und Deutschland in unserem großen Test Ethisch und erfolgreich anlegen abrufen. In einer aktuellen PDF-Datei finden Sie mehr als 100 Fonds und ETF mit einem Update der Finanztest-Bewertung des Anlageerfolgs.
-
- Auf Diversität und Geschlechtergerechtigkeit setzen viele Fonds, die auf Nachhaltigkeit spezialisiert sind. Stiftung Warentest hat einige davon unter die Lupe genommen.
-
- Viele Anlegerinnen und Anleger haben Post von ihrem Fondsanbieter bekommen: Ihr Nachhaltigkeitsfonds wird neu klassifiziert. Wir erklären, was das bedeutet.
-
- Eine der dunklen Seite der Ukraine-Krise: Der Ölpreis und die Aktienkurse von Waffenherstellern haben deutlich zugelegt. Wir analysieren die Einzelbranchen.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.