Ein ICE der Deutschen Bahn fährt am Morgen vor der Dresdner Altstadtkulisse über die Marienbrücke.

DB-Sparte soll mehr für Trassen zahlen Bald weniger Fernzüge der Deutschen Bahn?

Stand: 26.06.2024 18:21 Uhr

Auf Bahnreisende könnten höhere Ticketpreise zukommen - bei einem geringeren Angebot. Grund sind die steigenden Kosten für die Nutzung der Schienen. Offenbar gibt es bereits eine Streichliste mit Verbindungen, die wegfallen könnten.

Im Fernverkehr der Deutschen Bahn drohen wegen stark steigender Trassenpreise teurere Tickets und weniger Verbindungen. Nach derzeitigem Stand sollen für Fernzüge ab Jahresende 17,7 Prozent mehr für die Nutzung des Schienennetzes fällig werden. Werde dies direkt an die DB-Tochter weitergegeben, seien "Angebotsreduktionen und auch eine Erhöhung der Ticketpreise unumgänglich", teilte der Konzern als Reaktion auf einen Bericht des Magazins Spiegel mit. In der Folge bedeute dies, "dass für die DB Fernverkehr AG schlecht ausgelastete Züge nicht mehr tragbar wären und das Angebot entsprechend reduziert werden muss".

Streichliste mit schwach ausgelasteten Verbindungen?

Laut Spiegel könnte das Angebot an Intercity-Zügen im kommenden Jahr bundesweit reduziert werden. Unter Berufung auf ein Schreiben der Deutschen Bahn an die Bundesnetzagentur meldet das Nachrichtenmagazin, besonders betroffen seien Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, wo mehrere Städte nicht mehr befahren werden könnten.

Dem Magazin zufolge stehen Fernzüge auf folgenden Strecken zur Disposition:

  • Karlsruhe - Stuttgart - Aalen - Crailsheim - Nürnberg - Leipzig (Intercity-Linie 61)
  • Gera - Weimar - Erfurt - Gotha - Kassel - Dortmund - Köln (Intercity-Linie 51)
  • Norddeich Mole - Münster - Dortmund - Siegen - Frankfurt/Main (Intercity-Linie 34)

Darüber hinaus könnte nach Informationen des Magazins auch das Angebot an ICEs nach Stralsund an der Ostsee in der Nebensaison stark reduziert werden. Die betroffenen Intercitys und ICEs gehören demnach zu den am schwächsten ausgelasteten Zügen der Deutschen Bahn.

Ein Ende der ebenfalls schwach ausgelasteten Intercity-Verbindung von Dresden nach Rostock sei offenbar durch politischen Druck gestoppt worden, hieß es weiter.

"Keine konkreten Pläne"

Die DB wies den Spiegel-Bericht zurück. Laut Bahn hat der Konzern bislang nicht entschieden, ob beziehungsweise welche Verbindungen wegfallen. "Es gibt aktuell keine konkreten Pläne zur Streichung der genannten Fernverkehrsverbindungen", sagte Personenfernverkehrs-Vorstand Michael Peterson laut einer Mitteilung. "Wir haben im April unsere Planungen für den Fahrplan 2025 abgeschlossen. Dieser Fahrplan sieht derzeit keine der genannten Angebotskürzungen vor." Allerdings sei man wegen der steigenden Trassenpreise gezwungen, "den Umfang unseres Fahrplanangebotes bundesweit zu überprüfen".

Das Bundesverkehrsministerium dementierte ebenfalls Streckenstreichungen: "Uns liegen auch keine konkreten Informationen zu etwaigen Ausdünnungen auf bestimmten Strecken vor", sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Der Bund als Eigentümer der Bahn habe ein Interesse daran, "dass der Schienenpersonenverkehr in ganz Deutschland reibungslos erfolgt, und dazu gehört eben auch, dass keine Region abgehängt wird". Das sei der Bahn auch klar kommuniziert worden.

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte die möglichen Streichungen. "Man kann den Fernverkehr nicht einfach einstellen und die Leute mit dem Nahverkehr zur nächsten Stadt bummeln lassen", sagte Bundesvorsitzender Detlef Neuß tagesschau.de. Wenn sich das Ganze wirtschaftlich nicht rechne, müsse mehr Geld vom Staat dazugegeben werden - es gehe um die Daseinsvorsorge. "Wir brauchen ein ausreichendes Angebot in der Fläche."

Mehrkosten durch höhere Zinsen?

Grund für die drohenden Streichungen ist laut Spiegel die geplante Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn. Das Eigenkapital beschreibt grundsätzlich alle finanziellen Mittel eines Unternehmens, die den Eigentümern im Gegensatz zum Fremdkapital selbst gehören - im Fall der Deutschen Bahn also dem Staat. Die Bundesregierung will das Eigenkapital in den kommenden Jahren um bis zu 20 Milliarden Euro aufstocken, um das marode Schienennetz zu erneuern. Der Vorteil dabei: Eine Eigenkapitalerhöhung ist eine sogenannte Bilanzverlängerung und fällt damit nicht unter die viel zitierte Schuldenbremse.

Allerdings bedeutet die Erhöhung höhere Zinsen für den Konzern, die die DB-Infrastrukturgesellschaft InfraGo zahlen muss. Diese rechnet dadurch allein für das Jahr 2026 mit knapp einer Milliarde Euro unerwarteter Mehrkosten, wie die "Süddeutsche Zeitung" Ende Mai unter Berufung auf einen Briefwechsel der Bahntochter mit der Bundesnetzagentur berichtete. Das Geld hole sich InfraGo über die Trassenentgelte zurück, die alle Unternehmen für die Nutzung der Infrastruktur zahlen müssen - inklusive der Deutschen Bahn selbst.

Die Bundesnetzagentur genehmigte kürzlich eine deutliche Erhöhung der Trassenpreise für 2025 - im Durchschnitt um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aufgrund einer gesetzlichen Regelung darf der Regionalverkehr nicht so stark belastet werden - daher werden die Erhöhungen vor allem auf den Fern- und den Güterverkehr umgelegt. Für 2025 erhöhen sich die Trassenpreise für den Fernverkehr nach aktuellem Stand um 17,7 Prozent.

Bund fördert Trassenpreise erheblich weniger

Die Erhöhung der Trassenentgelte im angekündigten Umfang stelle "die DB Fernverkehr AG vor erhebliche Herausforderungen" und könne "angesichts der derzeit herausfordernden wirtschaftlichen Lage nicht kompensiert werden", hieß es in der heutigen DB-Mitteilung. Auch andere Bahnbetreiber hatten zuletzt darüber geklagt und teils Klage eingereicht - vor allem aus dem Güterverkehr. Vor einem "toxischen Mix" warnte Clemens Först, der Vorstandssprecher der Rail Cargo Group. Zur maroden Infrastruktur und den vielen Baustellen komme jetzt auch noch eine massive Kostensteigerung hinzu. "Das bedeutet eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße", so Först.

Schon vor dieser Preiserhöhung waren die Kosten gestiegen, weil die staatliche Trassenpreisförderung durch den Bund Ende vergangenen Jahres von 350 Millionen auf 180 Millionen Euro gekürzt wurde. Zusammen mit der geplanten Erhöhung der Trassenpreise verdoppeln sich dadurch fast die Kosten. Für Peter Westenberger vom Netzwerk Bahn e.V. sind da die Folgen absehbar: "Die Lkw werden in Zukunft mehr Verkehrslast übernehmen."

Auch Pro Bahn spricht sich gegen eine Erhöhung der Trassenentgelte aus. "In Zeiten der Verkehrswende ist das nicht nachvollziehbar", sagte Bundesvorsitzender Neuß. Insbesondere für die Bahnbetreiber, die nicht Teil des Bahn-Konzerns sind, sei das problematisch. "Für die Bahn ist es eigentlich linke Tasche, rechte Tasche." Alternativ fordert Neuß eine höhere Gegenfinanzierung der Infrastruktur durch den Staat. "Wenn die Bahn mehr Geld bekommt, kann man auf eine Erhöhung der Trassenentgelte verzichten." Allerdings müsse der Bund dem Konzern "kompetent auf die Finger schauen", wenn es so komme.

DB braucht laut Pro Bahn viel mehr Geld für Infrastruktur

Tatsächlich ist genau das ein Kritikpunkt an einer höheren Eigenkapitalvergabe. Die Befürchtung: Falls das Geld kommt, kann es die Bahn nach eigenen Interessen ausgeben. Nach DB-Angaben sind mit dem Bundeshaushalt 2024, dem aktuellen Finanzplan bis 2027 und dem DB-Eigenbeitrag für den Zeitraum von 2024 bis 2027 insgesamt Zusatzmittel von etwa 27 Milliarden Euro vorgesehen.

Der identifizierte zusätzliche Finanzierungsbedarf für die Schiene bis 2027 betrage allerdings insgesamt 45 Milliarden Euro. Auch für Pro Bahn ist die Summe "viel zu gering". "Über die kommenden Jahre wären nach unserer Schätzung eher 60 bis 90 Milliarden Euro nötig, um das Schiennetz zu erneuern", so Neuß.

Darüber hinaus soll nun zudem eine weitere Milliarde Euro aus dem eigentlich für die Bahn vorgesehenen Etat in den Erhalt und die Sanierung der maroden Autobahnen sowie Brücken verlagert werden. Mit dem Geld will Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) das Haushaltsloch bei der Autobahn GmbH stopfen,  heißt es aus verschiedenen Kreisen.

Mit Informationen von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

In einer ersten Version dieses Textes stand, die Intercity-Linie 56 von Norddeich Mole nach Leipzig sei betroffen. Richtig ist aber, dass es um die Intercity-Linie 34 von Norddeich Mole nach Frankfurt/Main geht. Dies beruhte auf der ursprünglichen Spiegel-Berichterstattung, die das Magazin inzwischen korrigiert hat.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb24 am 26. Juni 2024 um 15:28 Uhr.