Rezeption einer Arztpraxis auf Amrum
mittendrin

Medizinische Versorgung Der Ärztemangel auf Amrum spitzt sich zu

Stand: 27.03.2024 11:07 Uhr

Die Lage der ärztlichen Versorgung auf der Nordseeinsel Amrum spitzt sich zu. Es mangelt an fast allen Fachrichtungen. Eine mögliche Lösung könnte ein medizinisches Versorgungszentrum sein. Doch noch sind viele Fragen offen.

Von Lilli Michaelsen, NDR

"Seit über zwei Jahren versuche ich, eine Nachfolge für meine Praxis zu finden - bisher leider ohne Erfolg", sagt Claudia Derichs. Ähnlich wie in den ländlichen Räumen auf dem Festland ist es auch für die Allgemeinmedizinerin auf Amrum fast unmöglich, ihre freie Hausarztstelle neu zu besetzen.

Ihre Praxis ist für rund 2.000 Insulanerinnen und Insulaner zuständig. Dazu kommen in der Urlaubssaison mehr als 10.000 Gäste.

Keine Facharztpraxen auf der Insel

Anders als auf den Nachbarinseln Föhr oder Sylt und auf dem Festland hat Amrum keine Facharztpraxen. Es fehlt außerdem an wichtigen Geräten zur Diagnostik, wie zum Beispiel Röntgen oder einem Labor. Häufig müssen die Amrumer daher zur Weiterbehandlung auf das Festland fahren.

"Da muss man sich häufig extra einen Tag Urlaub nehmen für eine zehnminütige Behandlung", erzählt eine Patientin von Claudia Derichs während der Sprechstunde.

Bereitschaft rund um die Uhr

Im Notfall werden die Menschen in das nächste Krankenhaus auf das Festland geflogen. Amrum hat kein Krankenhaus. Die Praxis von Claudia Derichs ist daher auch rund um die Uhr für die Bereitschaftsdienste im Notfall zuständig. Auch an Wochenenden und an Feiertagen.

"Kleinere Platzwunden, die normalerweise im Krankenhaus behandelt werden, kommen dann zu uns. Darum kümmern wir uns hier", erzählt die Medizinerin. Unterstützung bekommt die 58-Jährige von einem angestellten Arzt. "Teilweise muss ich sogar als Tierärztin einspringen", erzählt sie.

Die Zeit drängt auf Amrum

Um einen Großteil der medizinischen Versorgung auf der Insel nicht mehr alleine schultern zu müssen, setzt sich Claudia Derichs für ein ärztliches Versorgungszentrum ein. "Viele Ärzte wollen heute diese große Verantwortung nicht mehr tragen und lieber mit reduzierter Stundenzahl Zeit für andere Dinge haben", so Derichs. Dieser Entwicklung müsse man auch auf der Insel Rechnung tragen.

Bereits im kommenden Jahr plant die Hausärztin, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. "Ich kann mit fast 60 Jahren nicht mehr jede zweite Nacht Bereitschaftsdienst machen. Das empfinde ich langsam als Zumutung und ich möchte diese Verantwortung loswerden, dass ich dafür allein zuständig bin", erzählt sie.

Inselgemeinden arbeiten an Versorgungszentrum

Die drei Inselgemeinden auf Amrum arbeiten gemeinsam mit Claudia Derichs und der Kassenärztlichen Vereinigung an einer Lösung für die Insel. Eine Herausforderung werde es sein, genug Wohnraum für die Angestellten zu finden, sagt Christian Stemmer, Amtsdirektor von Föhr und Amrum.

Außerdem ist aktuell noch nicht klar, wer das ärztliche Versorgungszentrum als kommunaler Träger auf der Insel übernimmt und wie es finanziert werden soll. Bis Ende Mai wollen die Gemeinden auf Amrum diese Fragen beantworten.