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Die künftige Finanzierung der Kirchen: Zwischen Spenden und Staatsfinanzierung

Foto: Patrick Seeger / DPA

Debatte über die Kirchensteuer Vergelt's Gott

Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt, und absehbar dürften auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer einbrechen. Längst diskutieren Experten über Alternativen - vom Spendenmodell bis zur Pflichtabgabe für alle.

Der Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame war noch nicht vollständig gelöscht, schon versprachen zahlreiche reiche Unternehmer, Hunderte Millionen Euro für den Wiederaufbau bereitzustellen.

In Frankreich hat diese Art der Finanzierung in der Kirche System: Sie besteht vor allem aus Spenden. In Deutschland dagegen erhalten die Religionsgemeinschaften Kirchensteuern, eine Art Mitgliedsbeitrag.

Doch dieses System bröckelt. Der katholische Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke forderte zuletzt etwa alternative Finanzierungsmodelle, wenn mit den Babyboomern eine zahlungskräftige Generation von Gläubigen in Rente geht. "Spätestens in zehn Jahren werden die Kirchensteuereinnahmen einbrechen", prognostizierte der Ordensmann in einem Interview mit der "Augsburger Allgemeinen". Wie also kann sie aussehen, die Finanzierung der Kirche der Zukunft?

Die Ausgangslage

Die Kirchensteuer ist zwar nicht die einzige, aber die wichtigste Einnahmequelle der Kirchen. Aktuell bekommen sie dadurch so viel Geld in die Kassen wie nie. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dürfte sich diese Entwicklung auch noch ein paar Jahre fortsetzen. Grund dafür sind demnach die gute Arbeitsmarktlage in Deutschland und der progressive Einkommensteuertarif. Denn die Kirchensteuer bemisst sich an der Einkommensteuer. Neun Prozent davon fließen als Mitgliedsbeitrag an die Kirchen, in Bayern und Baden-Württemberg sind es acht Prozent.

Diese Beträge sind für die Kirchen in Deutschland die wichtigste Einnahmequelle - insgesamt machen sie rund zwölf Milliarden Euro aus. Der Staat behält für die Kosten der Erhebung durch die Finanzämter etwa drei Prozent ein, also derzeit knapp 400 Millionen Euro. Allerdings bezuschusst der Staat die Kirchen auch kräftig: 2018 mit rund 520 Millionen Euro an Staatsleistungen. Dieses Geld ist umstritten, weil es immer noch als Ausgleich für längst vergangene Enteignungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts fließt - und weil es unter anderem für die Gehälter der Bischöfe verwendet wird.

Das erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte deutsche System des Kirchensteuereinzugs durch den Staat könnte sich im Vergleich dazu weniger beständig zeigen: Denn die Zahl der Mitglieder fällt kontinuierlich. Bei der katholischen Kirche ging sie 2017 um 1,14 Prozent auf aktuell 23,3 Millionen zurück. Bei den evangelischen Kirchen waren die Verluste noch stärker: Ihre Mitgliederzahl sank um 1,77 Prozent auf 21,5 Millionen. Liefe der Arbeitsmarkt nicht so gut wie aktuell, würden die Einnahmen aus der Kirchensteuer deshalb längst kräftig sinken. Hinzu kommt: Gerade viele Jüngere leben ohne Bezug zum Glauben, da ist die Schwelle für einen Kirchenaustritt nicht besonders hoch.

Die finanzielle Zukunft der Kirchen erscheint also nicht gerade rosig. Offizielle Prognosen über die Entwicklung der Kirchensteuer gibt die katholische Deutsche Bischofskonferenz bislang keine ab. Vielerorts wird aber bereits fest mit einem Rückgang gerechnet, das Bistum Münster  spricht auf seiner Homepage von mehr als 30 Prozent Minus in den kommenden zwei Jahrzehnten.

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Die künftige Finanzierung der Kirchen: Zwischen Spenden und Staatsfinanzierung

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Auf sinkende Einnahmen und immer weniger Gläubige reagiert die Kirche längst. Im Erzbistum Freiburg sorgten jüngst Bestrebungen für Schlagzeilen, die rund tausend Seelsorgeeinheiten zu etwa 40 zu fusionieren . Im Bistum Trier sollen aus 900 künftig nur noch 35 Einheiten werden - bei mehr als einer Million Katholiken.

Doch sparen allein dürfte nicht reichen. Die Kirchen in Deutschland müssen sich fragen, ob sie künftig auch auf der Einnahmenseite etwas ändern und das bisherige System der Kirchensteuer überdenken wollen.

Alternativen zur bisherigen Kirchensteuer

  • Das Spendenmodell: Taugt das, was nach der Brandkatastrophe bei Notre-Dame zu gelingen scheint, für die Finanzierung des Alltags der Kirchen in Deutschland? "Der Aspekt der Freiwilligkeit ist sehr charmant", sagt der Münchner Kirchenjurist Stephan Haering dem SPIEGEL. "Es gibt keine konkrete Verpflichtung und keine konkrete Summe, die man der Kirche geben muss, sondern nur eine abstrakte Verpflichtung der Gläubigen." Doch der Benediktinerpater warnt: Es könnte eine Abhängigkeit von bestimmten Spendern entstehen, oder vermögende Gläubige könnten womöglich nur attraktive Dinge fördern, die sich auch gut vermarkten lassen. "Andere Dinge, die auch wichtig sind, sich aber nicht so gut darstellen lassen, könnten womöglich vernachlässigt werden" - wie etwa die Unterstützung von Kitas, Krankenhäusern, Armenspeisungen und Altersheimen.

  • Die Staatsfinanzierung: Seit Monaten wirbt der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow für eine Kultursteuer für alle - statt einer Kirchensteuer nur für Kirchenmitglieder. Mit der Kultursteuer würde jeder einen gleich hohen Anteil zahlen und könnte selbst festlegen, wer das Geld erhält, so der Linkenpolitiker und bekennende Christ. Auch in der Debatte über eine Moscheesteuer für Muslime verwies er kürzlich auf dieses System, das so ähnlich auch in Italien gilt. Dort stehen den Bürgern Dutzende Empfangsberechtigte zur Auswahl. Der Vorteil: Man kann sich einer Zahlung anders als bei den fälschlicherweise Kirchensteuer genannten Mitgliedsbeiträgen nicht einfach durch Austritt entziehen.


    Doch Kirchenrechtler Haering sieht auch dieses Modell kritisch. Denn dadurch, dass das Geld tatsächlich aus einer (gewidmeten) Steuer stamme, bestehe grundsätzlich auch die Gefahr der Einflussnahme des Staates auf den Klerus- wie etwa während des Kalten Krieges in der damaligen Tschechoslowakei. "Es ist dem Grunde nach eine Staatsfinanzierung", sagt Haering, zumal es bei der Bemessung der Zuwendungen in Italien nicht darauf ankomme, ob jemand die Kultursteuer aus einem Millionärseinkommen umwidme oder aus einem Hilfsarbeitergehalt. Jede Stimme zählt gleich viel.
  • Das Beitragssystem: Haering fordert stattdessen eine Weiterentwicklung des bestehenden Beitragssystems als dominierender Komponente der Kirchenfinanzierung. "Mir ist wichtig, dass die Gläubigen die Kirche tragen", sagt er trotz der Gefahr, dass diese Pflicht den ein oder anderen aus der Kirche treibt. Um Frust zu verhindern, möchte Haering, dass die Kirchenmitglieder mitbestimmen können, wofür ihr Geld ausgegeben wird. Daher sollen Spenden der Gläubigen an selbst ausgesuchte kirchliche Initiativen auf die Kirchensteuer angerechnet werden können. "Wettbewerb belebt das Geschäft", sagt Haering. Dass wie beim Spendenmodell auch hier Ungerechtigkeiten entstehen könnten, weil der eine Pfarrer sich besser präsentieren kann als der andere, glaubt er aber nicht. Schließlich dürften "mit Blick auf die menschliche Bequemlichkeit" längst nicht alle von dieser Wahl Gebrauch machen wollen. Doch ob mit oder ohne diese Option: Durch die Bemessung an der Einkommensteuer sind die Kirchen bei diesem Beitragsmodell auch Teil politisch motivierter Steuererhöhungen und -Senkungen.

Die Haltung der Kirchen

In den Kirchen gibt man sich in der Debatte bislang noch ziemlich zugeknöpft. "Die Ausstrahlungskraft der Kirche hängt nie an einem bestimmten Finanzierungssystem", teilt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, auf SPIEGEL-Anfrage mit. Er verweist auf die historische Entstehung des gewachsenen Beitragssystems und darauf, "wie viel Segensreiches damit geschieht".

Auf katholischer Seite heißt es aus dem Bistum Eichstätt, dessen Bischof Hanke die Debatte jüngst wieder befeuerte, es solle ein Denk- und Diskussionsprozess angestoßen werden. "Es geht dabei nicht um eine sofortige Abschaffung der Kirchensteuer, da sie aktuell das bewährte Modell zur Kirchenfinanzierung darstellt." Es müsse aber darüber nachgedacht werden, wie die Kirche ihre vielfältigen Aufgaben künftig weiter finanzieren könne.

Das Bistum sieht die Deutsche Bischofskonferenz in der Pflicht, Lösungsansätze zu entwickeln. Die Bistümer Köln und München-Freising wiederum lehnen eine Äußerung zu Alternativen aktuell noch ab. Das Erzbistum Berlin teilt lediglich mit, wie in anderen Bereichen auch an einem abgestimmten Vorgehen mit den anderen Bistümern interessiert zu sein. Aus dem Erzbistum Hamburg heißt es, man setze auch langfristig auf die Kirchensteuer. Zusätzlich kämen für außergewöhnliche Projekte oder Aufgaben Fundraising-Instrumente zum Einsatz. Und auch aus dem Sekretariat der Bischofskonferenz in Bonn verlautet es knapp, man halte das jetzige System für sinnvoll.

Dabei ist die Frage der Kirchenfinanzierung für viele Bistümer "ein großes Thema", wie etwa das Ordinariat in Passau mitteilt. Doch auch dort seien aktuell keine Einzelgänge geplant. "Vielmehr ist es unser großes Anliegen, wieder mit den Kirchenfernen in Kontakt zu kommen."

Wie geht es weiter?

Klar ist: Solange die Kirchensteuereinnahmen hoch sind, dürften sich die Kirchen schwertun, dieses System anzutasten. Doch da sie insgesamt mit sinkenden Einnahmen rechnen müssen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, sich mit der Finanzierung in Zukunft zu beschäftigen. Künftig wird sich die Kirche mit ihrem Milliardenvermögen wohl auch von Dingen trennen müssen. Es gibt jedoch Bereiche, so Kirchenjurist Stephan Haering, da dürfe nicht gekürzt werden: "Die frohe Botschaft zu verkünden und wachsen zu wollen". Denn die Kirche dürfe nicht zur "Religionsagentur für Teilbereiche des gesellschaftlichen Lebens" werden.