Konsum nimmt immer mehr zu

Lachgas: Warum die Partydroge bei Jugendlichen so beliebt ist

Immer mehr Jugendliche konsumieren Lachgas.

Immer mehr Jugendliche konsumieren Lachgas.

Eine leere Lachgaskartusche hält der Vierjährige in der Hand. Er hat sie gefunden, lag einfach so auf der Straße herum. Was das ist, fragt er seinen Vater Felix Betzler – und der muss erst mal überlegen, wie er das am besten erklärt. „Das war schwierig“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der an der Berliner Charité die Arbeitsgruppe Recreational Drugs leitet. „Ich habe ihm erklärt, dass das gefährlich ist, weil es ein Behälter ist, der unter Druck steht und aus dem Gas kommt, und er das deswegen auf keinen Fall anfassen soll.“

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Gefahr erklärt, Gefahr gebannt – für einen Vierjährigen mag das ausreichen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen wird es schwieriger: Sie greifen gerade vermehrt zu den Lachgaskartuschen. Das Gas, das einst die Medizin revolutionierte, ist zu einer beliebten Partydroge geworden, die es selbst am Kiosk und im Snackautomaten zu kaufen gibt. Zuletzt sorgte etwa ein Automat in Gifhorn für Schlagzeilen und Unmut bei Eltern, weil darin Lachgaskartuschen zum Verkauf angeboten werden.

Doch was macht Lachgas für Jugendliche so attraktiv?

Lachgaskonsum hat sich vervielfacht

Allein in Frankfurt am Main hat etwa jeder sechste 15- bis 18-Jährige schon einmal Lachgas konsumiert. Das geht aus der aktuellen Studie „Monitoring-System Drogentrends“ hervor, die seit 2002 jedes Jahr von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Centre for Drug Research der Frankfurter Goethe-Universität erhoben wird. Darin zeigt sich auch der zunehmende Konsumtrend: Seit 2020 hat sich der Lachgaskonsum unter Jugendlichen mehr als verdoppelt.

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Das decke sich mit anderen europäischen Studien, sagt Betzler. „Man sieht tatsächlich eine Vervielfachung über die vergangenen Jahre.“ Und während der Konsum steigt, würden auch immer mehr wissenschaftliche Publikationen zu den Nebenwirkungen und langfristigen Folgen von Lachgas veröffentlicht.

Erste Lachgaspartys in England

Lachgas ist der umgangssprachliche Name für die Substanz Distickstoffmonoxid. Ein „farbloses Gas mit süßlichem Geruch“, wie es die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beschreibt, das schon seit dem 18. Jahrhundert bekannt ist. Entdeckt hatte es der Theologe und Chemiker Joseph Priestley 1772. Wenige Jahre später stellte dann der Chemiker Humphry Davy mithilfe von Selbstversuchen fest, dass das Gas auch eine schmerzlindernde Wirkung hat. Es wurde schließlich als Narkosemittel bei Zahnarztbehandlungen eingesetzt – und das wird es noch heute. Auch als Treibgas in der Industrie wird Lachgas heutzutage verwendet, etwa in Spraydosen oder für Sahnespender.

Schon im 19. Jahrhundert erkannte man jedoch, dass Lachgas noch anders eingesetzt werden kann – als Rauschmittel. In England feierte die britische Oberschicht beispielsweise Lachgaspartys – wohl aber anders als heute. Heute wird über die Kartusche meist ein Ballon gespannt, aus dem das Gas dann inhaliert wird. Die Wirkung, die das Gas entfaltet, ist aber die gleiche: ein kurzer, intensiver Rausch, der ein wohliges Wärme- und Glücksgefühl hervorruft, teilweise auch leichte akustische oder visuelle Halluzinationen. Das Gas kann zudem Lachanfälle verursachen, daher der Name Lachgas.

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Scheinbar harmlos, aber doch gefährlich

„Die Art der Wirkung scheint den Jugendlichen zu gefallen“, stellt Drogenexperte Betzler fest. Aus seiner Sicht ist das einer der Gründe, warum der Lachgaskonsum zunimmt. Der schnell eintretende Rausch, der nach kurzer Zeit wieder abklingt – und das alles auf legalen Wegen –, wirke für die Jugendlichen erst einmal harmlos. Doch der Schein trügt.

Wer regelmäßig Lachgas konsumiert, kann einen Vitamin-B12-Mangel und sogar Nervenschädigungen erleiden. Setzt man den Ballon während des Konsums nicht zwischendurch ab, kann es zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn und in den Organen kommen. „Das Inhalieren an sich wird zudem teilweise mit Tüte über dem Kopf gemacht, was die Erstickungsgefahr erhöht“, erklärt Jakob Maske, Kinder- und Jugendarzt sowie Pressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Es kann zusätzlich zu Schwindel kommen, der wiederum Stürze und somit Verletzungen nach sich ziehen kann. Auch ein Kreislaufstillstand ist nicht ausgeschlossen.

Eine körperliche Abhängigkeit von Lachgas mit Entzugserscheinungen gibt es nicht. Allerdings kann bei lang anhaltendem Konsum eine psychische Abhängigkeit entstehen. Das bedeutet, dass ein starkes Bedürfnis danach entsteht, die Substanz immer wieder zu inhalieren.

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Kinderarzt: „Eine Droge, die relativ günstig und unkompliziert zu bekommen ist“

Der zunehmende Lachgaskonsum macht sich inzwischen auch in den Kinderarztpraxen bemerkbar. „Wir sehen bei den Vorsorgeuntersuchungen, dass Lachgas durchaus ein Thema bei den Jugendlichen ist, dass sie sich damit auskennen, es sogar schon probiert haben“, sagt Maske. Neurologische Schäden seien aber noch sehr selten.

Aus Sicht des Kindermediziners wird der Lachgastrend unter anderem durch die sozialen Medien getriggert. Auf Tiktok, Instagram und Co. kursieren zahlreiche Videos, bei denen sich Menschen dabei filmen, wie sie Lachgas konsumieren. Für Kinder und Jugendliche, die viel Zeit auf diesen Plattformen verbringen, können diese Filmchen ein Anreiz zum Nachmachen sein.

Dadurch, dass die Lachgaskartuschen selbst am Kiosk und im Snackautomaten erhältlich sind, kommen die Minderjährigen ganz einfach an sie heran. Ein weiterer Grund, warum der Lachgaskonsum zunimmt. „Es ist eine Droge, die relativ günstig und unkompliziert zu bekommen ist“, sagt Maske. Das will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ändern: Er spricht sich für strengere Regeln beim Verkauf der Partydroge aus.

Wie gegen den Lachgastrend vorgehen?

Unterstützung erhält Lauterbach unter anderem von Psychiater Betzler. „So wie es aktuell geregelt ist, kann es auf keinen Fall bleiben“, sagt er. „Das war in Ordnung, solange sich der Konsum in Grenzen hielt. Aber jetzt hat es eine Dynamik angenommen, sodass man entsprechend nachregulieren muss.“ Mindestens der Verkauf an Minderjährige müsse unterbunden und der Verkauf an Erwachsene neu geregelt werden, zum Beispiel, indem er auf bestimmte Verkaufsstellen beschränkt wird.

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Lachgas per se zu verbieten, davon hält Kindermediziner Maske nichts. „Auf der einen Seite legalisieren wir Cannabis, auf der anderen verbieten wir Lachgas – das passt nicht zusammen. Es gibt fürs Lachgas auch keinen Schwarzmarkt, den man unterbinden müsste.“ Er plädiert dafür, die Kinder und Jugendlichen über die Wirkung und Risiken der Partydroge besser aufzuklären. Auch Betzler spricht sich für Aufklärungskampagnen aus.

Hier können auch die Eltern und Lehrkräfte einen wichtigen Beitrag leisten: „Es ist sinnvoll, das zu Hause und in der Schule anzusprechen, damit die Kinder und Jugendlichen wissen, was sie da tun, und nicht einfach Lachgas konsumieren, nur weil der Freund oder die Freundin es auch tut“, sagt Maske.

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