Kolumne „Gute Frage“

Gibt es im Tierreich auch Dialekte?

Schwertwale und ihre Kommunikation sind sehr gut erforscht.

Schwertwale und ihre Kommunikation sind sehr gut erforscht.

Die Sprache und die Dialekte der Schwertwale sind besonders gut erforscht. Orcas sind sehr soziale Tiere. Sie jagen gemeinsam im Familienverband und teilen ihre Beute freundschaftlich mit allen Verwandten, auch wenn diese noch zu jung oder schon zu alt für die Jagd sind. Dabei gibt es große regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Familien.

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Das fängt schon bei der Nahrung an. Vor Neuseeland fressen Orcas am liebsten Rochen oder Haie, in der Antarktis bevorzugen sie Robben und Pinguine. Auch die Jagdmethoden unterscheiden sich deutlich. Im Eismeer stoßen sie Robben von Eisschollen. Dazu schwimmen mehrere Schwertwale aufeinander zu und erzeugen eine Welle, die die Robbe ins Meer spült, direkt vor die Nase der anderen Familien­mitglieder. In Argentinien fangen Schwertwale unvorsichtige Seelöwen direkt am Strand.

Dr. Karsten Brensing hat in Kiel Meeresbiologie studiert. Später hat er in Florida und Israel die Interaktion zwischen Delfinen und Menschen erforscht und 2004 an der Freien Universität in Berlin seine Doktorarbeit abgeschlossen. Im Anschluss daran war er zehn Jahre lang Wissen­schaftlicher Leiter des Deutschland-Büros der internationalen Wal- und Delfinschutzorganisation WDC. Zuletzt erschien sein Buch „Die Magie der Gemeinschaft. Was uns mit Tieren und künstlichen Intelligenzen verbindet“.

Dr. Karsten Brensing hat in Kiel Meeresbiologie studiert. Später hat er in Florida und Israel die Interaktion zwischen Delfinen und Menschen erforscht und 2004 an der Freien Universität in Berlin seine Doktorarbeit abgeschlossen. Im Anschluss daran war er zehn Jahre lang Wissen­schaftlicher Leiter des Deutschland-Büros der internationalen Wal- und Delfinschutzorganisation WDC. Zuletzt erschien sein Buch „Die Magie der Gemeinschaft. Was uns mit Tieren und künstlichen Intelligenzen verbindet“.

Die Gruppenzugehörigkeit wird durch den eigenen Dialekt bestimmt. So macht ein Orca in Neuseeland andere Laute als einer in der Antarktis. Forscherinnen und Forscher haben bis zu 50 verschiedene Laute identifiziert, die sich miteinander kombinieren lassen und die eine Gruppe eindeutig von der anderen unterscheiden.

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Von Generation zu Generation

Wenn der eigene Dialekt innerhalb der Familie weitergegeben wird, spricht man von stimmlichem Lernen. Diese Fähigkeit wurde außer beim Menschen auch bei Singvögeln, Mäusen, Walen oder Robben nachgewiesen. Die meisten anderen Tiere verständigen sich dagegen mit angeborenen Lauten – oder salopp gesagt: Ein Hund bellt, kann aber nicht miauen lernen.

Kleine Schwertwale dagegen brabbeln anfangs wie Menschenbabys und müssen erst lernen, Klick- und Pfeiftöne sowie pulsierende Rufe zu verwenden. Die Sprache und den passenden Dialekt bringt ihnen die Mutter bei. So setzt sich die Abgrenzung zu anderen Gruppen von Generation zu Generation fort. Das geht so weit, dass selbst dann keine genetische Vermischung stattfindet, wenn eine Familie auszusterben droht und eigentlich dringend neue Geschlechtspartner bräuchte.

Diese genetische Trennung konnte bei einzelnen, eng verwandten Populationen über einen Zeitraum von mehr als 300.000 Jahren nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Schwertwale auch die Laute anderer Meeresbewohner – zum Beispiel von Delfinen – imitieren können. Auch diese Fähigkeit ist Teil des vokalen Lernens.

Neue Technologien

All diese spannenden Erkenntnisse zur Komplexität der tierischen Kommunikation verdanken wir vor allem neuen Forschungsmethoden. Früher beobachteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor allem Tiere in Gefangenschaft. Entsprechend limitiert waren die Ergebnisse, und zeitweise verließ viele sogar die Hoffnung auf neue Erkenntnisse.

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In den vergangenen zehn bis 20 Jahren hat sich das deutlich geändert. Wir können heute Tiere und damit auch ihre Kommunikation viel besser beobachten. Die Gesänge von Walen oder die Rufe der Orcas lassen sich mithilfe von Unterwasser­mikrofonen oder tragbaren Sendern sehr gut aufzeichnen. Durch zusätzliche Daten wie Bewegung oder Wassertiefe lässt sich oft sogar der Kontext der Gespräche – also Wanderung mit dem Kalb oder Jagd in der Familie – ausmachen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei auch KI‑Systeme. Diese Anwendungen helfen dabei, Muster und einzelne Töne in den gewaltigen Datenmengen auszumachen.

Wir als Meeresbiologen und ‑biologinnen können uns mit geübtem Ohr und entsprechendem Fachwissen an die Feinanalyse machen. Woran wir noch scheitern, ist die „Übersetzung“ von einzelnen Signalen oder die Suche nach der gleichen Bedeutung von Signalen in verschiedenen Dialekten. Dafür fehlt uns oft der Einblick in den Kontext oder die entsprechende Situation. Deshalb ist der Simultanübersetzer Orca – Mensch – Mensch – Orca bisher noch Zukunftsmusik.

Sie haben eine gute Frage? Schreiben Sie an magazin@rnd.de.

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