Nasa lässt Rückflugdatum offen

Gestrandet auf der ISS? Warum die „Starliner“-Mission noch nicht verloren ist

Die beiden US-Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams müssen weiter an Bord der ISS ausharren.

Die beiden US-Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams müssen weiter an Bord der ISS ausharren.

Muss Elon Musk zu Hilfe kommen? Das ist wohl das Letzte, das Konkurrent Boeing will. Doch vielleicht bleibt dem Luft- und Raumfahrttechnikhersteller nichts anderes übrig: Denn sein „Starliner“-Raumschiff steckt weiterhin an der Internationalen Raumstation ISS fest. Eigentlich hätte es längst die beiden US‑Astronauten Barry Wilmore und Suni Williams zurück zur Erde bringen sollen – doch technische Probleme verhindern das.

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Schon dreimal hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa den Rückflug verschoben. Zuletzt hatte die Behörde den 26. Juni anvisiert – doch auch daraus wurde nichts. Ein neues Datum gibt es bisher nicht. Ursprünglich vorgesehen war, dass die Astronauten nur eine Woche auf der ISS verbringen.

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Noch vor dem Start gibt es Probleme

Die „Starliner“-Mission von Boeing bleibt krisengeplagt. Der unbemannte Testflug zur ISS im Mai 2022 hatte noch funktioniert, doch beim bemannten Flug jagt nun eine Krise die nächste. Mehrmals hatten mechanische Störungen und Softwareprobleme den Start verzögert. Am 5. Juni hob dann das Raumschiff mit den beiden Astronauten an Bord erfolgreich ab. Aber der Erfolg war nur von kurzer Dauer.

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Noch vor dem Start hatten Ingenieurinnen und Ingenieure ein kleines Heliumleck am „Starliner“-Raumschiff festgestellt. Helium wird für den Antrieb der Raumkapsel benötigt. Das Leck war äußert klein, deshalb waren die Fachleute davon ausgegangen, dass es die Mission nicht beeinträchtigen würde. Doch je mehr sich „Starliner“ von der Erde entfernte, desto mehr Lecks kamen hinzu – und desto mehr Probleme.

Der Statusbericht der Nasa ist ernüchternd: Insgesamt fünf Heliumlecks weist „Starliner“ mittlerweile auf. Zudem sind fünf der 28 Manövriertriebwerke ausgefallen, die nötig sind, um die Raumkapsel von der ISS wegzubewegen und sie für den Eintritt in die Erdatmosphäre in Position zu bringen. Auch ein Treibstoffventil lässt sich nicht mehr vollständig schließen. Die Rückkehr zur Erde ist unter diesen Umständen riskant.

Das Boeing-Raumschiff „Starliner“ kämpft mit mehreren technischen Problemen.

Das Boeing-Raumschiff „Starliner“ kämpft mit mehreren technischen Problemen.

Bodenteams analysieren Daten

„Unser Ziel ist es, Butch und Suni an Bord des Boeing-Raumschiffs nach Hause zu bringen“, stellte Ken Bowersox, stellvertretender Verwalter des Space Operations Mission Directorate der Nasa, klar, „und wir arbeiten daran, zu bestätigen, dass ‚Starliner‘ wie vorgesehen funktionieren wird, um sie sicher zur Erde zurückzubringen.“

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Alles hängt jetzt von den Teams am Boden ab. Sie prüfen zurzeit die Daten zu den Antriebsproblemen, führen Simulationen und Bodentests durch und gucken, ob die Probleme nicht zum Beispiel durch Softwareupdates behoben werden können. „Wir befinden uns noch mitten in einer Testmission und wollen mehr Zeit mit den Daten verbringen, bevor wir die endgültige Entscheidung treffen, die Besatzung für die Rückkehr an Bord des Raumschiffs zu bringen“, sagte Bowersox.

Die jüngsten Testzündungen der Triebwerke, während der „Starliner“ an der ISS angedockt blieb, hätten den Missionsteams Vertrauen in eine sichere Rückkehr gegeben, erklärte die Nasa. Bis zu 45 Tage könne das Raumschiff an der Raumstation angedockt bleiben – so lange sind die Batterien von „Starliner“ zertifiziert. Die Weltraumbehörde behält sich jedoch vor, die Aufenthaltsdauer bei Bedarf noch einmal zu verlängern. Sollten neue Probleme auftreten oder die bisherigen nicht rechtzeitig behoben werden, könnte das Raumschiff bis zu 72 Tage angedockt bleiben und sich dabei auf verschiedene Backup-Systeme verlassen, sagte ein Insider gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

„Starliner“ dockt an Raumstation ISS an

Wegen technischer Probleme war der Start mehrfach verschoben worden – doch diesmal ging alles gut.

Experte: „Bei neuen Raumfahrzeugen muss man mit dem Unerwarteten rechnen“

Nicht nur steht die Frage im Raum, wann und wie Wilmore und Williams zur Erde zurückkehren. Sondern auch: Wie konnte es überhaupt zu der Pannenserie, die ihren Rückflug verzögert, kommen?

Es wäre besser gewesen, die Ursache des auf der Erde festgestellten Heliumlecks sofort zu untersuchen, meinte Adam Baker. Er ist Leiter von Rocket Engineering, einem auf Raketenantriebssysteme spezialisierten britischen Unternehmen. „Ich habe das Gefühl, dass sie die Verschlimmerung des Lecks nach dem Start nicht ausreichend berücksichtigt haben. Das ist etwas, was die Nasa und Boeing wahrscheinlich hätten tun müssen“, sagte er der BBC. Das hätte jedoch zusätzliche Kosten bedeutet; denn die Rakete hätte von der Startrampe genommen und das Antriebssystem ausgebaut werden müssen. Dabei hat Boeing das Budget für die Mission längst um mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar überschritten.

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„Bei neuen Raumfahrzeugen muss man mit dem Unerwarteten rechnen“, sagte Baker. Die nun festgestellten technischen Probleme seien „ein völlig zu erwartendes Hindernis“. „Ich glaube nicht, dass es ein großes Problem ist, außer dass es vor dem nächsten bemannten Flug analysiert und behoben werden muss.“

Neben der eigentlichen Ursache muss die Nasa auch herausfinden, warum diese Probleme nicht schon beim unbemannten Testflug vor zwei Jahren aufgetreten sind. „Die Probleme, die wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, sind nicht von der Art, wie wir sie in diesem Stadium des Entwicklungsprogramms für ‚Starliner‘ erwartet hätten“, sagte Weltraumwissenschaftler Simeon Barber von der Open University dem britischen Radio- und Fernsehsender.

Kann Boeing wirklich für SpaceX zur Konkurrenz werden?

Dass „Starliner“ an der ISS gestrandet sei, weist die Nasa vehement zurück. Im Notfall sei das Raumschiff immer noch in der Lage, die beiden Astronauten zur Erde zu fliegen. Für den siebenstündigen Rückflug sei noch genügend Treibstoff im Tank. Auch die Hilfe von SpaceX, Elon Musks Raumfahrtunternehmen, steht für die Behörde derzeit außer Frage.

Messen lassen müssen wird sich Boeings „Starliner“-Mission mit SpaceX aber schon. Schließlich will Boeing SpaceX in Zukunft Konkurrenz machen, wenn es darum geht, Astronauten zur ISS zu fliegen. Daran hat auch die Nasa Interesse, denn sie will ein Alternativ-Raumfahrzeug haben und nicht mehr nur von Elon Musk abhängig sein. Boeing wiederum will sich als verlässlicher Partner hervortun und einen neuen Geschäftszweig erschließen: Denn jeden Flug im „Starliner“-Raumschiff müsste die Weltraumbehörde künftig bezahlen.

Der bemannte „Starliner“-Flug zur ISS ist notwendig, damit sich Boeing langfristig als Nasa-Partner etablieren kann. Nur wenn er gelingt, wird die Weltraumbehörde „Starliner“ für regelmäßige Missionen zur Raumstation zertifizieren. Nach der jetzigen Pannenserie ist das jedoch fraglich. Sollte sich die Zertifikation verzögern, wäre das ein weiterer Imageschaden für Boeing. Der Ruf des Unternehmens hat in den vergangenen Monaten ohnehin stark gelitten, nicht zuletzt wegen Problemen mit den Passagierflugzeugen.

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Für viele Kritikerinnen und Kritiker ist die „Starliner“-Mission schon jetzt gescheitert. Es sei „schmerzhaft“ zu lesen, welche negativen Dinge über die Mission geschrieben würden, sagte Boeing-Vizechef Mark Nappi. Er selbst kann die Kritik nicht nachvollziehen: „Wir haben einen sehr guten Testflug gehabt, der bislang erfolgreich ist, und er wird eher negativ betrachtet“, moniert er. Falsch liegt er damit nicht: Schließlich ist es „Starliner“ gelungen – allen Problemen zum Trotz –, die beiden Astronauten Wilmore und Williams unbeschadet zur ISS zu fliegen. Und doch sind die Technikprobleme ein Wermutstropfen für die Mission.

Zumindest Wilmore und Williams lassen sich von all den Problemen nicht beirren. Sie würden verschiedene Aktivitäten im Orbit unterstützen, die für die Aufrechterhaltung des Stationsbetriebs und der Forschung wichtig seien, teilte die Nasa mit. Zum Beispiel würden sie den anderen Stationsbewohnerinnen und Stationsbewohnern bei ihren Außeneinsätzen assistieren. Astronautin Williams nutzte zudem die Zeit, um mit Schulkindern auf der Erde über ihre Erlebnisse im All zu sprechen. Und da gab es sicherlich einiges zu erzählen.

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