Beobachter erwarten Zinssenkungen

Warum die Inflationsrate auf 2,2 Prozent zurückgeht

Die Preise für Nahrungsmittel waren im Juni 2024 gegenüber dem Vormonat im Durchschnitt 0,8 Prozent höher.

Die Preise für Nahrungsmittel waren im Juni 2024 gegenüber dem Vormonat im Durchschnitt 0,8 Prozent höher.

Frankfurt am Main. Die Inflationsrate geht zurück – zumindest ein bisschen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes lagen die Verbraucherpreise im Juni nur noch 2,2 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Die Rate für den Mai hatte noch 2,4 Prozent betragen. Deutlich verbilligt hat sich im abgelaufenen Monat Energie (minus 2,1 Prozent). Zum Tragen kamen dabei insbesondere günstigere Tarife für Erdgas. Nahrungsmittel verteuerten sich mit plus 1,1 Prozent unterdurchschnittlich. Bei den Dienstleistungen gab es aber erneut einen gehörigen Sprung nach oben: 3,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

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Die Angaben der Wiesbadener Statistiker beruhen auf vorläufigen Berechnungen. Doch zahlreiche Experten sind davon überzeugt, dass die sinkenden Zahlen einen Trend beschreiben. So kommt eine Erhebung des Münchner Ifo-Instituts denn auch zu dem Ergebnis, dass viele Industriebetriebe und Teile des Einzelhandels die Preise demnächst nur noch in geringerem Maß anheben wollen. „Daher dürfte die Inflationsrate ihren Rückzug langsam fortsetzen und im August erstmals seit März 2021 unter die Zwei-Prozent-Marke sinken“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Anstieg im Mai war nur ein Ausreißer

Ähnlich ordnet Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, die Lage ein: „Jetzt bestätigt sich, dass der Anstieg der Inflation im Mai nur ein Ausreißer war. Der Abwärtstrend bei der Inflation ist intakt und hat sich im Juni nun wieder durchgesetzt.“ Der Abwärtstrend zeige sich auch daran, dass die so genannte Kerninflation – die Teuerung ohne die besonders schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel – erneut gefallen sei. Dieser Wert liegt aktuell allerdings immer noch bei plus 2,9 Prozent.

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Für Dullien ist klar: „In den kommenden Monaten ist im Trend mit einem weiteren leichten Rückgang der Inflation zu rechnen.“ Allerdings könnten immer wieder Sonderfaktoren in einzelnen Monaten diese Entwicklung vorübergehend unterbrechen. Der IMK-Chef geht davon aus, dass im Jahresdurchschnitt für 2024 die Teuerung bei 2,4 Prozent liegen wird und 2025 dann bei nur noch glatt 2 Prozent.

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Aus der Perspektive von Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, sieht es hingegen eher durchwachsen aus: „Hinter der rückläufigen Gesamtinflation im Juni stehen positive wie negative Preistrends in einzelnen Gütergruppen.“ So sei das absolute Level bei der Energie weiterhin sehr hoch. Zahlreiche Produkte, inklusive Nahrungsmitteln, hätten sich zwar nur leicht verteuert. Aber das gelte nicht für Dienstleistungen. Daraus folgen für Heise keine guten Nachrichten für Touristen, die hierzulande Urlaub machen wollen: „Die Vorfreude auf die Sommerferien dürfte wegen der hohen Dienstleistungspreise für manchen etwas getrübt sein. Deutliche Preissteigerungen gab es insbesondere in Gaststätten und im Hotelgewerbe.“

Jetzt kommt es auf die EZB an

Die alles entscheidende Frage für die weitere konjunkturelle Entwicklung ist nun: Welche Schlussfolgerungen zieht die Europäische Zentralbank (EZB) aus den hiesigen Daten? Dullien ist davon überzeugt, dass die Teuerung nun in der gesamten Eurozone abschmilzt. „Damit zeigt sich auch, dass die Entscheidung der Europäischen Zentralbank richtig war, die Zinswende einzuläuten“, so Dullien. Angesichts der anhaltenden Konjunkturflaute bei weiter rückläufigem Inflationsdruck solle die EZB nun zügig mit weiteren Zinssenkungen nachlegen. Diese Ansicht teilen viele Beobachter. Umfragen zufolge erwarten die meisten Ökonomen zwei weitere Zinsschritte nach unten – und zwar im September und im Dezember. Nach EZB-Diktion ist Preisstabilität erreicht, wenn die Teuerung nahe der Marke von 2 Prozent liegt.

Zinssenkungen haben immer zur Bedingung, dass auch die Inflationserwartungen weiter sinken. Zuletzt gab es hier positive Nachrichten: Eine Befragung von Verbrauchern in den Ländern der Währungsgemeinschaft hat ergeben, dass eine klare Mehrheit mit einem nachlassenden Preisdruck kalkuliert. Das zeigt einerseits, dass die Konsumenten der EZB im Kampf gegen Preissteigerungen vertrauen. Zugleich wird so Druck aus anstehenden Tarifverhandlungen genommen. Hierzulande wird es im Herbst vor allem um mehr Geld für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie gehen. Und niedrige Inflationserwartungen können auch dazu führen, dass die Verbraucher wieder mehr Geld ausgeben, was viele Volkswirte als maßgeblichen Faktor für einen konjunkturellen Schub bewerten.

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Heise warnt indes vor allzu viel Optimismus. Er sieht „gemischte Botschaften“ aus Deutschland:. „Einerseits ist die Inflation nicht weit vom 2-Prozent-Ziel entfernt.“ Andererseits liege die Kerninflation mit 2,9 Prozent immer noch hoch. „Ein deutlicher Rückgang in den nächsten Monaten ist aufgrund der recht kräftigen Lohnzuwächse und steigender Dienstleistungspreise nicht zu erwarten. Weitere Zinssenkungen dürften daher auf sich warten lassen.“

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