„Europa braucht Deutschland als Zugpferd“

Das sind die fünf größten Probleme der deutschen Industrie

Der Mangel an Arbeitskräften (wie hier bei Thyssenkrupp) ist nur ein Problem von fünf in der deutschen Industrie.

Der Mangel an Arbeitskräften (wie hier bei Thyssenkrupp) ist nur ein Problem von fünf in der deutschen Industrie.

Berlin. Die konjunkturelle Trendwende lässt weiter auf sich warten. Nur ein mageres Plus von 0,3 Prozent erwartet der Industrieverband BDI in diesem Jahr beim Bruttoinlandsprodukt, bei der Industrieproduktion rechnet der Verband sogar mit einem Rückgang. Und auch der langfristige Trend, das Potenzialwachstum, ist mit einem jährlichen Plus von 0,5 Prozent aus Sicht der Wirtschaft deutlich zu gering.

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„Europa braucht Deutschland als Zugpferd, und gegenwärtig sind wir das nicht“, räumte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Montag beim „Tag der Industrie“ in Berlin ein. Die Wettbewerbsfähigkeit nehme ab, die Wirtschaft büße Weltmarktanteile ein. „Gegenüber den USA und China fällt der Standort Deutschland weiter zurück“, warnt der Industriepräsident.

In der Wirtschaft herrscht Einigkeit, dass die Wachstumsschwäche nicht temporär ist, sondern strukturell. Wohin man schaut, es gibt Probleme.

Das sind die fünf größten Probleme der Industrie in Deutschland:

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Teure Energie

Die Energiepreise in Deutschland sind im internationalen Vergleich zu hoch. Das war bereits in der Vergangenheit so, das Ende der russischen Gaslieferungen infolge des Ukraine-Kriegs aber hat die Situation deutlich verschärft. Zwar ist es der Bundesregierung in Rekordzeit gelungen, eine alternative Versorgung über Flüssigerdgas (LNG) aufzubauen, was zu einer deutlichen Beruhigung der Märkte beigetragen hat. Dennoch bleibt es dabei, dass Unternehmen in Deutschlands deutlich höhere Brennstoffkosten haben als Konkurrenten aus den USA oder China.

Beim Strom sind die Unterschiede sogar noch größer. Auch wenn erste Solarparks inzwischen elektrische Energie für rund 5 Cent je Kilowattstunde produzieren, hat das nur begrenzte Auswirkungen auf den Industriestrompreis, der aktuell bei etwa 18 Cent je Kilowattstunde liegt. Zum Vergleich: In den USA beziehen Unternehmen elektrische Energie für rund 8 Cent je Kilowattstunde. Der Grund für den Unterschied sind fehlende Rohstoffe in Deutschland sowie die Kosten der Energiewende. Deren Umsetzung wird weiterhin eine der größten Herausforderungen bleiben. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 einen bedeutenden Teil des deutschen Gaskraftwerksparks mit grünem Wasserstoff zu betreiben, bezeichnete Russwurm als „ambitioniert“.

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Abhängigkeit von China

Der aktuelle Zollstreit zeigt schonungslos, wie groß die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ihrem China-Geschäft ist. Statt sich zu freuen, dass die EU-Kommission die hiesigen Autohersteller mit Ausgleichszöllen vor chinesischen Dumping-Importen schützt, zittert die deutsche Wirtschaft vor chinesischer Vergeltung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat deshalb in Brüssel darauf gedrungen, den Dialog mit China zu suchen, bevor die Zölle scharfgestellt werden.

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Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der in der Nacht zu Montag von einer fünftägigen Fernost-Reise zurückgekehrt ist, hat in Peking für eine Verhandlungslösung geworben. „Würde die Frage der Ausgleichszölle zu einem Zollkrieg führen, würden alle verlieren“, sagte Habeck beim „Tag der Industrie“. Durch die Annäherung der chinesischen Regierung und der EU-Kommission am Wochenende sind zwar die Chancen auf eine einvernehmliche Lösung gestiegen. Das Problem der Abhängigkeit aber bleibt.

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„Arbeitskräftemangel

Die demografische Entwicklung ist die vielleicht größte Herausforderung, vor der die deutsche Wirtschaft derzeit steht. Es ist vor allem der Mangel an Fach- und Arbeitskräften, der das Potenzialwachstum begrenzt. Und lösen lässt sich das Problem auch nicht mal so eben. Die Bundesregierung setzt auf die Anwerbung im Ausland. Eigens dazu habe die Ampel das „modernste Einwanderungsrecht, das dieses Land je hatte“, auf den Weg gebracht, rühmte sich Bundeskanzler Scholz. Mindestens genauso wichtig aber ist es aus Sicht der Wirtschaft, die Erwerbstätigkeit der in Deutschland lebenden Bevölkerung zu erhöhen – vor allem der von Frauen mit kleinen Kindern.

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Schlechte Infrastruktur

Der Nachholbedarf bei der Infrastruktur ist riesig, der Zustand von Brücken, Straßen, Schienen oder Mobilfunknetzen im internationalen Vergleich bemitleidenswert. Es sei in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich zu wenig investiert worden, sagte Bundeskanzler Scholz am Montag. Dagegen helfe nur, jetzt umso entschlossener und nachhaltiger die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Er wolle dem Ergebnis der Haushaltsverhandlungen nicht vorgreifen, sagte Scholz. „Aber so viel kann ich schon sagen. Zukunftsinvestitionen für unser Land werden hohe Priorität haben.“

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Ampelzoff

Der Bundeskanzler gab sich am Montag optimistisch, dass der Ampel im Juli eine Einigung im Haushaltsstreit gelingt. Dazu soll auch ein „Dynamisierungspaket“ gehören, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Industrie setzt darauf große Hoffnungen. Die Bundesregierung müsse jetzt „die Handbremse lösen“, appellierte Russwurm. Abschreibungen müssten erleichtert, Bürokratie abgebaut werden. Immerhin sehe er im Kanzleramt inzwischen „ein klares Problembewusstsein“. Das sind neue Töne im Vergleich zum Frühjahr, als Russwurm und andere Wirtschaftsvertreter öffentlich den wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung beklagt und Kanzler Olaf Scholz mangelndes Verständnis für die Sorgen und Nöte der Unternehmen vorgeworfen hatten. Scholz hatte sich revanchiert, indem er den Wirtschaftsvertretern vorgehalten hatte, den Standort Deutschland schlechtzureden.

Beide Seiten bemühten sich am Montag um versöhnliche Töne. Er habe „viel geklatscht“ und „viele Gemeinsamkeiten festgestellt“, sagte Scholz nach der Rede Russwurms. Der Industriepräsident wiederum lobte, dass Scholz noch nie so häufig die Begriffe „Tempo“ und „Geschwindigkeit“ in den Mund genommen habe. Beides höre er natürlich gerne, so Russwurm. Noch lieber, als nur davon zu hören, würde er die Dinge aber auch sehen. Das Verhältnis zwischen Kanzler und Wirtschaft ist wieder besser – gut aber ist es noch lange nicht.

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