Mehr als ein Bundestrainer
Bundestrainer Julian Nagelsmann äußerte sich am Tag nach dem deutschen EM-Aus eindrucksvoll.
Quelle: Christian Charisius/dpa
Die Worte, die Dank und Respekt gegenüber Julian Nagelsmann ausdrückten, kamen im Nachhinein betrachtet sogar zu früh. Bernd Neuendorf sprach sie am Samstagmittag aus, gut 16 Stunden nach dem dramatischen Viertelfinal-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-EM. Nagelsmann habe „das Amt des Bundestrainers neu definiert“, sagte der DFB-Präsident und bezog sich dabei vor allem auf die Arbeit des Coaches mit dem Team.
Es war zu Beginn der Pressekonferenz in Herzogenaurach. Aber erst danach folgten die eindrücklichen Minuten, in denen sich der DFB-Trainer so präsentierte, wie es keiner seiner Vorgänger je tat. Der 36-Jährige konnte und wollte seine Tränen nicht zurückhalten, ließ einen Blick in sein Innerstes zu. Ganz bewusst, weil er auf vielen Ebenen emotional bewegt war.
Nach deutschem EM-Aus: Nagelsmann hält emotionale Rede zu deutscher Gesellschaft
Nach dem Aus bei der Europameisterschaft hält Bundestrainer Nagelsmann eine bewegende Rede. Seine Botschaft: Gemeinschaft statt Individualität.
Quelle: Reuters
Authentisch, menschlich, nahbar. All diese Attribute konnte die Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren keineswegs für sich beanspruchen. Dieses Team und dieser Sport, gern als Kitt der Gesellschaft betrachtet, hat in den zurückliegenden Wochen dann sportlich einiges bewegt, noch mehr aber: an Profil und Herzen gewonnen. Das liegt ursächlich an Nagelsmann, wie sein Auftritt am Samstag belegte.
Der DFB-Coach, in früheren Jobs auch mal als abgehoben oder oberlehrerhaft abgestempelt, zeigte nach der persönlich schmerzhaftesten Niederlage seiner schon jetzt nicht ereignisarmen Trainerlaufbahn ungehemmt Emotionen. Und er unterstrich, was ihm wichtig ist: Erfolg in einer Gruppe, gemeinsames Arbeiten an einem Ziel, Zusammenhalt, Verlässlichkeit - kurz: Werte. Seine glasigen Augen waren das eine. Seine Botschaften das andere. Er formulierte sie als Aufruf an die Gesellschaft. Es wirkte wie seine Rede an die Nation. Aus tiefstem Herzen, ohne Effekthascherei. In diesen Momenten war Nagelsmann mehr als ein Bundestrainer. Menschen derart zu bewegen, schien in der arg kommerzialisierten Fußballbranche kaum noch möglich. Nagelsmann hat es geschafft.
