Wachsende Ungleichheit

Frust einer polarisierten Gesellschaft: Was bei Südkoreas Parlamentswahl wichtig wird

Unterstützer der People Power Party von Präsident Yoon Suk Yeol bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Unterstützer der People Power Party von Präsident Yoon Suk Yeol bei einer Wahlkampfveranstaltung.

In Seouls Innenstadt liegen Arm und Reich oft nah beieinander: Im Schatten der Seosomun-Hochstraße, eingepfercht zwischen gläsernen Bürogebäuden und Luxuswohntürmen, stehen bereits um halb 11 Uhr morgens alte Männer in dunkler Outdoorkleidung Schlange, um sich vor einer Sozialeinrichtung ihr kostenloses Mittagessen abzuholen – nahezu unbemerkt von den Anzugträgern, die mit ihren eisgekühlten Americano-Kaffees zur Arbeit eilen.

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Die wachsende Ungleichheit ist eines der bestimmenden Themen, wenn Südkorea am Mittwoch zur Urne antritt. Bei den alle vier Jahre stattfindenden Parlamentswahlen entscheiden die rund 44 Millionen Stimmberechtigten über insgesamt 300 Abgeordnetenmandate.

Südkorea: Wahl gilt als Stimmungstest für Präsident Yoon Suk Yeol

Die Wahl gilt insbesondere als Stimmungstest für den konservativen Yoon Suk Yeol, der bereits seit zwei Jahren an der Macht ist. Derzeit verfügt die linksliberale Minjoo-Partei über eine Mehrheit im Parlament. Verlässliche Wahlprognosen gelten als schwierig, da die südkoreanische Bevölkerung in drei nahezu gleich große Lager geteilt ist: rechts der Mitte, links der Mitte und Wechselwählerinnen und -wähler.

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Dabei ist die politische Landschaft im ostasiatischen Tigerstaat zunehmend polarisiert: Das konservative Lager steht für eine harte Linie gegenüber Nordkorea und China, während man eine enge Anbindung an Washington und gleichzeitig eine historischen Aussöhnung mit Japan – der einstigen Kolonialmacht – sucht. Die Linke hingegen prangert die Regierung in Tokio für ihren Geschichtsrevisionismus an und ist stärker darum bemüht, zwischen Peking und Washington die Balance zu halten.

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Doch außenpolitische Themen spielen bei der Parlamentswahl nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen bedrücken die meisten Südkoreanerinnen und Südkoreaner alltägliche Probleme – etwa die steigenden Lebensmittelpreise, hohe Wohnkosten und lange Arbeitszeiten. Die sozialen Konflikte haben auch dazu beigetragen, dass sich die demografische Krise im Land weiter verschärft hat. Die statistische Geburtenziffer ist in Südkorea im Vorjahr auf 0,72 gesunken – dem weltweit niedrigsten Wert. Dass die Südkoreanerinnen immer öfter keine Kinder wollen, hat nicht nur mit einem modernen, individualistischen Lebensstil zu tun, sondern bringt auch eine generelle Unzufriedenheit zum Ausdruck.

Korruptionsskandale: Bevölkerung zunehmend frustriert

Die negative Stimmung steht dabei im starken Kontrast zur beeindruckenden „soft power“, die Südkorea weltweit ausstrahlt: In praktisch allen Erdteilen erfreuen sich südkoreanische Popmusik, Fernsehserien und Esskultur beeindruckender Beliebtheit. Hinzukommt, dass das Land am Han-Fluss auch eine der führenden Exportnationen für Halbleiter, Autos und Kosmetikprodukte ist. Der Aufstieg Südkoreas vom bitterarmen Agrarstaat zur 13.-größten Volkswirtschaft der Welt zählt zu den wohl imposantesten Wirtschaftserfolgen der letzten Jahrzehnte.

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Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol.

Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol.

Doch innerhalb der eigenen Landesgrenzen zeigt sich die Bevölkerung zunehmend frustriert über die heimische Politik. Insbesondere Präsident Yoon gilt als weitgehend unbeliebt. Das hat auch mit einem potenziellen Korruptionsskandal seiner Ehefrau zu tun, die von einem politischen Gegner dabei gefilmt wurde, wie ihr eine Designertasche geschenkt wird. Von Kritikern wird Yoon ebenfalls vorgeworfen, mit autoritären Tendenzen kritische Berichterstattung zu unterdrücken und eine Interessenspolitik für die Oberschicht zu betreiben. Sollte Yoon bei der Parlamentswahl weiter abgestraft werden, droht er trotz weiterer drei Jahre im Amt verfrüht zu einer „lahmen Ente“ zu werden.

Sein größter politischer Konkurrent, Lee Jae Myung, führt die oppositionelle Minjoo-Partei an. Der 60-Jährige stammt aus einfachen Verhältnissen und hat sich jahrelang als Anwalt für benachteiligte Arbeiter eingesetzt. Doch der Hoffnungsträger des linken Lagers gilt für viele moderate Wählerschichten lediglich als „geringeres Übel“: Denn Lee fiel nicht nur immer wieder durch stark populistische Aussagen auf, sondern steht derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht.

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