Der Wahlsieger im Iran im Kurzporträt

Massud Peseschkian: Wer ist der neue Präsident unter Chamenei?

Der Reformer Massud Peseschkian (69) ist neuer Präsident des Iran.

Der Reformer Massud Peseschkian (69) ist neuer Präsident des Iran.

Teheran. Er wird der „Doktor“ genannt, dabei operiert er schon seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr: Bei der nach dem Helikopterabsturz im Mai anberaumten Neuwahl im Iran hat sich – für viele Beobachter überraschend – der Reformer Massud Peseschkian durchgesetzt. Mit 53,7 Prozent der Stimmen sicherte sich der Außenseiter in der entscheidenden Stichwahl den Posten unter dem obersten religiösen Führer Ajatollah Ali Chamenei. Bereits im ersten Wahlgang lag der 69-jährige Herzchirurg auf Platz eins. Etliche Experten rechneten aber damit, dass der als Hardliner geltende Said Dschalili schlussendlich das Rennen machen würde.

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2001 tauschte Peseschkian den Arztkittel gegen das Amt des Gesundheitsministers ein. Bei der Wahl nach dem Helikopterabsturz im Mai, bei dem der vormalige Präsident Ebrahim Raisi sowie dessen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian ums Leben gekommen waren, konkurrierten gleich drei Kandidaten um die Stimmen aus dem Lager der Konservativen. Internationale Beobachter zeigten sich nun ob der Wahl des Reformers überrascht. Peseschkian sei es womöglich gelungen, einen Teil der Nichtwähler an die Urne zu bekommen, hieß es.

Alleinerziehender Vater nach Unfalltod der Frau

Peseschkian wurde 1954 in der Provinz West-Aserbaidschan als Sohn einer kurdischen Mutter und eines aserbaidschanischen Vaters geboren. Er studierte Medizin und diente im Ersten Golfkrieg als Soldat und Arzt. Sympathien bei seinen Wählern dürfte Peseschkian auch aufgrund seines persönlichen Schicksals bekommen haben: 1994 starben seine Frau und eines seiner Kinder bei einem Autounfall. Fortan zog Peseschkian die übrigen Kinder allein auf.

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Schon von seinem Aussehen unterscheidet sich der 69-Jährige von seinen Vorgängern und anderen politischen Würdenträgern im Iran: Er trägt keinen Bart. Zur Frage nach der Kleiderordnung im Iran – und im Speziellen der Kopftuchpflicht – äußerte er sich kritisch gegenüber dem Kurs der Regierung: „Seit 40 Jahren versuchen wir, die Sache des Hijabs zu lösen und die Art und Weise, wie die Behörden damit umgehen sollen. Aber mal ehrlich: Haben wir das Problem gelöst oder verschlimmert?“

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2013 versuchte Peseschkian schon einmal, Präsident zu werden. Damals zog er seine Kandidatur jedoch wieder zurück. Bei seinem zweiten Anlauf im Jahr 2021 wurde er vom Wächterrat erst gar zu der Abstimmung nicht zugelassen.

Macht des neuen Präsidenten gilt als stark begrenzt

Peseschkians tatsächliche Macht dürfte relativ begrenzt sein. Weder die Kleidervorschriften noch eine Öffnung zum Westen kann der Politiker eigenständig bestimmen. Im Vergleich zu seinem härtesten Konkurrenten gilt er jedoch als moderat. Im Wahlkampf sendete er versöhnliche Töne in Richtung des Westens. Er gab etwa an, die Atomverhandlungen wiederaufnehmen zu wollen.

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Auch für die Korruption im Land fand er deutliche Worte. „Wir müssen diesen Damm der Sanktionen brechen. Wir müssen gegen diejenigen vorgehen, die von den Sanktionen profitieren, diejenigen, die Tausende von Milliarden in die Taschen stecken, und niemand weiß es“, sagte der neue Präsident. Jedoch bleibt es fraglich, ob es sich bei seinen Äußerungen um mehr als Signale an den Westen sowie an die eigene Bevölkerung handelt.

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Wahlbeteiligung auf historischem Tiefstand

Das letzte Wort hat bei allen zentralen politischen Entscheidungen im Iran der oberste Führer der islamischen Republik, Chamenei. Hinzu kommt, dass sich der frisch gewählte Peseschkian entgegen seinen Äußerungen bisher stets loyal gegenüber Chamenei verhalten hat. Trotz aller liberalen Andeutungen des neuen Präsidenten wird erwartet, dass der Kurs seines ultrakonservativen Vorgängers beibehalten wird. Einen wirklichen Politikwechsel kann Peseschkian wohl nicht einleiten. Entscheidender als seine Wahl wird die Frage sein, wer nach dem Tod Chameneis dessen Nachfolge übernimmt. Peseschkian wird es nicht werden können, denn er ist kein Mullah.

Derweil lag die Wahlbeteiligung auf einem historischen Tiefstand. Offiziellen Angaben zufolge gaben im ersten Wahlgang knapp 40 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. In der Stichwahl lag die Beteiligung dann bei 49,8 Prozent, wie die staatliche Wahlbehörde angab.

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RND/oda

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