Wer bekommt welchen Spitzenjob?

Machtpoker mit Maximalforderungen: „EVP will EU-Gipfel zum Zahltag machen“

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, trifft vor einem EU-Gipfel zu einer Sitzung der EVP-Fraktion ein.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, trifft vor einem EU-Gipfel zu einer Sitzung der EVP-Fraktion ein.

Brüssel. Bis tief in die Nacht hatten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU‑Staaten in Brüssel über ihren Tellern gebrütet und bei Seelachsfilet mit Baby­artischocken und mediterranem Gemüse die Verteilung der EU‑Spitzenposten diskutiert. Doch auch als schließlich französischer Kuchen mit Früchten gereicht wurde, war noch keine Einigung in Sicht.

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Um Mitternacht trat schließlich EU‑Ratspräsident Charles Michel vor die Presse und versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen. „Es gibt heute Nacht keine Einigung“, sagte Michel, aber dies sei heute auch gar nicht das Ziel gewesen. Schließlich diene der informelle Gipfel nur der Vorbereitung des offiziellen EU‑Gipfels in der kommenden Woche.

Immer noch keine Einigung über EU-Spitzenjobs

Ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wurde in der Nacht ohne Entscheidung beendet.

Dabei hatten sich viele Staats- und Regierungschefs vor den sechsstündigen Verhandlungen noch zuversichtlich gezeigt, dass man nun „schnell und zügig“ (Olaf Scholz) über die Besetzung der EU‑Spitzenposten entscheiden werde. „Am Anfang war die Stimmung gut, es gab viel Gelächter, aber dann wurden die Verhandlungen immer zäher“, sagte ein EU‑Diplomat dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Die Hoffnung auf eine schnelle Einigung rückte in weite Ferne.

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Als Favoriten für den Posten der EU‑Kommissions­­präsidentin gilt Ursula von der Leyen und für das Amt des Ratspräsidenten der portugiesische Ex‑Regierungschef Antonio Costa, und Estlands Premier­ministerin Kaja Kallas soll EU-Außenbeauftragte werden. Streitpunkt beim Gipfel war jedoch nicht die Frage, wer welchen Spitzenposten erhält. Vielmehr gab es Gespräche, wie lange der Sozial­demokrat Costa Ratspräsident sein darf. Denn aus der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), die bei der Europawahl stärkste Kraft geworden war und nun 14 Sitze mehr im Parlament hat, kamen überraschend neue Forderungen. Costa solle nur eine halbe Amtszeit Ratspräsident sein, dann müsse ein EVP‑Kandidat übernehmen, hieß es vom kroatischen Premierministers Andrej Plenković. Dabei hatte EVP‑Parteichef Manfred Weber vor dem Gipfel noch Zugeständnisse angedeutet. „Uns ist bewusst, dass wir einen Kompromiss mit den anderen Parteien finden müssen“, sagte er dem RND und einigen anderen Medien.

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„Die EVP will den EU‑Gipfel zum Zahltag machen“, sagte ein EU‑Diplomat. Als stärkste Kraft nach der Europawahl seien die EVP‑Verhandlungs­­führer Donald Tusk und Kyriakos Mitsotakis sehr selbstbewusst in den Rat gekommen. „Die EVP will in den Verhandlungen ihre politische Macht ausspielen“, so ein anderer Diplomat.

Eigentlich wird der Ratspräsident nach zweieinhalb Jahren für eine weitere Mandatszeit von zweieinhalb Jahren im Amt bestätigt. Das wird nun von EVP-Politikern infrage gestellt. Die Sozialdemokraten könnte demnach keine zweite Amtszeit erhalten. Hinzu kommt: Einige in der EVP würden auch gern die Präsidentin des Europäischen Parlaments für die gesamten fünf Jahre stellen. Eigentlich gibt es auch hier nach zweieinhalb Jahren einen Wechsel zwischen den beiden größten Fraktionen. Die Sozialdemokraten hätten erneut das Nachsehen. Ob es dazu kommt, ist aber ungewiss. Trotzdem waren sozialdemokratische Regierungschefs wie Olaf Scholz und sein spanischer Amtskollege Pedro Sánchez verärgert über die Entwicklung. Dass sie sich auf die Forderung einlassen, halten Diplomaten für äußerst unwahrscheinlich. Schließlich haben die Sozialdemokraten nur drei Sitze im Parlament verloren.

Der kroatische Premier Plenković soll die Idee einer geteilten Präsidentschaft im Rat ins Spiel gebracht haben. Auch er gehört der EVP‑Familie an, und manche glauben, dass er selbst Ambitionen auf das Amt des Präsidenten haben könnte. Womöglich will die EVP mit diesen Forderungen aber auch nur verhindern, dass Sozialdemokraten und Liberale einen hohen Preis dafür verlangen, dass sie EVP‑Kandidatin von der Leyen erneut an die Kommissions­spitze wählen. Für die EVP ist vor allem wichtig, dass sie die Agenda im Europäischen Rat mitbestimmen kann.

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„Die Dinge müssen noch etwas köcheln, aber wir sind nicht weit von einer Einigung entfernt“, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach dem Gipfel. Zehn Tage bleiben den Staats- und Regierungschefs noch, in vertraulichen Treffen die letzten Personalfragen zu klären. „Es ist unsere Pflicht, bis Ende Juni eine Einigung zu finden“, zeigte sich Michel zuversichtlich. Man werde beim Gipfel kommende Woche ein Team und ein Programm für die nächsten Jahre vorlegen.

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