Propagandisten verbreiten KI-gestützte Lügen

Nein, Selenskyjs Frau hat sich keinen neuen Bugatti gekauft

Wolodymyr Selenskyj (rechts), Präsident der Ukraine, und seine Frau Olena Selenska, First Lady der Ukraine, treffen bei der offiziellen internationalen Zeremonie zum 80. Jahrestag des D-Day am Omaha Beach in der Normandie ein.

Wolodymyr Selenskyj (rechts), Präsident der Ukraine, und seine Frau Olena Selenska, First Lady der Ukraine, treffen bei der offiziellen internationalen Zeremonie zum 80. Jahrestag des D-Day am Omaha Beach in der Normandie ein.

Berlin. Die Erzählung ist immer die gleiche: Westliche Regierungen überweisen der Ukraine unzählige Millionen zur Verteidigung gegen Russland und Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Frau Olena verprassen das Geld im Ausland für Luxusjachten, Villen und Sportwagen. Frei erfundene Behauptungen dieser Art werden seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine regelmäßig von russischen und prorussischen Propagandisten und Desinformationsplattformen verbreitet.

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Das jüngste Beispiel für solche Lügen im Sinne des Kremls ist die Behauptung, Olena Selenska habe bei einem offiziellen Besuch in Paris im vergangenen Monat einen Bugatti Tourbillon für mehr als vier Millionen Euro vorbestellt. Bugatti hatte das Hypercar mit 1800 PS erst am 20. Juni der Öffentlichkeit präsentiert. In der verbreiteten Falschmeldung heißt es, Selenska habe das Auto bereits zwei Wochen vorher im Rahmen einer Privatvorführung bestellt. Die Präsidentengattin sei damit zur ersten Besitzerin des neuen Bugatti-Modells geworden.

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Veröffentlicht wurde diese Behauptung am 1. Juli auf einer vermeintlichen französischen Nachrichtenseite mit dem Namen „Verite Cachee France“ (Verborgene Wahrheit Frankreich). Als „Belege“ dafür wurden dort ein Foto einer angeblichen Kaufrechnung und ein Video veröffentlicht, in dem angeblich ein Mitarbeiter eines Bugatti-Händlers über den Verkauf an Selenska spricht. Bei dem Video handelt es sich jedoch offenbar um einen sogenannten Deepfake – also eine mithilfe Künstlicher Intelligenz erzeugte Fälschung. Die Lippenbewegungen des Mannes sehen bei genauerer Betrachtung unnatürlich aus, eines der wichtigsten Zeichen, um solche Fälschungen zu erkennen.

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Auf Deutsch wurde die Fälschung unter anderem im Telegram-Kanal der nach Russland ausgewanderten Putin-Propagandistin Alina Lipp und in Kanälen mit Verbindung zu russischen Staatsmedien verbreitet.

Webseite voller KI-generierter Propagandatexte

Nicht nur das vermeintliche Beweisvideo, auch ein Großteil der auf der Website veröffentlichten Texte sind offenbar mithilfe Künstlicher Intelligenz erzeugt. Das lässt sich einfach erkennen, weil die Verantwortlichen der Website bei ihrer Propaganda alles andere als sorgfältig agieren. Am Anfang mehrerer Artikel ist beispielsweise das Prompt zu lesen, das zur Erstellung der KI-generierten Texte verwendet wurde. Ein Prompt ist eine Art Arbeitsanweisung an KI-Anwendungen wie ChatGPT. In mehreren Texten auf „Verite Cachee France“ steht auf Französisch die Aufforderung: „Bitte schreiben Sie diesen Artikel um und vertreten Sie dabei eine konservative Haltung gegenüber der liberalen Politik der Macron-Regierung zugunsten der französischen Arbeiterklasse.“ Ausgangsmaterial für die propagandistische Umarbeitung waren offenbar Artikel echter Nachrichtenseiten.

Die Überschriften mehrerer Artikel beginnen außerdem mit Textfragmenten wie „Hier ist ein kurzer Titel für den Artikel“. Den Verantwortlichen für die Website sind diese Fehler mutmaßlich deshalb nicht aufgefallen, weil sie kein Französisch sprechen. Auf diesen Umstand hatten mehrere Desinformationsexperten am Montag auf X (vormals Twitter) hingewiesen.

Groß angelegtes Propagandanetzwerk

Das Cybersicherheitsunternehmen Recorded Future hat die Webseite bereits in der vergangenen Woche einem groß angelegten Netzwerk prorussischer Propagandaseiten zugerechnet, die teilweise seit dem vergangenen Jahr und in mehreren Sprachen betrieben werden. Allein zwischen dem 10. und 12. Mai 2024 habe das als „CopyCop“ bezeichnete Netzwerk 120 neue Webseiten registriert. Das Netzwerk verbreite unter anderem KI-generierte Inhalte, die auf echten Medienberichten basierten.

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Sowohl „Recorded Future“ als auch die „New York Times“ und das auf die Bekämpfung von Desinformation spezialisierte Unternehmen Newsguard kommen zu dem Schluss, dass hinter diesem Netzwerk mutmaßlich der US-Bürger John Mark Dougan steckt. Der ehemalige Polizist aus Florida hat sich bis 2016 schon in den USA als prorussischer Propagandist verdingt und floh dann vor Strafverfolgung nach Russland. Von Moskau aus soll er nun ein weltweites kremltreues Propagandanetzwerk betreiben.

Nicht alle Inhalte, die in diesem Netzwerk verbreitet werden, sind KI-generiert. Der Fall der Falschnachricht über den angeblichen Kauf eines Bugatti-Hypercars durch Olena Selenska zeigt aber, wie KI-Anwendungen längst zur Unterstützung groß angelegter Desinformationskampagnen verwendet werden. Das Fabrizieren von Falschbehauptungen und Propagandaerzählungen wird dadurch nicht nur einfacher, sondern auch potenziell effektiver – und gefährlicher.

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