Treffen der Nato-Verteidigungsminister

Aus Sorge vor Trumps Rückkehr: Nato-Staaten einigen sich auf neuen Ukraine-Plan

Auf diesem von der Nato zur Verfügung gestellten Foto spricht Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, mit Boris Pistorius, Verteidigungsminister von Deutschland.

Auf diesem von der Nato zur Verfügung gestellten Foto spricht Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, mit Boris Pistorius, Verteidigungsminister von Deutschland.

Brüssel. Die Nato-Staaten haben am Donnerstag einen neuen Plan verständigt, um die Ukraine langfristig unterstützen. Einen entsprechenden Beschluss fassten Vertreter im Nato-Rat in Brüssel. Er sieht vor, dass die Nato künftig die Koordinierung der Waffenlieferungen und der Ausbildung ukrainischer Soldaten übernimmt und dazu auch Mittel aus ihrem eigenen Haushalt nutzen darf. Der Beginn soll beim Nato-Gipfel in Washington verkündet werden.

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Bisher wird die Unterstützung im europäischen US‑Hauptquartier in Wiesbaden von der Security Assistance Group-Ukraine (SAG‑U) unter US‑General Christopher Cavoli organisiert. Er soll auch weiterhin federführend die Koordinierung übernehmen, jedoch in seiner Rolle als Nato-Kommandeur, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag. In Wiesbaden führt er ein Team von rund 300 Personen an, die an der Koordinierung der Ukraine-Hilfen beteiligt sind.

Ungarn und Deutschland lenken ein

Ungarn hatte die neuen Nato-Pläne bis zuletzt abgelehnt und mit einem Veto gedroht. Ministerpräsident Viktor Orban begründete dies mit der Befürchtung, dass die Nato einer direkten Konfrontation mit Russland näherkomme. Bei einem Besuch in Budapest konnte Stoltenberg Orban aber von einem sogenannten Opt-out überzeugen: Orban verzichtet auf ein Veto und muss sich im Gegenzug nicht personell oder finanziell beteiligen.

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Hintergrund der neuen Nato-Pläne ist die Befürchtung, dass die USA bei einer möglichen Wiederwahl Donald Trumps ins Weiße Haus einen Kurswechsel vollziehen und ihr Engagement in der Nato und für die Ukraine deutlich reduzieren könnten. Erstmals hatte Stoltenberg daher vor einigen Wochen eine „Nato Mission Ukraine“ vorgeschlagen. Der Name hatte jedoch in der Bundesregierung Kritik ausgelöst, weil er an die Afghanistan- und Mali-Missionen mit vor Ort stationierten Soldaten erinnert. Um eine Eskalation mit Russland zu vermeiden, hatte Deutschland darauf gedrungen, einen anderen Namen zu verwenden.

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Kampfdrohnen statt weitere Patriot-Systeme

Die Verteidigungsminister berieten zudem, wie sie die Ukraine bei der Luftverteidigung gegen russische Kampfflugzeuge und Raketen besser unterstützen können. Beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe im Nato-Hauptquartier herrschte Einigkeit darüber, dass die Ukraine dringend zusätzliche Luftverteidigungssysteme benötigt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sieht allerdings andere Staaten stärker in der Pflicht als Deutschland. „Wenn Deutschland drei zur Verfügung stellen kann, was immerhin ein Viertel unserer Gesamtkapazitäten dieses Systems bedeutet, dann werden andere sicherlich auch noch eins abgeben können“, sagte der Minister. Es müssten ja nicht nur Patriots sein. „Jedes System hilft den Luftraum und damit, die Sicherheit in der Ukraine zu schützen und zu verteidigen.“ Deutschland könne jedenfalls keine weiteren Patriot-Systeme abgeben. US‑Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, er habe heute kein weiteres Patriot-System anzukündigen. Er arbeite aber daran, weitere Luftverteidigungsmittel für die Ukraine zu beschaffen.

Die Bundeswehr bildet derzeit ukrainische Soldaten am Luftverteidigungssystem Patriot aus, das Drohnen, Raketen und Marschflugkörper abfangen kann. Es gilt als eines der besten Systeme dieser Art. Sobald das Training abgeschlossen ist, soll die Ukraine das bereits zugesagte dritte Patriot-System und eine größere Anzahl entsprechender Lenkflugkörper erhalten. Deutschland verhandele dazu auch mit Dänemark, Norwegen und den Niederlanden, sagte Pistorius in Brüssel. Der Minister sicherte der Ukraine indes weitere Luftunterstützung zu. „Wir werden mehrere Tausend Kampfdrohnen liefern“, kündigte Pistorius an. Die Drohnen werde die Bundesrepublik dafür eigens beim Hersteller Helsing, einem Münchner Rüstungs-Start‑up, kaufen und dann an die Ukraine weiterleiten, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dem RND. Außerdem will Deutschland laut Pistorius mehr Artilleriemunition und Panzerabwehrwaffen zur Verfügung stellen.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die internationalen Partner um mindestens sieben weitere Luftverteidigungssysteme gebeten, um sein Land vor russischen Angriffen zu schützen. „Luftverteidigung ist die Antwort auf alles“, sagte Selenskyj zuletzt auf der Wiederaufbaukonferenz in Berlin. In den vergangenen Wochen hatten die russischen Luftschläge gegen die Energieinfrastruktur der Ukraine wieder zugenommen. Die Russen wollen damit sowohl die Moral der ukrainischen Bevölkerung als auch die Produktionsfähigkeit der ukrainischen Rüstungsindustrie schwächen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dringt nun auf mehr Tempo bei der Unterstützung der Ukraine. „Verzögerungen bei unserer Unterstützung hatten schwerwiegende Folgen auf dem Schlachtfeld und das dürfen wir nicht noch einmal zulassen“, sagte er. Er erwarte, dass die Verbündeten in den kommenden Tagen und Wochen Ankündigungen machen werden. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Ukraine behaupten kann.“

Die Verteidigungsminister haben auch über die Zunahme hybrider Angriffe aus Russland auf die 32 Nato-Staaten beraten. Nach Angaben von Diplomaten kam es vermehrt zu massiven Cyberangriffen auf einzelne Mitgliedsländer durch russische Hackergruppen. Auch Sabotageakte, Brandstiftung und Desinformation hätten in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen, heißt es in der Nato. Bei der Abwehr hybrider Angriffe wollen die Nato-Staaten künftig enger zusammenarbeiten und mehr Geheimdienstinformationen austauschen. Außerdem sollen die Cybersicherheit und der Schutz kritischer Infrastruktur, darunter Datenkabel und Pipelines in der Ostsee, verstärkt werden.

Am Freitag wollen die Ministerinnen und Minister darüber beraten, wie die Ausbildung ukrainischer Soldaten künftig von der Nato koordiniert werden kann. Derzeit gibt es ausschließlich bilaterale Ausbildungsmissionen in mehreren Nato-Staaten, bei denen bis Ende des Jahres rund 60.000 ukrainische Soldaten trainiert werden sollen. Einige Nato-Staaten hoffen, dass durch die ��berführung in Nato-Strukturen die Zahl der ausgebildeten Soldaten auf 100.000 steigen könnte.

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