Einst das Leben gerettet: Israelischer Arzt gibt Einblick in Psyche von Hamas-Anführer
![Jihia al-Sinwar, Chef der Hamas im Gazastreifen, bei einer Veranstaltung in Gaza im März 2022.](https://cdn.statically.io/img/www.rnd.de/resizer/v2/MJD66MW2XZBX5LUI6HGMU6CVDM.jpeg?auth=44289f66f738b879d2fcdab9d8a69349264601254d72f1d314606c5b09634e9c&quality=70&width=428&height=241&smart=true)
Jihia al-Sinwar, Chef der Hamas im Gazastreifen, bei einer Veranstaltung in Gaza im März 2022.
Quelle: Mohammed Talatene/dpa
Tel Aviv. Yuval Bitton arbeitete über Jahre als Zahnarzt im israelischen Nafha-Gefängnis. Dort traf er den heutigen Hamas-Anführer Jihia al-Sinwar – Jahre, bevor dieser zu einem der Drahtzieher der tödlichen Attacken der Terrorgruppe auf Israel am 7. Oktober wurde. Bitton verlor – wie so viele andere israelische Bürgerinnen und Bürger – einen Angehörigen an diesem Horrortag für sein Volk. So wurde sein Neffe getötet, nachdem die Terroristen in sein Haus eingedrungen waren.
+++ Alle aktuellen News rund um Israel, Gaza und den Nahostkonflikt im Liveblog +++
„Ich kenne die Person, die diesen kriminellen Angriff geplant, konzipiert und initiiert hat“, sagte Bitton gegenüber der renommierten CNN-Journalistin Christiane Amanpour. „Ich kenne ihn seit 1996 – nicht nur ihn, sondern die gesamte Hamas-Führung in Gaza – und mir war klar, dass sie genau das planten.“
OP rettete ihm das Leben
Bitton sagte dem US-Sender, er habe Hunderte von Stunden damit verbracht, sich mit Sinwar zu unterhalten und dieser habe ihm dadurch seltene Einblicke in die Gedankenwelt des obersten Hamas-Kämpfers gewährt. Sinwar war 2004 in die Klinik des Gefängnisses gekommen und hatte über Nackenschmerzen und Gleichgewichtsverlust geklagt. Bei Untersuchungen im Krankenhaus stellte sich heraus, dass er einen Abszess im Gehirn hatte. „Er wurde an diesem Tag noch operiert, was ihm das Leben rettete, denn wenn der Abszess explodiert wäre, wäre er gestorben“, sagte Bitton.
Sinwar war 1989 in Israel wegen der Entführung und Ermordung zweier israelischer Soldaten zu vier lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. 2011 kam er dann jedoch im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei und kehrte er nach Gaza zurück. Seine mehr als zwei Jahrzehnte im Gefängnis verbrachte er damit, seinen Feind zu studieren, unter anderem lernte er Hebräisch. Zurück in Gaza begann er dann seinen Aufstieg in der militanten Organisation und seit 2017 ist er einer der Anführer der Hamas im Gazastreifen.
Menschenleben sind ihm „egal“
Laut Bitton glaubt Sinwar, dass jüdische Menschen in „muslimischen Ländern“ „keinen Platz“ haben. Aufgrund dieser Denkweise sei es „nur eine Frage der Zeit und des Timings“ gewesen, „dass sie [Hamas] gegen uns vorgehen und versuchen werden, uns von dem Ort zu vertreiben, an dem wir leben“.
Der israelische Arzt glaubt, dass es dem Hamas-Terroristen, der sich immer noch im Gazastreifen aufhalten und am Leben sein soll, vor allem darum geht, an der Macht zu bleiben. Er glaubt, dass Sinwar „bereit wäre, sogar 100.000 Palästinenser zu opfern, um das Überleben seiner Herrschaft zu sichern“. „Er ist bereit, mit dem Leben von Militanten, Hamas-Mitgliedern und Zivilisten zu bezahlen. Es ist ihm egal.“
RND/bab