Newsletter „Klima-Kompass"

Fuß vom Pedal und Fußabdrücke

Neuer Anlauf für ein Tempo-Limit?

Neuer Anlauf für ein Tempo-Limit?

Hallo zusammen,

heute geht‘s ums Tempolimit und was E-Autos damit zu tun haben, um Fußabdrücke, die wir hinterlassen, und um einen Grund, warum der Meeresspiegel deutlicher ansteigen könnte als bisher gedacht.

 

Punkt eins: Neuer Anlauf fürs Tempolimit

Fahren, fahren, fahren auf der Autobahn: Ein Tempolimit bringt dabei einige Vorteile.

Fahren, fahren, fahren auf der Autobahn: Ein Tempolimit bringt dabei einige Vorteile.

Es gibt neuen Druck fürs Tempolimit: Ein breites Bündnis aus Verbänden und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) macht sich für die Einführung eines bundesweiten generellen Tempolimits stark – und zwar ab sofort. Außerdem müssten bestehende Geschwindigkeitsbeschränkungen verschärft werden, fordert das Bündnis, zu dem unter anderem Umweltorganisationen wie der BUND oder die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und auch die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland (VOD) gehören, von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Mein Kollege Frank-Thomas Wenzel nennt die Argumente:

  1. Weniger Unfälle: Deutschland ist das einzige Industrieland ohne eine generelle Beschränkung auf Autobahnen. Es gilt die sogenannte Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde. Unter anderem in den Niederlanden und in Spanien wurden in jüngerer Zeit hingegen Verschärfungen durchgesetzt. Durch die Einführung von Tempo 30 in mehr als 200 französischen Städten sanken dort die Unfallzahlen nach Angaben des Verbände-Bündnisses um 70 Prozent.
  2. Weniger Treibhausgase: Die CO₂-Emissionen im Verkehrssektor, die durch ein Tempolimit spürbar eingeschränkt werden könnten, liegen nach wie vor deutlich über Vorgaben für den Klimaschutz, mit großer Wahrscheinlichkeit werden die für 2030 gesetzten Ziele verfehlt. Die DUH hat die Bundesregierung deswegen verklagt und in zwei Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg jeweils Recht bekommen. Mitte Mai wurde die Bundesregierung zuletzt dazu verdonnert, mehr Klimaschutzprojekte voranzubringen. Die Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig, es laufen Revisionsverfahren, das Bundesverwaltungsgericht wird final entscheiden. Für DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch steht indes längst fest, dass es Tempo 100 auf Autobahnen, maximal 80 Sachen außerorts und nicht mehr als 30 Kilometern pro Stunde innerorts nebst strengen Kontrollen braucht.
  3. Mehr E-Autos: Michael Mertens, Vorsitzender der GdP NRW, macht auf ein bislang wenig beachtetes Argument aufmerksam, das mit der steigenden Zahl von E-Autos zusammenhängt „Wer mehr Elektromobilität auf den Autobahnen ohne zusätzliche Sicherheitsrisiken will, muss dafür sorgen, dass der Verkehrsfluss stärker harmonisiert wird.“ Das gehe nur mit einem Tempolimit. Der Hintergrund: Bei E-Fahrzeugen schwindet die Reichweite dramatisch schnell, wenn sie mit mehr als 130 km/h über die breiten Fernstraßen brettern. Entschleunigung ist für E-Autofahrer deshalb angesagt. „Dadurch verändert sich der Verkehrsfluss auf den Autobahnen und einzelne deutlich schnellere Fahrzeuge stellen ein immer größeres Unfallrisiko dar“, betont Mertens.
 

Punkt zwei: Leben auf großem Fuß(abdruck)

Man ahnte es schon: Menschen mit hohem Einkommen leben insgesamt klimaschädlicher als diejenigen, die wenig Geld verdienen. Allerdings gibt es Unterschiede je nach Lebensbereich: Vor allem Flugreisen sind es, die bei Gutverdienern die Bilanz massiv verschlechtern. Das geht aus einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, für die Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) 2023 vorab ausgewertet wurden.

Im Schnitt verursacht jeder in Deutschland lebende Mensch demnach in den Bereichen Wohnen, Ernährung und Verkehr jährlich 6,5 Tonnen Treibhausgase. Dazu zählen neben Kohlendioxid (CO₂) auch zum Beispiel Lachgas und Methan. Die zehn Prozent mit dem höchsten Einkommen sind mit ihrem Lebensstil pro Person für 10,1 Tonnen dieser Treibhausgase verantwortlich. Das ist fast das Doppelte der 5,6 Tonnen pro Kopf und Jahr, die die zehn Prozent mit den niedrigsten Einkommen im Durchschnitt verursachen.

Große Unterschiede tun sich bei der Mobilität auf. Hier verursacht das ärmste Zehntel 0,8 Tonnen Treibhausgase im Jahr, das reichste Zehntel mehr als das Siebenfache. Die Ursache: Gutverdienende unternehmen mehr Flugreisen. „Eine einzige Langstreckenflugreise führt zu mehr Emissionen pro Kopf als Wohnen und Ernährung in einem ganzen Jahr zusammen“, betont Studien-Coautorin Sandra Bohmann.

Anders als beim Verkehr sieht es beim Wohnen und der Ernährung aus: Dort spielen Einkommensunterschiede alles in allem keine so deutliche Rolle. Bei der Ernährung ist vor allem der Fleischkonsum entscheidend. Wer kein Fleisch isst, verursacht in diesem Bereich nur 1,2 Tonnen pro Kopf und Jahr an Treibhausgasemissionen, während es bei mäßigem bis hohem Fleischkonsum zwischen 1,6 und 2,1 Tonnen sind. Gutverdiener stoßen trotz größerer Häuser oder Wohnungen zehn Prozent etwas weniger Treibhausgase für Heizung, Warmwasser und Strom (2,7 Tonnen) aus, weil sie häufiger in energieeffizienteren Gebäuden wohnen. Bei den ärmsten Haushalten sind es 3,1 Tonnen.

Die Empfehlungen der DIW-Forschenden lautet deshalb: Keine Inlandsflüge, wenn das Ziel in maximal zweieinhalb Stunden auch mit der Bahn erreichbar ist. Gebäude mit dem höchsten Energieverbrauch sollten vordringlich gedämmt, die Schritte sozial ausgeglichen werden. Mit dem versprochenen Klimageld allein dürfte sich das jedoch nicht regeln lassen - denn die erforderlichen Investitionen sind viel höher. Initiativen wie der Sozial-Klimarat versuchen hier, eine Bresche für sozialgerechte Klimapolitik zu schlagen.

 

Punkt drei: Schmelzendes Schelfeis

Angesammeltes Schmelzwasser und Schneematsch auf dem Tracy-Tremenchus-Schelfeis, das in den Südlichen Ozean fließt.

Angesammeltes Schmelzwasser und Schneematsch auf dem Tracy-Tremenchus-Schelfeis, das in den Südlichen Ozean fließt.

Dass der Klimawandel das Eis an den Polregionen zum Schmelzen bringt, ist bekannt. Nun aber zeigt eine Studie, dass große Mengen des geschmolzenen Wassers bisher gar nicht berücksichtigt wurden: Es geht um das Schmelzwasser, das die Stabilität des Schelfeises der Antarktis bedroht. Und das hat auch Folgen für den Meeresspiegel.

Das Schmelzwasser ist gebunden in Schneematsch, der sich im südlichen Sommer bildet und im Januar seine größte Menge erreicht. Dann liegen einer Studie zufolge im Durchschnitt 57 Prozent des Schmelzwassers im Schneematsch und 43 Prozent in Oberflächenseen vor. Das Wasser verringert die Stabilität des schwimmenden Schelfeises, was wiederum das Abfließen der Gletscher vom Festland zum Meer hin fördert. Mehr Schmelzwasser könne somit das Abschmelzen des antarktischen Eises beschleunigen, schreibt eine Gruppe um Rebecca Dell von der englischen University of Cambridge im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

„Dieser Schneematsch wurde noch nie in großem Maßstab auf allen großen Schelfeisflächen der Antarktis kartiert, sodass bisher mehr als die Hälfte des gesamten Oberflächenschmelzwassers ignoriert wurde“, erläutert Dell. In den üblicherweise genutzten Klimamodellen wird dieses Schmelzwasser bisher nicht berücksichtigt. Das liegt auch an technischen Problemen: „Es ist schwierig, Schneematsch zu kartieren, da er von einem Satelliten aus betrachtet wie andere Dinge aussieht, beispielsweise wie Schatten von Wolken.“ Das Team trainierte deshalb ein Computermodell mit KI, um zahlreiche Satellitenbilder von der Antarktis auszuwerten und Schneematsch von Schnee, Eis und Oberflächenwasser zu unterscheiden.

Die Menge des Schmelzwassers ist deshalb wichtig, weil das Wasser Risse im Eis vergrößern kann, was das Eis instabiler macht. Zudem ist Wasser dunkler als Schnee oder Eis, es reflektiert deshalb weniger Sonnenlicht und wärmt sich entsprechend stärker auf. Auch dies trägt zum schnelleren Abschmelzen von Eis bei. Wenn Schelfeis kollabiert, dann können die Gletscher, die sich dahinter auf dem Festland befinden, schneller abfließen und so zur Erhöhung des weltweiten Meeresspiegels beitragen.

 

Kopf oder Zahl: 58

Über eine Steckdose angeschlossen, speisen Balkonkraftwerke Strom ein.

Über eine Steckdose angeschlossen, speisen Balkonkraftwerke Strom ein.

Gute Nachrichten zum Schluss: Strom aus Wind, Sonnenlicht, Biomasse und Wasserkraft hat im ersten Halbjahr 2024 rund 58 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland gedeckt. Das ist ein neuer Halbjahresrekord bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, wie aus Hochrechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervorgeht. Von den 58 Prozent entfielen 24 Prozentpunkte auf Winderzeugung an Land, 14 auf Photovoltaik, 9 auf Biomasse, jeweils 5 Prozentpunkte auf Wasserkraft und Windenergie auf See sowie einer auf die Stromerzeugung aus Siedlungsabfällen.

Auch die Zahl der Balkonkraftwerke steigt weiter in hohem Tempo. Im zweiten Quartal gingen so viele kleine Solaranlagen in Betrieb wie nie zuvor: 152.000. Und sie werden noch einen weiteren Schub bekommen. Denn die Installation der Balkonkraftwerke soll auch für Wohnungseigentümer und Menschen, die zur Miete wohnen, einfacher werden. Vermieter müssen über die Installation einer solchen Anlage künftig zwar informiert werden, dürfen diese aber nicht einfach verbieten.

Gibt es Feedback oder Anregungen? Gerne her damit an Klima-Kompass@rnd.de.

Es grüßt herzlich bis zur nächsten Woche:

Andrea Barthélémy

 

Abonnieren Sie auch

Europa-Radar: Was in Brüssel passiert und Europa bewegt: Unser RND-Korrespondent liefert EU-Insights und Hintergründe – immer donnerstags.

Demokratie-Radar: Wie steht es um die Demokratie in Deutschland? Unser RND-Team geht dem nach – jeden Dienstag in diesem Newsletter.

Krisen-Radar: Konflikte, Kriege, Katastrophen – analysiert von Can Merey, jeden Mittwoch neu.

Der Tag: Das Nachrichten-Briefing vom RedaktionsNetzwerk Deutschland. Jeden Morgen um 7 Uhr.

Hauptstadt-Radar: Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Das Leben und wir: Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

US-Radar Was die Vereinigten Staaten bewegt: Die USA-Experten des RND ordnen ein und liefern Hintergründe. Jeden Dienstag.

Mehr aus Politik

 
 
 
 

Spiele

Das tägliche Kreuzworträtsel

Testen Sie ihr Allgemeinwissen und finden Sie das Lösungswort des Tages.

Verwandte Themen

Spiele entdecken