Von der Leyen hofft auf zweite Amtszeit

Neubesetzung von EU-Spitzenposten: Keine Einigung bei Gipfeltreffen in Brüssel

Ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wurde in der Nacht ohne Entscheidung beendet.

Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder haben sich bei einem Gipfeltreffen in Brüssel nicht abschließend auf die Neubesetzung von EU-Spitzenposten einigen können. Das sagte Ratspräsident Charles Michel in der Nacht zu Dienstag. Ursula von der Leyen kann sich damit noch nicht ganz sicher sein, ob sie von den Staats- und Regierungschefs für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin nominiert wird.

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Ein Grund für Streit am Montagabend war nach Angaben von Diplomaten, dass die Parteienfamilie mit den Parteien CDU und CSU erreichen wollte, dass die Besetzung des Amtes des EU-Ratspräsidenten nicht sofort für fünf Jahre geregelt wird. Der Ratschef wird anders als Kommissionspräsidentin und Außenbeauftragte eigentlich nur für 2,5 Jahre gewählt. Zuletzt war es allerdings so gewesen, dass der Posten bei den Personalverhandlungen wie die anderen Posten für fünf Jahre einer Parteienfamilie versprochen wurde. Der Vorstoß von CDU und CSU würde bedeuten, dass sie theoretisch nach zweieinhalb Jahren Anspruch auf das Amt erheben könnte. Die Sozialdemokraten lehnten dies nach Angaben aus Verhandlungskreisen ab.

Staats- und Regierungschefs beraten über EU-Spitzenpersonal

Die Europawahl ist vorbei - nun verhandeln Scholz und Co über die wichtigsten Posten in der EU.

Die bürgerlich-konservative EVP war bei der Europawahl Anfang Juni vor den Sozialdemokraten und den Liberalen die mit Abstand stärkste politische Kraft geworden. Daher galt es als wahrscheinlich, dass ihre Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen weitere fünf Jahre Präsidentin der EU-Kommission bleiben kann.

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Nächste Verhandlungen schon in der kommenden Woche

Ende nächster Woche kommen die Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel zusammen, bei dem es eigentlich vor allem um wichtige Zukunftsthemen gehen soll. Bei ihm muss nun erneut über die Spitzenposten beraten werden. Von Diplomaten hieß es, es gehe letztlich nur noch um Details. Die sechs Staats- und Regierungschefs, die für die drei großen Parteienfamilien verhandelten, seien sich bei den Namen von der Leyen, Costa und Kallas einig.

Für die EVP verhandeln der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas

Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas

Der noch amtierende EU-Ratspräsident Charles Michel sagte in der Nacht, das Auseinandergehen ohne endgültige Einigung sei für ihn keine Überraschung gewesen. Das Treffen sei geplant worden, um die Gelegenheit zu einem ausführlichen Meinungsaustausch zu haben.

Kallas als Außenbeauftragte und Costa als Ratschef im Gespräch

Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die wichtigste Position, die nach der Europawahl neu zu besetzen ist. Der Amtsinhaber ist Chef von rund 32.000 Mitarbeitern, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt er bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch.

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Zu dem Personalpaket gehört neben dem Kommissionsvorsitz und dem Ratschef-Posten auch die Besetzung des Amtes des Außenbeauftragten der EU. Für letzteres gilt die estnische Regierungschefin Kaja Kallas als Favoritin, als Ratschef wird der frühere portugiesische Regierungschef António Costa gehandelt. Costa gehört wie Kanzler Olaf Scholz der Parteienfamilie der Sozialdemokraten (S&D) an, Kallas ist wie der französische Präsident Emmanuel Macron bei den Liberalen (Renew).

Der frühere portugiesische Regierungschef António Costa

Der frühere portugiesische Regierungschef António Costa

Notwendig für die Entscheidung im Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ist eine sogenannte verstärkte qualifizierte Mehrheit. Das heißt, es mussten mindestens 20 der 27 EU-Staaten zustimmen und diese müssen zudem mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren. Derzeit gehören im Europäischen Rat ein Dutzend Staats- und Regierungschefs den Mitgliedsparteien des Mitte-Rechts Bündnisses EVP an. Danach folgen die Gruppe der Liberalen, zu den insbesondere Frankreichs Präsident Macron zählt, und die der sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs mit Politikern wie Bundeskanzler Scholz.

Orban sieht Wahlergebnis ignoriert

Kritik an den Verhandlungen zwischen den drei großen Parteienfamilien kam in der Nacht zu Dienstag vom ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, der 2021 mit seiner Partei nach einem Streit um die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land aus der EVP ausgetreten war und seitdem keiner Parteienfamilie mehr angehört. Der Ungar schrieb nach dem Gipfeltreffen, bei der Europawahl seien rechte Parteien stärker geworden, Linke und Liberale hätten an Boden verloren – dennoch habe sich die EVP nun mit den Sozialisten und Liberalen zusammengetan. „Heute haben sie einen Deal geschlossen und die Spitzenjobs der EU unter sich aufgeteilt. Sie scheren sich nicht um die Realität“, schrieb Orban . „Der Wille des europäischen Volkes wurde heute in Brüssel ignoriert.“

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Ob Orban sich offen gegen von der Leyen stellte, sagte er allerdings nicht. Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic betonte am frühen Dienstagmorgen: „Bei der Kommissionspräsidentin habe ich keine Stimme gesehen, die ihre Position infrage gestellt hätte.“ Von der Leyen verließ das EU-Ratsgebäude, ohne sich öffentlich zu äußern.

RND/dpa

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