„Es ist eine furchtbare Ausgangssituation“

Talk-Gäste bei „Maybrit Illner“ sehen Europa in Gefahr – Hoffnung auf Politik der Mitte

Von links: Daniela Schwarzer, Michael Roth, Maybrit Illner, Fred Pleitgen, Norbert Röttgen bei „Maybrit Illner".

Von links: Daniela Schwarzer, Michael Roth, Maybrit Illner, Fred Pleitgen, Norbert Röttgen bei „Maybrit Illner".

„Es ist eine furchtbare Ausgangssituation für ihn, für die USA und auch für uns. Jetzt steht er sich vermutlich selbst im Wege.“ So wie Michael Roth in der aktuellen Ausgabe des ZDF-Talks „Maybrit Illner“ schätzen wohl die meisten die Folgen des Auftritts von Joe Biden im TV-Duell mit Donald Trump ein. Der SPD-Politiker war „fassungslos“ angesichts des teilweise verwirrten US-Präsidenten, der beim Schlagabtausch mit seinem Amtsvorgänger und Herausforderer unterlegen wirkte.

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Auch Talk-Gast Norbert Röttgen war sich sicher: Sollte der amtierende Präsident nicht von sich aus auf die Kandidatur verzichten, dürfte Trump wiedergewählt werden. Allerdings, so der CDU-Mann: „Die Mehrheit der Amerikaner wollen weder Biden noch Trump.“

Präsidentschaft Trumps wäre „dramatischer Bruch“

CNN-Journalist Frederik „Fred“ Pleitgen prognostizierte in der Runde einen „dramatischen Bruch in der Außenpolitik“, wenn der ehemalige Reality-TV-Star wieder an die Macht kommen sollte. „Er wird die Außenpolitik ganz anders aufstellen, als Joe Biden es gemacht hat. Joe Biden und Olaf Scholz lagen sicher auf der gleichen Linie, was die Ukraine angeht.“

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Mit einem Zitat des republikanischen Präsidentschaftskandidaten machte der Sohn des verstorbenen ehemaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen klar, wo die Reise wohl hingehen wird: „Zwischen uns und Russland gibt es einen großen Ozean. Die Europäer haben Putin direkt nebenan.“

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Dass ein künftiger Präsident Trump vor allem für Europa ein Problem werden könnte, davon zeigte sich Roth, der auch Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages ist, ebenfalls überzeugt: „Es macht mich wütend, dass wir es nicht vermocht haben, uns als Europäer so aufzustellen, dass wir das allein hinbekommen.“

Umso schwieriger zu vermitteln sei zukünftig die notwendige Botschaft an die Bevölkerung: „Mehr Abschreckung, weil uns die USA nicht mehr so schützen werden.“ Besorgt zeigte sich Roth darüber, dass die nationalistischen Führer inzwischen gelernt hätten, einen Staat nach ihren Wünschen umzubauen. „So wie in Ungarn. Ich befürchte das auch für die USA.“

Inmitten der zweiten amerikanischen Revolution

Ein Beispiel, wie beunruhigend sich die politischen Umwälzungen in den Vereinigten Staaten zurzeit entwickeln, gab dann die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller. Die Expertin für transatlantische Beziehungen und Sicherheitspolitik der Denkfabrik Brookings Institution in Washington verwies auf die Aussage des konservativen Trump-Vordenkers Kevin Roberts: „Wir befinden uns inmitten der zweiten amerikanischen Revolution, und sie wird unblutig sein, wenn die Linken das zulassen.“

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Für seine rechtskonservativen Wähler präsentiert sich Trump - hier 2020 mit der Bibel in der Hand vor der St. Johns-Kirche in Washington - gerne als frommer Christ. Doch deren Kampf für Abtreibungsverbote geht ihm nun zu weit.

Trump, der neue Jesus Christus

Amerikas religiöse Rechte stellt Donald Trump als neuen Messias dar. Auch Jesus sei einst als verurteilter Straftäter behandelt worden, sagt die prominente Kongressabgeordnete Marjorie Taylor-Greene. Evangelikale Eiferer beschreiben Justiz und Medien zunehmend wie Werkzeuge des Satans. Trumps lange Liste von Missetaten soll im Nebel eines Glaubenskriegs verschwimmen.

Aber die Herausforderungen für Europa lauern nicht nur jenseits des Atlantiks. Wenn jetzt am Sonntag bei unserem Nachbarn jenseits des Rheins gewählt wird, dann, so Röttgen, „kann es kein gutes Ende für Frankreich mehr geben“. Selbst wenn es anschließend gelingen würde, ein großes Bündnis der wichtigen politischen Kräfte gegen die führende rechtsextreme Partei Rassemblement National zu bilden, wäre diese Koalition wegen ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen nicht regierungsfähig. „Sie werden kein konstruktives Bündnis bilden können“, zeigte sich der CDU-Außenpolitiker überzeugt, „Macrons Schachzug war ein Rückschlag für ihn und Europa.“

„Lichtgestalt“ Tusk als Vorbild

Ganz so pessimistisch schätzte die Vorständin der Bertelsmann Stiftung Daniela Schwarzer die Situation nicht ein. „Rassemblement National erhält sicher keine absolute Mehrheit. Wenn Macron sie in die Regierung miteinbezieht, dann könnte eine Entmystifizierung dieser Partei gelingen.“ Wenn nicht, so ihre Annahme, dann dürfte die Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, 2027 zur Präsidentin gewählt werden.

Aber wie kommt es, dass überall auf der Welt autoritäre und antidemokratische Regime einen Boom erleben und sich so viele Menschen in Europa von den etablierten Parteien abwenden? Dass dies bei den meisten Menschen weniger mit extremistischen Anschauungen zu tun hat als mit zahlreichen Missständen, die tatsächlich existieren, darüber war sich die Runde in der ZDF-Sendung einig.

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„Die Menschen fühlen sich von der Politik nicht mehr für ernst genommen, und das zu Recht“, brachte es Pleitgen auf den Punkt. „Für das, was die Menschen hier leisten, erwarten sie eine professionelle Politik.“ Als positives Beispiel, dass es auch anders laufen kann, hob er die „Lichtgestalt“ Donald Tusk hervor, der in Polen eine glaubwürdige Politik der Mitte verwirklicht habe. Die aktuellen Fehlentwicklungen führte der Journalist eher auf die Schwäche der etablierten Parteien als auf die Stärke der radikalen Parteien zurück.

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