Die Sicherung einer starken Fachkräftebasis ist entscheidend, um auch die zukünftigen Anforderungen stemmen zu können. Die Bundesregierung setzt an verschiedenen Punkten an, um diese Herausforderung anzugehen und hat im Herbst 2022 eine neue Fachkräftestrategie verabschiedet. Die Fachkräftestrategie ist branchenübergreifend und bildet den strategischen Rahmen für die Maßnahmen der Bundesregierung gegen den zunehmenden Fachkräftemangel.Zum einen will die Bundesregierung mit Unterstützungsangeboten, Erleichterungen und verbesserten Anreize die Potenziale zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Einbindung von Frauen sowie ältere Personen noch besser heben. Da die inländischen Potenziale absehbar aber nicht ausreichen, will die Bundesregierung zum anderen die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland steigernund das Potenzial der Geflüchteten besser nutzen, in dem diese gezielt in den Arbeitsmarkt integriert werden. Zudem unterstützt die Bundesregierung Unternehmen dabei, die Vorteile einer vielfältigen Arbeitnehmerschaft, die aus Menschen unterschiedlichen Geschlechts und Alters sowie verschiedener Herkunft besteht und auch Menschen mit Behinderung einschließt, zu nutzen und von diesen zu profitieren.
Wo bestehen die größten Fachkräftepotenziale im Inland?
Besonders die Potenziale bei Frauen, Älteren, Menschen mit Migrationshintergrund und Jugendlichen ohne Ausbildung sowie Menschen mit Behinderung können stärker genutzt werden. Vielfalt ist ein wichtiger Beitrag zum Unternehmenserfolg. Daneben steht besonders bei Engpassberufen die Ansprache internationaler Fachkräfte im Fokus.
Frauen
Eine stärkere Partizipation von Frauen am Arbeitsmarkt kann einen positiven Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. Hier konnte in den letzten Jahren bereits eine starke Ausweitung der Erwerbstätigkeit erreicht werden. So hat die Erwerbstätigkeit von Frauen im Zeitraum von 2010 bis 2022 um 7 Prozentpunkte zugenommen.2 Mit 76,8 Prozent hat Deutschland insgesamt eine der höchsten Erwerbstätigenquoten von Frauen in Europa.3 Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist insbesondere die gestiegene Erwerbstätigkeit von Müttern. Allerdings arbeitet gut jede zweite weibliche Beschäftigte in Teilzeit, verglichen mit nur 12,7 Prozent der männlichen Beschäftigten.4 Folglich ist das durchschnittliche jährliche Arbeitsvolumen von Frauen um etwa 30 Prozent geringer als das von Männern.5 Dabei spielt der Familienkontext eine entscheidende Rolle: Insbesondere Mütter weisen bis zum mittleren Alter, d.h. in der Familienphase mit meist jüngeren Kindern, eine deutlich niedrigere Erwerbstätigenquote und höhere Teilzeitquote als kinderlose Frauen auf. Auch wenn die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von erwerbstätigen Müttern zwischen 2010 und 2022 von 25 auf knapp 28 Stunden gestiegen ist, arbeiten Frauen vielfach auch nach der Erziehungszeit nicht wieder entsprechend ihrem Potenzial.
Viele Frauen im erwerbsfähigen Alter, die derzeit nicht arbeiten und nicht aktiv auf Jobsuche sind oder in Teilzeit bzw. geringfügig beschäftigt sind, verfügen in der über eine gute Ausbildung. Bei geeigneten Rahmenbedingungen kann diese Zielgruppe häufig zeitnah für eine Erwerbstätigkeit oder einen Ausbau der Arbeitszeit gewonnen werden. Es liegt also im Interesse der Wirtschaft, das Leistungs- und Qualifikationspotenzial der Frauen noch besser zu nutzen. Um das Erwerbsvolumen von Frauen mit Familien- und Pflegeverantwortung weiter zu erhöhen, baut die Bundesregierung das Kinderbetreuungsangebot aus und passt gesetzliche Rahmenbedingungen an. Zusätzlich sind auch flexible, familienbewusste Arbeitsbedingungen sowie eine gleichmäßigere Aufgabenteilung von Familie und Beruf maßgeblich.
Ältere Menschen
Jung und Alt - für Deutschlands Zukunft werden alle Generationen benötigt. Gerade ältere Beschäftigte verfügen über umfassendes Fachwissen und langjährige Berufserfahrung. Das Fachkräftepotenzial von Personen zwischen 55 und 64 Jahren liegt bis zum Jahr 2025 zwischen 600.000 und 1,1 Millionen. Dies geht aus einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim hervor, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegeben hat. Tatsächlich ist die Erwerbsbeteiligung von Älteren in den letzten Jahren angestiegen. 2012 waren noch 47 % der 60- bis 64-jährigen erwerbstätig, 2022 waren es bereits 63 %. Besonders stark gestiegen ist die Erwerbsbeteiligung älterer Frauen. Ältere sind auch zunehmend nach Erreichen der Regelaltersgrenze beschäftigt, so hat sich die Quote der arbeitenden 65-69-jährigen von 11% auf 19% in demselben Zeitraum fast verdoppelt.6 Die Zahlen zeigen allerdings auch, dass ein Potential bei dieser Gruppe nach wie vor besteht.
Um einen freiwilligen längeren Verbleib im Erwerbsleben zu fördern, hat die Bundesregierung die Beseitigung von Hemmnissen und die Schaffung von Anreizen zum Ziel. Auch die Betriebe können einen Beitrag leisten um Ältere im Erwerbsleben zu halten. Jeder Betrieb hat es in der Hand, durch gezielte Maßnahmen vom Potenzial Älterer zu profitieren: Eine altersgerechte Gestaltung der Arbeit, eine Verbesserung der Balance zwischen Beruf und Privatleben, eine stärkere Weiterbildungsbeteiligung Älterer, aber auch eine gezielte Rekrutierung von Älteren oder ein aktives Gesundheitsmanagement - all dies sind Investitionen, die sich gleichermaßen für Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Deutschland als Ganzes auszahlen.
An- und Ungelernte
Viele arbeitslose Personen ohne berufsqualifizierenden Abschluss suchen nach einer Tätigkeit als Helfer oder Helferin in einem von Engpässen betroffenen Berufsbereich. Wie die KOFA-Studie 2023 zeigt, könnte die Fachkräftelücke rein rechnerisch um etwa 83.000 reduziert werden, wenn arbeitslose An- und Ungelernte entsprechend qualifiziert würden. Dies entspricht 23 Prozent aller offenen Stellen, für die in der Regel eine Berufsausbildung erforderlich ist und derzeit keine passend ausgebildeten Arbeitslosen zur Verfügung stehen.
Menschen mit Migrationshintergrund
Ein großes Potenzial liegt auch bei Menschen mit Migrationshintergrund. Viele tausende zusätzliche Erwerbstätige könnten gewonnen werden, wenn Menschen mit Migrationshintergrund noch stärker bei der Integration und Ausbildung unterstützt werden.7 Dabei geht es zum einem um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.
Das BMWK fördert daher das NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge, das 2016 gemeinsam mit der DIHK gegründet wurde und von der DIHK Service GmbH umgesetzt wird. Mit über 3.900 Mitgliedern (Stand 25.01.24) ist es deutschlandweit der größte Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für die Ausbildung und Beschäftigung von Geflüchteten engagieren oder engagieren wollen. Das Netzwerk bietet den Mitgliedsunternehmen insbesondere die Möglichkeit für Erfahrungsaustausch und praxisrelevante Informationen. Die Mitgliedsunternehmen übernehmen damit nicht nur soziale Verantwortung. Auch trägt ihr Engagement dazu bei, den Fach- und Hilfskräftemangel zu reduzieren. Die Angebote des NETZWERKs wie Informationsmaterialien, Webinare, Workshops und Veranstaltungen sind wie die Mitgliedschaft kostenlos.
Um Zugewanderte besser in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren, unterstützen seit Frühjahr 2016 rund 170 sogenannte Willkommenslotsen Unternehmen bei der Besetzung von offenen Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten. Sie vermitteln bundesweit Geflüchtete in Praktika, Hospitationen, Einstiegsqualifizierungen, Ausbildungen und Beschäftigungsverhältnisse in kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und seit Ende 2017 auch in große Unternehmen. Die Willkommenslotsen helfen bei Fragen zu Sprachförderung, Aufenthaltsstatus, Qualifikationsbedarf sowie zu Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten. Und das mit Erfolg: 2018 konnten mit Hilfe der Lotsen rund 9.700 Geflüchtete in Hospitation, in ein Praktikum, eine Einstiegsqualifizierung, einen Ausbildungsplatz oder ein Arbeitsverhältnis vermittelt werden, davon 2.585 in eine duale Ausbildung.
Inklusion: Menschen mit Behinderung einstellen
Rund 164.000 Menschen mit Schwerbehinderung würden laut der Bundesagentur für Arbeit gerne arbeiten. Viele Menschen mit Behinderung sind überdurchschnittlich gut qualifiziert und ihre Behinderung bedeutet kaum Einschränkung für ihre Arbeitsleistung.
Mehr zum Thema Inklusion in Unternehmen erfahren Sie auf der Website des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung.
2 Quelle: Erwerbstätigkeitsquoten 1991 bis 2022, Statistisches Bundesamt.
3 Erwerbstätigkeit, Arbeitszeit und Arbeitsvolumen nach Geschlecht 1991-2022, Ergebnisse der IAB-Arbeitszeitrechnung nach Alter und Geschlecht 2023, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
4 Gleichstellungsindikatoren – Teilzeitquote 2024, DEStatis.
5 Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2022. Berichte: Blickpunkte Arbeitsmarkt, Bundesagentur für Arbeit.
6 Erwerbstätigkeit Älterer Menschen, DEStatis.
7 Doppelt so viele Mütter mit Migrationshintergrund wie ohne sind geringfügig beschäftigt, s. Gelebte Vielfalt: Familien mit Migrationshintergrund, BMFSFJ, November 2020. (S. 41).
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