Seidenberg kennt die Situation der Oilers

Zwei Spiele, zwei Niederlagen, das ist nicht die Ausgangslage, die sich die Edmonton Oilers im Stanley Cup Finale 2024 gegen die Florida Panthers erhofft hatten. Nach einem 0:3 in Spiel eins am Samstag unterlag das Team rund um den deutschen Superstar Leon Draisaitl am Montag auch im zweiten Auswärtsspiel mit 1:4. NHL.com/de hatte die Chance zu einem Gespräch mit einem Spieler, der diese Situation genau kennt. Dennis Seidenberg erlebte genau das in den Stanley Cup Playoffs 2011 als Verteidiger mit den Boston Bruins gegen die Vancouver Canucks.

„Von Edmontons Seite muss man das so hindrehen, dass das ein normales Ergebnis ist“, riet Seidenberg zu einem kühlen Kopf. „Deswegen hat man Heimvorteil, die gewinnen ihre Spiele zu Hause, wir werden unsere Spiele gewinnen. Da muss man eine positive Sicht bekommen.“

Wie im laufenden Finale zwischen den Oilers und Panthers, waren auch 2011 Tore in den ersten Spielen Mangelware. In Spiel 1 schoss Raffi Torres die Canucks zu Hause 19 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit zu einem 1:0-Sieg. Spiel zwei ging in der Verlängerung mit 3:2 an Vancouver.

„Damals war Vancouver der große Favorit. Wir wussten aber, dass wir eine Chance haben, wenn wir nach Hause gehen und zeigen, dass wir den größeren Willen haben“, erinnert sich Seidenberg. „Das heißt aber nicht, dass wir überheblich und voller Selbstvertrauen waren. Nervös waren wir alle. Wenn man die Energie aber richtig kanalisiert und nutzt, dann passiert sowas wie in Spiel drei bei uns. Klar wird heute anders gespielt, aber die Grundregeln bleiben. Man muss seine Zweikämpfe gewinnen und wer am wenigsten Fehler macht, gewinnt meistens. Natürlich spielt auch der Torwart eine große Rolle. Die Grundsätze bleiben aber dieselben."

Spielverlauf und alle Tore vom Panthers-Sieg in S2

Im dritten Spiel schossen sich die Bruins den Frust von der Seele. Nach einem torlosen ersten Drittel gab Andrew Ference den Startschuss und leitete mit seinem Treffer für die Bruins einen 8:1-Sieg ein. In Spiel 4 glich Boston die Serie mit einem 4:0 aus. Die Canucks gingen zu Hause wieder in Führung, doch auch die Bruins gewannen ihr drittes Heimspiel und erzwangen so das entscheidende Spiel 7 in Vancouver. Das war dann eine klare Angelegenheit. Patrice Bergeron und Brad Marchand trafen jeweils doppelt und Seidenberg bereitete zwei Tore vor und wurde so zum zweiten deutschen Spieler nach Uwe Krupp, der den Stanley Cup gewann. Die Bruins zeigten damals wie man mit einem 0:2-Rückstand in einer Finalserie umgeht und waren das fünfte Team der NHL-Geschichte, das ein solches Ergebnis noch drehen konnte.

„Wobei natürlich die Statistiken weniger gut aussehen“, sagte Seidenberg. „Ich glaube, gestern wurde gesagt, wenn die ersten beiden Spiele an die Heimmannschaft gehen und sie liegt 2:0 vorne, hat sie eine Siegchance von 90 Prozent. Bei uns war es damals anders. Aber Edmonton muss positiv bleiben. Sie haben im ersten Spiel besser gespielt als die Panthers, auch wenn sie gestern nicht so gut waren wie davor. Aber sie müssen mit Optimismus nach Hause gehen und mit dem Heimvorteil ihr Spiel aufziehen.“

In den ersten beiden Spielen in Florida gelang es den Oilers nur bedingt, ihre dominante Spielweise aufs Eis zu bringen. Sie gingen mit einem Durchschnitt von 3,5 Toren pro Spiel als zweitbeste Offensive der Playoffs ins Finale, kamen bisher in 120 Minuten aber nur auf ein Tor durch Verteidiger Mattias Ekholm.

„Im ersten Spiel hatten sie genug Chancen, sie sind vor das Tor gekommen, hatten Alleingänge und Angriffe zwei auf eins“, sah Seidenberg durchaus Potenzial für mehr im Spiel der Oilers. „Sie müssen einfach Tore schießen. Gestern wurden sie von Florida sehr gut verteidigt, Florida hat wenig Schüsse zugelassen. Da müssen sie ein bisschen konsequenter und härter sein und mehr ins Zentrum kommen. Das ist aber leichter gesagt als getan.“

Dass die Abwehr der Panthers Spitzenniveau hat, ist längst bekannt. Den Oilers war aber vor allem Floridas Torwart Sergei Bobrovsky ein Dorn im Auge. Der Finalist für die Vezina Trophy für den besten Torhüter der NHL stoppt selbst die überragenden Offensivspieler der Oilers, die die Statistiken in den Playoffs dominieren. Edmontons Kapitän Connor McDavid ist mit 32 Punkten (5 Tore, 27 Assists) der Topscorer, gefolgt von Draisaitl (10 Tore, 18 Assists) und Verteidiger Evan Bouchard (6 Tore, 22 Assists) mit jeweils 28 Punkten. Die Torschützenliste führt ihr Mitspieler Zach Hyman mit 14 Treffern an, auch hier liegt Draisaitl auf Rang zwei. Seidenberg setzt darauf, dass sich die außergewöhnliche Klasse von McDavid und Draisaitl nicht über eine komplette Serie in Schach halten lässt.

„Wenn mal Leon und McDavid anfangen Tore zu schießen, dann kommen sie meistens in einen Lauf“, betonte der Stanley Cup Champion von 2011. „Wenn es da einmal anfängt zu regnen, schüttet es in Strömen. Die Einstellung ist das Wichtigste und die haben sie, glaube ich, nachdem sie so weit gekommen sind. Ich glaube, dass sie das nächste Spiel gewinnen werden.“

Die Durststrecke vor dem gegnerischen Tor macht Edmonton offensichtlich zu schaffen. Hyman war in Spiel 2 mehrmals ungläubig zum Hallendach schauend oder den Kopf schüttelnd zu sehen, nachdem ihm der Puck kurz vor dem Abschluss ausgestochen wurde. Draisaitl und Bouchard kassierten nach unnötigen Fouls Strafen, die ihrem Team nicht halfen. Am Ende der Partie standen in der Statistik 45 Strafminuten für die Oilers.

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„Die Gefahr, dass man frustriert wird, ist immer da, wenn es nicht gut läuft“, warnt Seidenberg. „Dann ist es ein großes Problem, wenn man sich nicht beherrschen und diszipliniert spielen kann. Das tut dann weh und da muss man sich unter Kontrolle halten und die Emotionen nicht rauskommen lassen.“

Nun gilt aber, nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Seidenberg und die Bruins von 2011 sind der Beweis dafür, dass nach zwei Spielen noch nichts verloren ist. Draisaitl und seine Kollegen haben nun zwei spielfreie Tage, um die Niederlagen abzuhaken und im eigenen Rogers Place einen Neustart auf den Weg zu bringen. Dort werden sie am Donnerstag (8 p.m. ET; NHL.tv, Sky Sport, MySports; Fr. 2 Uhr MESZ) versuchen, ihre Offensive so zum Laufen zu bringen, wie es vor 13 Jahren Boston gelang.

„Man muss im Moment bleiben“, mahnte Seidenberg. „Man darf nicht daran denken, was in den ersten zwei Spielen oder nach dem Spiel passiert ist. Jeder muss seinen Job machen und in jedem Wechsel mit dem Gedanken aufs Eis gehen, diesen Wechsel zu gewinnen. Dann geht es einfach Wechsel für Wechsel, Drittel für Drittel und am Ende sieht man dann das Endergebnis... Ich sage immer wieder, dass die Einstellung das Wichtigste ist. Wenn man die richtige Einstellung hat und hart arbeitet, hat man meistens auch Erfolg.“

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