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Artenvielfalt geht uns alle an
Unsere Welt ist groß, bunt und vor allem: vielfältig. Wie vielfältig, können wir nur erahnen. Hochrechnungen gehen von mehreren Millionen Pflanzen, Tieren, Pilzen, Algen und Einzellern auf der Erde aus. Ein Schatz, den wir unbedingt erhalten müssen. Er bildet die Grundlage unseres Lebens.
Denn viele Arten sind bedroht: Zahlreiche Pflanzen und Tiere sind akut gefährdet, schon ausgestorben oder verschollen. Und mit jeder Art, die verschwindet, gefährden wir andere Arten, werden existenziell wichtige Ökosysteme fragiler.
Was heißt eigentlich Vielfalt?
Ungefähr 3,5 Prozent der weltweit bekannten Arten sind in Deutschland heimisch. Drei Viertel davon sind Insekten, außerdem gibt es in Deutschland 328 verschiedene Brutvögel , 104 Säugetiere und die heimische Flora umfasst knapp 9.500 Arten. An der Spitze der Vielfalt stehen allerdings die Pilze mit rund 14.000 bekannten Arten.
Doch die Situation ist dramatisch: fast 30 Prozent der in der Roten Liste aufgeführten Pflanzenarten sind bestandsgefährdet. Bei den Brutvögeln sind es über 50 Prozent, die gefährdet oder bereits ausgestorben sind.
Die Bausteine unserer Welt
Weltweit haben wir bis heute 1,25 Millionen Arten beschrieben. Wie viele es wirklich sind, ist aber noch völlig unklar. Die Vielfalt der Arten ist der Grundpfeiler der Ökosysteme, die das Leben insgesamt und damit auch unser Leben überhaupt erst ermöglichen. Nur bei rund 134.000 Arten ist der Gefährdungsstatus (nach IUCN) überhaupt bekannt, bei vielen fehlen grundlegende Informationen. Global gelten rund 16.000 Arten als gefährdet, bei 90 Prozent aller beobachteten Arten geht der Bestand zurück. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Denn Ökosysteme...
- produzieren Sauerstoff
- filtrieren Wasser
- regulieren das Klima
- schützen vor Erosionen
- ermöglichen Bestäubung
- sorgen für Bodenbildung
- sind Lebens- und Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen
- bieten Nahrung, Ressourcen und Rohstoffe
Krise in der Krise
Klimakrise und Artensterben stehen im direkten Zusammenhang. Bei einer Erderwärmung von plus 1,5 Grad sterben bereits viele Arten, beispielsweise Korallen. Die Verschiebung der Jahreszeiten zeigt schon jetzt negative Auswirkungen auf Zugvögel. Zunehmende Extremwetter-Ereignisse wie Überflutungen, Dürre- oder Kälteperioden gefährden Populationen direkt und akut. Deswegen ist die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens für den Erhalt der Artenvielfalt eine Grundvoraussetzung, ebenso wie der naturverträgliche Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie Erhalt und Förderung von natürlichen Kohlenstoffspeichern wie Wäldern und Mooren.
Natur- und Klimakrise müssen gemeinsam gelöst werden.
Forstwirtschaft
Unsere Wälder leiden unter dem Klimawandel und intensiver Forstwirtschaft. Dürren, Waldbrände, aber auch eingeschleppte Krankheiten sind die Symptome. Dabei ist das Ökosystem Wald ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Klimakrise.
Deswegen müssen wir:
- Alle Ur- und Altwälder unverzüglich erfassen und schützen.
- Wo immer möglich neue Wälder wachsen lassen, bestehende Wälder verjüngen, Erhalt und Ausbau natürlicher Wälder fördern.
- Waldschutzgebiete klar definieren, Erhaltungsziele und Maßnahmen definieren, Umsetzung überwachen.
Landwirtschaft
Fast die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Flächen, die immer intensiver genutzt sowie mit schwereren Maschinen und Pestiziden bearbeitet werden. Dadurch sind Lebensräume für viele Arten verloren gegangen, auch die Vielfalt entlang der Ackerflächen geht weiter zurück. Hinzu kommen direkte Schäden durch die Verschmutzung von Luft und Grundwasser. Deswegen fordert der NABU einen Wandel in Richtung ökologischer Landbau.
- Die Artenvielfalt muss in der Agrarlandschaft die gleiche Bedeutung bekommen wie die landwirtschaftliche Produktion.
- Öffentliche Gelder sollen nur für Maßnahmen fließen, die in der Agrarlandschaft nachweislich dem Erhalt der Ökosysteme dienen.
- Der Anteil der nachhaltig ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen muss bis 2030 auf mindestens 30 Prozent steigen.
Urbanisierung
70 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Städten, Tendenz steigend. Während Gebäude, Straßen und Gewerbeflächen die Artenvielfalt bedrohen, können Parks, Friedhöfe oder alte Gebäudekomplexe sie aber auch fördern. Der Trend für mehr Stadtnatur ist allerdings negativ – deswegen fordert der NABU dafür einen anderen Stellenwert in der Stadtplanung:
- Stadt- und Regionalplanung müssen den Erhalt von Tieren und Pflanzen stärker als bisher berücksichtigen – auch innerhalb der Städte können neue Lebensräume entstehen.
- Öffentliche Flächen aber auch private Gärten und Grünflächen müssen verpflichtend giftfrei und naturnah gestaltet und gepflegt werden.
Verinselung
Intensive Landwirtschaft, Urbanisierung, Ausbau von Straßen und Schienen – all das trägt zur Zersiedelung bei und gefährdet damit auch Wildtierpopulationen. Die Folgen: Zunehmende Verkehrsunfälle mit Wildtieren bis hin zur genetischen Verarmung bestehender Populationen. Deshalb fordert der NABU:
- Naturräume dürfen nicht weiter zerschnitten werden.
- Europäische und nationale Wildtierkorridore müssen Vorrang in der Raumordnung haben vor Siedlungs- und Infrastrukturprojekten.
- Wildtierkorridore, Trittsteine und Grünbrücken müssen verpflichtend in den Stadt-, Straßen- und Landbau aufgenommen werden.
Lichtverschmutzung
Künstliches Licht wirkt sich negativ auf die biologische innere Uhr aus. Fehlt die Dunkelheit der Nacht, verändern sich Lebensräume, Tiere und Pflanzen verhalten sich anders. Das führt unter anderem dazu, dass Insekten verschwinden, Pflanzen zur falschen Zeit Knospen bilden, Fledermäuse ihre Quartiere und Zugvögel die Orientierung verlieren. Der NABU fordert deswegen Gegenmaßnahmen:
- Eine „Bundesverordnung zur Reduktion von Lichtverschmutzung“, basierend auf ökologischen Erkenntnissen.
- Einsatz umweltfreundlicherer Beleuchtung und Reduktion überflüssiger Beleuchtung.
Chemikalien
Die vielfältigen negativen Auswirkungen von Chemikalien auf Pflanzen, Tiere und ganze Ökosysteme werden stark unterschätzt. Pestizide, Pharmazeutika, Schwermetalle, Kohlenstoffe und zahlreiche weitere Substanzen finden sich in fast allen Mitteln und Gegenständen, die wir regelmäßig kaufen und nutzen. Der Einsatz dieser bedenklichen Stoffe muss deswegen sinken. Der NABU fordert deshalb:
- Substanzen auf ökotoxikologische Gefahren und mit Blick auf den Verlust von Biodiversität zu untersuchen.
- Bei jedem neuen Produkt von Beginn an mitzudenken, welche Gefahr für die Umwelt besteht, wenn verwendete Chemikalien freigesetzt werden. Dafür müssen auch Regeln und Gesetze verschärft werden.
Projekte zum Erhalt der Artenvielfalt
Wie wir die Vielfalt direkt gefährden
Der Mensch beeinflusst seine Umwelt wie kein Lebewesen in der Erdgeschichte. Die Nutzung von Arten übersteigt in der Regel die Grenzen der Nachhaltigkeit um ein Vielfaches. So sind 30 Prozent der genutzten Fischbestände schon jetzt überfischt, 60 Prozent sind maximal ausgebeutet. Die Kollateralschäden des industriellen Fischfangs sind unter anderem Wale, Haie, Meeresschildkröten oder Meeresvögel.
Bisweilen hat es der Mensch geschafft, ganze Landstriche umzuformen. Die Entwaldung in Europa (wie beispielsweise die gemäßigten Regenwälder Schottlands) und die massive Überweidung durch Ziegen, Schafe und Rinder führten zu einer menschengemachten Landschaft, die keinen Platz mehr für große Säugetiere wie Luchs, Bär oder Elch vorsah. Gleichzeitig war es ebenfalls der Mensch, der aktiv an der Ausrottung der Großsäuger beteiligt war und noch immer ist.
Die Nutzung der Natur findet aus Sicht des NABU ihre Grenzen dort, wo Arten und Lebensräume beeinträchtigt und günstige Erhaltungszustände nicht gewährleistet sind.
Illegaler Tierhandel - auch vor unserer Tür
Die illegale Tötung von Wildtieren ist ein weltweites Problem, das sich auch vor unserer Haustür abspielt. Sie reicht von ziehenden Neuntötern an der ägyptischen Küste über Elefanten, Nashörner, Tiger bis hin zu Luchs, Wolf, Fischotter, Habicht und Wanderfalke, um nur ein paar zu nennen. Der illegale Handel mit Arten oder ihrer Derivate (zum Beispiel Elfenbein) verläuft entlang weltweiter Routen, die untrennbar mit dem illegalen Handel mit Waffen und Drogen verbunden sind.
Der internationale Handel und die weltweite Reisetätigkeit sorgt zudem für eine unnatürliche Ausbreitung von Arten über geografische Grenzen hinweg. Allein in der EU schätzt man die Anzahl von gebietsfremden Arten auf 12.000. Erfahrungsgemäß haben davon 10-15 Prozent invasives Potenzial und damit zum Teil erheblich negative Einflüsse auf die biologische Vielfalt. Die Gefahren sind vielfältig und reichen von Konkurrenz, Prädation, Hybridisierung bis hin zur Übertragung von Krankheitserregern.
Wir haben es in der Hand
Das NABU-Grundsatzprogramm Artenvielfalt steht für unsere Hoffnung, dass wir das Schlimmste noch abwenden können. Getragen wird diese Hoffnung von internationalen Studien, die dazu anhalten, dass wir die unter Naturschutz stehenden Flächen vergrößern und degenerierte Ökosysteme wiederherstellen müssen.
Wenn wir bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts die Artenkrise wenden wollen, dann müssen wir jetzt die Weichen anders stellen und den Mut haben, Artenschutz auf Landschaftsebene zu denken und umzusetzen. Notwendig sind umgehendes und ambitioniertes Handeln sowie der Wille zum Erfolg.
Packen wir es gemeinsam an! Artenschutz ist machbar!