Was passiert eigentlich hinter der strahlenden Fassade von ChatGPT? Die Technologie wenigstens ungefähr zu verstehen ist neben einer realistischen Arbeitshypothese (Der durchgeknallte Praktikant) der zweite Schlüssel, um sie produktiv einzusetzen. Und dazu muss man vor allem ihre massiven Limitierungen verstehen.
Milliarden Seiten Text, Billionen Wörter. Datenmengen jenseits aller Vorstellungskraft, genutzt von Algorithmen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat – kein Wunder, dass wir Wunder erwarten.
In bestimmten, eng umgrenzten Bereichen geschehen diese Wunder auch.
In Kreation jedoch nicht. Wie kann das sein? Grund dafür sind exakt jene Faktoren, die eigentlich als „angeborene“ Stärken der KI gelten: Daten und Statistik.
Daten: Yann LeCun, Meta´s Chief AI Officer formulierte es vor ein paar Wochen so: „It´s really not that much data.”
Really? Yes. Aus zwei Gründen.
Erstens: Jedes vierjährige Kind hat in den 16.000 Stunden, die es in seinem Leben wach verbracht hat, 100x mehr Daten aufgenommen als die leistungsfähigste KI der Welt. Allein über den Sehnerv ungefähr 20 Millionen Byte. Pro Sekunde.
Zweitens: Es ist nicht nur „not that much“, es ist außerdem „nur“ Text.
Kein Verständnis der Welt und ihrer physischen Natur. Kein emotionales, soziales, sensorisches, ästhetisches Wissen. Keine echte Ahnung von Schwerkraft oder Schwermut, davon wie Eifersucht uns trifft oder der Eiffelturm. Man kann alles über den „ersten Kuss“ gelesen haben (ChatGPT hat das definitiv) – und weiß trotzdem nichts, bis man ihn selbst erlebt hat.
Es ist genau dieses Wissen um die Welt, dieses tiefe Eingebettet sein in ein Universum multiqualitativer Informationen, das KI fehlt und das uns befähigt, die komplexeste Spezies zu erreichen, die wir kennen: Menschen.
Statistik: Natürlich ist es spektakulär, dass die Large Language Models (LLMs) Immanuel Kants „Kritik der Reinen Vernunft“ kennen, alle Haikus Japans, sämtliche Newsletter von WalMart, jeden Harry-Potter-Band und Millionen Websites. Aber was dann mit diesen Daten passiert, ist am Ende immer noch – Statistik.
Die Token Ranking Strategy der LLMs sagt ein besonders wahrscheinliches nächstes Wort vorher. Aber eben nur ein wahrscheinliches – nicht das treffendste, berührendste, aufregendste Wort. Ob dieses wahrscheinliche Wort uns ins Mark trifft oder an uns abperlt, davon hat KI schlicht keinen Schimmer. Die Treffer der KI sind Wahrscheinlichkeitstreffer. Keine Treffer, geboren aus einem tiefen Verständnis dafür, was Menschen bewegt, was uns als Spezies verbindet, welche Ängste und Hoffnungen wir teilen.
Wir können durchaus Genialität vom „durchgeknallten Praktikanten“ erwarten,
aber immer nur punktuell, ungewichtet und von der KI selbst unverstanden.
Der eigentliche Grund, warum die Texter-Apokalypse abgesagt ist, liegt in uns selbst, in den 16.000 wachen Stunden und allen, die noch folgen.
KI kann nicht nur nicht alles –
sie kann ganz entscheidende Dinge überhaupt nicht.
Morgen mehr.