Friedrich Naumann Foundation for Freedom reposted this
Leiter Kommunikation und Hauptstadtbüro bei Institut der deutschen Wirtschaft - Lehrbeauftragter an der Universität Bonn
Heute vor 105 Jahren wurde Walter Scheel, der vierte Präsident der Bundesrepublik, geboren. Er und sein Wirken sind heute weithin vergessen. Vor drei Jahren habe ich mit Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit einen Band mit den "Unerhörten Reden" Walter Scheels herausgeben. Dabei haben meine Mitautoren Gundula Heinen und Ewald Grothe insgesamt 16 Reden mit einem einleitenden Essay versehen. Scheels Karriere in öffentlichen Ämtern ist beeindruckend, zumal er dabei alle Stufen in jungen Jahren, manche als bis dahin Jüngster, erklommen hatte: Parlamentarier auf allen vier Ebenen, erster Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit im letzten Kabinett von Bundeskanzler Konrad Adenauer und anschließend in der Regierung von Ludwig Erhard. Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Bundesvorsitzender der FDP, Außenminister in der sozialliberalen Koalition, schließlich Bundespräsident. Viele seiner Reden sind auch heute noch lesenswert, erstaunlich modern, beinahe zeitlos. Diese Attribute passen ebenfalls auf den Parteipolitiker Walter Scheel - seine Reden zu den jeweiligen Anlässen zeugen davon: In den legendären, gut konservierten „Freiburger Thesen“ von 1971 ein eigenes Kapitel zur Umweltpolitik – Premiere im Programm einer deutschen Partei. Die koalitionspolitische Offenheit, die sich die FDP mit Hilfe Scheels zunächst in NRW und dann im Bund zulegte. Die Bedeutung des Themas Bildung, verbunden mit der liberalen Indienstnahme intellektueller Kaliber wie Ralf Dahrendorf. Eine weitere Kategorie, in der Scheel inspirierend für die heutige Politikgestaltung sein kann, ist die symbolisch-zeremonielle Ebene. Diese in der Bundesrepublik unterbelichtete Disziplin ist schwerlich aus Redetexten herauszulesen. Einfangen lässt sich hingegen deren Fertigungstiefe jenseits der polierten Oberfläche, die für viele bundespräsidiale Reden typisch ist. Und Protokoll ist eben mehr als nur schöner Schein. Den wiederum suchte Scheel nach dem Ausscheiden aus seinen staatsoffiziellen Ämtern etwas zu sehr – was mit ursächlich dafür sein dürfte, dass er in Vergessenheit geriet. Nicht vollkommen frei von Mitnahmeeffekten zu sein, war für die bundesrepublikanische Aufstiegsgeneration nach dem Zweiten Weltkrieg wohl bei denen, die konnten, durchaus gängig. Gegen Ende der Bonner Republik wurde dieser Charakterzug zunehmend von einem Hauch der Tragik umflort. Hinsichtlich dessen sorgten in seinen letzten Lebensjahren bestenfalls exzentrisch zu nennende Auftritte der dritten Ehefrau für Aufsehen. Sie übrigens ist heute auf den Tag genau vor einem Jahr verstorben. Der Band mit den "unerhörten Reden" findet sich hier: https://lnkd.in/esYSqb5B Und zum Nachhören ein Hörtipp aus dem Deutschlandfunk, ein Interview zum 100. Geburtstag Walter Scheels von vor fünf Jahren - gewissermaßen auch aus der Kategorie "zeitlos": https://lnkd.in/ebZynpTM
Die allerletzten Restexemplare des Scheel-Reden-Buches sind unter archiv.fnf@gmail.com gratis beziehbar.
Top - ein super Projekt! Glückwunsch!
Schöne Einordnung.
Managing Director / Geschäftsführerin, Specialist lawyer for construction and architects law / Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
3wDanke, lieber Dr. Knut Bergmann fürs Aufbereiten. Ich wusste nicht, dass erstmals Walter Scheel den 8.5.1945 auch als Tag der Befreiung und nicht nur als Niederlage geprägt hat.