„Wir lieben es Rennen zu fahren und zu schneiden“

Es ist kurz nach Mitternacht, als in Wien-Heiligenstadt die Motoren aufheulen, dort wo Döbling noch kein Nobelbezirk ist. Blitzblank poliert sind die PS-starken Gefährte, das Fahrgestell ist tiefer gelegt, röhrende Auspuffanlagen durchbrechen die Stille der Nacht. Alle Extras seien aber serienmäßig, versichert man uns. Zu den Treffpunkten der jungen Männer, die meist ihre Wurzeln in der Türkei haben, zählen Tankstellen sowie die Parkplätze einer bekannten Fast-Food-Kette. Aus den geöffneten Fenstern klingt türkische Musik.

Cola fließt in Strömen, Alkohol ist bei den Jungs sowieso tabu. Jeder ersparte Euro fließt in das Aufmotzen ihrer Boliden. Dabei fahren sie hauptsächlich auf deutsche Fabrikate ab. „BMW ist ein Türkenmobil“, meint PS-Fan Emre. Aber auch Audi und Mercedes mischen mit.

Man trifft sich hier, tauscht sich aus. Dann geht es zum Rennen auf den Gürtel, aber nicht immer. Natürlich hat die Polizei die Szene im Visier. Die Strafen sind hoch. Neulich habe ein Freund 500 Euro gezahlt, weil sein Gefährt zu laut war. Stoßstange an Stoßstange fahren die Fahrzeuge auf dem Parkplatz vor. Ein Auto ist sogar in eine Glitzerfolie gehüllt. 

Diesel und Benzin statt E-Mobilität
„Wir lieben es, unsere Ware zu präsentieren“, sagt ein anderer. „Wir lieben es, Rennen zu fahren, zu schneiden, das ist unserer Prinzip. Was Anderes kannst in Wien eh nicht tun“, ist der Besitzer eines 265-PS-starken Mercedes überzeugt. Der Umstieg aufs Elektromobil sei für die jungen Männer undenkbar. Damit könne man keinen Krach machen. Heiße Öfen ziehen bekanntlich schöne Frauen an. Das sei meist der Hauptgrund, warum sie hier auffahren. 

Einen Unfall wegen Rasens hat Emre auch schon gehabt. Das sei sehr schlimm gewesen. Er möchte lieber nicht darüber sprechen. Trotzdem steigt der 18-Jährige wieder fest aufs Gaspedal. Nach Heiligenstadt kommen die Burschen immer am Wochenende. Wenn der Wagen längst wieder zuhause geparkt ist, dreht sich immer noch alles ums Autos. Verkaufsplattformen werden durchforstet und Angebote per WhatsApp an die Freunde gesendet. 

Was passiert, wenn der Wagen wegen eklatanter Geschwindigkeitsüberschreitung beschlagnahmt wird? „Das ist mein Eigentum. Da verbrenne ich es lieber“, zeigt sich Emre emotional. Seine Freunde stimmen ihm zu.

Harte Strafen für Raser in Österreich
Seit dem 1. März gelten in Österreich strenge Strafen und hohe Bußgelder für Raser und Raserinnen. Bei extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen kann nun auch das Fahrzeug beschlagnahmt werden. Zwischen dem 1. Jänner und dem 7. Juli 2024 gab es 143 Verkehrstote auf Österreichs Straßen. Raser und Raserinnen setzen nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel, sondern gefährden auch unschuldige Verkehrsteilnehmer.