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Der NPS ist eine gut bekannte und viel genutzte Kennzahl, wenn es um die Qualität der Kundenbeziehungen geht. Allerdings zeigt er bedeutende Schwächen vor allem in der Ableitung von Strategien und in der vertrieblichen Nutzbarkeit. Leif Steinbrinker und Jonas Lang von 2HMforum. erklären, wie das Fan-Prinzip in Verbindung mit dem NPS den Kundenwert valider messbar macht. Der NPSplus ermöglicht außerdem die Segmentierung von Kunden, die Ableitung zielgerichteter Maßnahmen zur Steigerung des Kundenwerts und die Aktivierung von vertrieblichem Potenzial.
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Es ist 20 Jahre her: 2003 stellt Professor Fred Reichheld in einem Artikel im Harvard Business Review den Net Promotor Score (NPS) vor. Seitdem hat sich diese Kennzahl zu einer zentralen Messgröße für die Qualität von Kundenbeziehungen entwickelt. Die Messung ist schnell, einfach und kostengünstig durchzuführen und wird mittlerweile von zahlreichen Unternehmen eingesetzt und von vielen Vorständen und Aufsichtsräten gefordert.
Gleichzeitig gibt es auch schon seit Jahren Kritik an diesem Score. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Doch dieser Artikel ist kein weiterer Abgesang auf den NPS. Ganz im Gegenteil: Durch die Erweiterung zum NPSplus wird die Strahlkraft und der Nutzwert dieser Kennzahl gesteigert. Die Notwendigkeit für diese Weiterentwicklung lässt sich am besten verdeutlichen, wenn man den NPS hinsichtlich der vier zentralen Aufgaben eines modernen Kennzahlensystems zur Steuerung der Kundenbeziehungen bewertet: Aufbau von Awareness, Aufzeigen des Status quo, Ableitung klarer Actions, Aktivierung von vertrieblichem Potenzial. 


1. Aufbau von Awareness: Der NPS ist einfach zu verstehen und leicht nachvollziehbar. Aus diesem Grund erfüllt er die erste Kernfunktion mit Bravour: Er lenkt die Aufmerksamkeit dauerhaft auf das Thema Kundenorientierung und dessen Erfolgsrelevanz – über alle Unternehmensbereiche hinweg. Nicht selten verstärkt eine Kopplung von Bonuszahlungen an den NPS-Score seine Bedeutung für die Mitarbeitenden zusätzlich. 

2. Aufzeigen des Status quo: Der NPS ermöglicht Unternehmen einen schnellen Blick auf die Beziehungsqualität zu den Kunden, auf Veränderungen im Zeitverlauf sowie auf die Positionierung im Markt. Allerdings deckt der NPS nicht alle Kunden-relevanten Aspekte ab. Deshalb ist es ratsam, ihn in Kombination mit anderen Metriken einzusetzen, um ein valideres Bild zu erhalten. Aufgrund seiner Einfachheit und guten Vergleichbarkeit ist er dennoch ein praktikabler KPI, um den Status quo der Beziehungsqualität zu messen.

3. Ableitung klarer Actions: Hier offenbart der NPS klare Schwächen – insbesondere im Hinblick auf das sich ändernde Rollenverständnis der betrieblichen Marktforschung. Bestand deren Rolle früher im Managen von Instituten und Studien und in der Lieferung von Daten an das Management, so hat sie heute einen zentralen Stellenwert auch als Berater bei der Ableitung von strategischen und operativen Handlungsempfehlungen. „Die betriebliche Marktforschung muss mehr liefern als nur Zahlen, Daten, Fakten. Wenn wir eine Studie durchführen, müssen wir daraus klare Handlungsempfehlungen ableiten, die zu einer Verbesserung unserer verschiedenen Aktivitäten im Markt führen sollten“, sagt Katja Popanda, Leiterin Market Insights for Business Strategy für Deutschland bei der Stada Arzneimittel AG.
Daher haben wir den NPSplus als Erweiterung der bekannten NPS-Metrik um die Kennzahlen Gesamtzufriedenheit und Emotionale Bindung eingeführt und ermöglichen die Anbindung an unser seit 20 Jahren verwendetes Modell „Fanomics“.
p&a

Die Ökonomie des Fan-Prinzips

Das Fan-Prinzip überträgt die Verhaltensweisen von Fans aus dem Sport und der Kultur auf Kundenbeziehungen. Der Kerngedanke: In ausgereiften Märkten erlaubt der Wert „Zufriedenheit“ kaum noch Differenzierungsmöglichkeiten, da sich in der subjektiven Sicht der Kunden Produkte und Leistungen verschiedener Anbieter in einer Kategorie ähneln wie ein Ei dem anderen.
Wir messen daher – abgeleitet aus den typischen Eigenschaften von Fan-Beziehungen – die Identifikation und die gefühlte Einzigartigkeit und errechnen daraus den Fan-Indikator, ein einfaches Maß für die emotionale Kundenbindung. Mit dem Fan-Indikator und der durch Korrelation mit der Zufriedenheit errechneten Fan-Quote haben wir eine Kennzahl entwickelt, die sich als validierter KPI für die Qualität von Beziehungen bewährt hat. Darüber hinaus ermöglicht uns diese Vorgehensweise, die Kunden im Fan-Portfolio entsprechend ihrem Kundenwert zu segmentieren, und zwar in Fans, Sympathisanten, Söldner, Gefangene und Gegner.
Warum ist die Ergänzung um den Blickwinkel der Emotionalen Bindung so zentral für die Weiterentwicklung des NPS-Trackings? Der NPSplus geht weg von einer rein Defizit-orientierten Betrachtung. Unternehmen sollen relevante Schwachstellen ausmerzen, aber nicht jedem beliebigen Hinweis aus dem Kundenfeedback nachgehen. Darüber hinaus wird die Anschlussfähigkeit an unser Managementsteuerungs-System Fanomics hergestellt, das detailliert die zentralen Implementierungsfelder beschreibt, mit denen die Fan-Quote und damit der Kundenwert systematisch gesteigert werden kann.

Der NPSplus zeigt Handlungs- und Vertriebsrelevanz

Die gleichzeitige Erfassung des NPS und der dem Fan-Portfolio zugrundeliegenden Daten ermöglicht die präzise Identifikation von Gruppen mit unterschiedlicher Beziehungsqualität – und damit verbunden auch die Ableitung konkreter Maßnahmen. Das ist beim klassischen NPS nicht möglich. Zusätzlich können durch die gemeinsame Erhebung die Segmente aus NPS und Fanomics untereinander in Relation gesetzt werden. Um das zu belegen, haben wir basierend auf Daten aus unserer Grundlagenforschung die drei Gruppen des NPS entsprechend ihrer Verteilung im Fan-Portfolio analysiert und dargestellt:
* Die Promotoren setzen sich zu 97 Prozent aus Fans, Sympathisanten und Söldnern – also aus hochzufriedenen Kunden – zusammen. Aber nur jeder zweite Promotor ist ein Fan – und damit ein Botschafter. Denn von Sympathisanten und Söldnern wissen wir, dass sie kaum weiterempfehlen.
* Unter den Passiven sind 70 Prozent bereits hochzufrieden (Fans, Sympathisanten, Söldner), weitere Maßnahmen zur Steigerung der Zufriedenheit wären also überhaupt nicht zielführend.
* Bei den Kritikern werden zufriedene Kunden ohne emotionale Bindung (Söldner), emotional gebundene Kunden, die unzufrieden sind (Gefangene), und Gegner, die weder zufrieden noch emotional gebunden sind, zusammengepackt. Maßnahmen, die diese Kunden beeinflussen sollen, wären unter diesen Vorzeichen eine Ressourcenvernichtung, da rund zwei Drittel der Kritiker bereits überdurchschnittlich zufrieden sind. Erst die Verbindung mit den KPIs von Fanomics ermöglicht gezielte Handlungsempfehlungen und passende Maßnahmen für alle Kundengruppen.
Das bedeutet: Will man Kunden entsprechend ihrer Beziehungsqualität und damit ihrem Kundenwert segmentieren und daraus zielgruppenspezifisch passende Strategien für die Loyalisierung ableiten, kommt man zusätzlich zum NPS am Fan-Portfolio nicht vorbei.

4. Aktivierung von vertrieblichem Potenzial: Das Gleiche gilt für die Aktivierung von vertrieblichem Potenzial – Kunden können anhand der NPS-Arithmetik alleine nicht bedarfsgerecht angesprochen werden. Der NPSplus kategorisiert hingegen direkt nach dem Kundenwert. Fans eignen sich etwa perfekt als Early-Adopter oder Testimonials, weil sie ihre Begeisterung gerne nach außen tragen. Söldner hingegen sind empfänglich für Sonderangebote, Gegner braucht man nicht anzusprechen, das wäre verlorene Liebesmüh. Erst die Personalisierung mittels Fan-Portfolio ermöglicht die individuelle zielgruppenspezifische Potenzialerschließung.
Jens Brech, Director Ownership Experience bei KIA Europe, schätzt den NPSplus-Ansatz: „Ich sehe eine NPSplus-Studie auch als Investition in vertriebliche und prozessuale Aktivitäten in Service und Sales. Der NPS hat hier zu hohe Streuverluste, mit dem NPSplus kann man gezielt auf die Kundengruppen zugehen.“ 
So läuft eine NPSplus-Studie ab: Um die Grundlage für eine kundenwertbasierte Unternehmenssteuerung zu schaffen, identifizieren wir zunächst die zentralen Bindungstreiber und die wichtigsten Touchpoints. In der Folge wird die Fan-Quote als Teil des regulären NPS-Trackings mit abgefragt.
Katja Popanda nutzt den NPSplus für Stada als Ansatz einer dauerhaften Tracking-Studie: "Dank unserer NPSplus-Grundlagenstudie wissen wir, welche Erwartungen unsere Kunden an welchem Kontaktpunkt haben und können sie gezielt verbessern. Das Tracking zeigt uns zeitnah, wie erfolgreich wir damit sind und an welchen Stellen wir uns noch weiter verbessern müssen. Der NPS bleibt uns dabei erhalten, aber eben mit stärkerer Vertriebs- und Marketingrelevanz.“
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Fazit: Dem NPS mit dem „plus“ eine Perspektive geben

Der NPS kann aufgrund seiner Schlichtheit und der einfachen Vergleichbarkeit weiterhin eine wichtige Rolle als KPI für die Qualität von Kundenbeziehungen spielen. Er muss aber weiterentwickelt werden, um ein umfassenderes Verständnis der Kundenerfahrung zu erhalten. Der NPSplus hat einen positiven Impact auf die Ableitung klarer Actions und die Aktivierung von vertrieblichem Potenzial. So wird der NPS zu einer pragmatischen und mehrwertstiftenden Kenngröße für alle Unternehmen.
Das Autorenteam
Jonas Lang, 2HMforum
FOTO: JANNIKA BERGOLD
Jonas Lang ist Mitglied der Geschäftsleitung bei 2HMforum. Er studierte Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Methoden der empirischen Sozialforschung, Medien- und Kommunikationswissenschaften und Öffentliches Recht an der Universität Mannheim.

Leif Steinbrinker, 2HMforum
FOTO: JANNIKA BERGOLD
Leif Steinbrinker ist geschäftsführender Gesellschafter von 2HMforum. Seine Schwerpunkte liegen in den Branchen Pharma, Automobil und Banken. Vor dieser Zeit war er in den USA für ein Vorgänger-Unternehmen von Amazon tätig sowie für Microsoft in Deutschland. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.



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