Ökodesign-Verordnung

Wie die EU kreislauffähig werden will

Mode, Lebensmittel, Elektronik – die Europäer konsumieren viel und werfen viel weg. Ändern will das die EU. Die Ökodesign-Verordnung steht in der Zielgeraden und will der Kreislaufwirtschaft ein Stück näherkommen.
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Hosen, Jacken, Shirts und so viele weitere Kleidungsstücke, so weit das Auge reicht. Auf dem Boden liegen ein paar Tops, die einige Besucher eben fallen gelassen haben, als sie sich Unmengen an neuer Kleidung auf den Arm geladen haben, um sich nun in die lange Schlange vor den Umkleidekabinen zu stellen. Doch niemand beachtet die heruntergefallenen Teile und niemand hebt sie auf. Auch an den Kassen ist nicht weniger los. Dort werden die vielen gekauften Teile eilig in große Tüten gepackt. Doch obwohl die Menge der gekauften Kleidungsstücke nicht gerade klein ist, der Preis ist es.

So sieht es an einem typischen Samstag in einem Laden einer großen Modekette in der Leipziger Innenstadt aus. Bei dem Einkaufserlebnis können Konsumenten aber schon einmal ins Grübeln kommen. Schließlich gilt gerade Fast Fashion als wenig ökologisch.

Auch in der Politik ist mittlerweile ein Bewusstsein dafür entstanden, dass Mode und andere Verbraucherprodukte zirkulärer werden müssen und dass es eine Entwicklung weg von der Wegwerfgesellschaft braucht. Dem Ziel der Kreislaufwirtschaft will die EU mit der Ökodesign-Verordnung näherkommen, die im Mai endgültig verabschiedet wurde. Sie ersetzt die bisher gültige Ökodesign-Richtlinie, die einen deutlich begrenzteren Umfang hatte.

Im Fokus der Ökodesign-Verordnung stehen dabei Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Aufrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten. Auch die Energie- und Ressourceneffizienz spielen künftig eine erhebliche Rolle.

Der digitale Produktpass: Ein Schritt in Richtung Transparenz

Ein zentraler Baustein der neuen Verordnung ist der digitale Produktpass. Dieser informiert über die Umweltverträglichkeit eines Produkts und ist durch das Scannen eines Datenträgers für Kunden, Unternehmen und prüfende Behörden leicht zugänglich.

Ganz neu ist die Idee eines Produktpasses nicht. Wie es gehen kann, zeigt das Unternehmen Circular Fashion aus Berlin. Das 2018 gegründete Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, die Modebranche kreislauffähig zu machen. „Wir haben geschaut, was den Akteuren fehlt, um Kreislaufwirtschaft in Aktion bringen zu können und haben dann eine Plattform entwickelt, die Unternehmen auf allen Ebenen des Lebenszyklus des Produktes unterstützt“, erklärt Mitgründerin und Geschäftsführerin Ina Budde.

„Auf der einen Seite betrachten wir den Aspekt des kreislauffähigen Designs und wollen die Produkte recyclingfähig und langlebig gestalten, auf der anderen Seite statten wir die Produkte mit einem Produktpass aus, der dann wiederum an die jeweiligen Stakeholdergruppen wie etwa Kunden oder Recycler verteilt werden kann“, so Budde.

Damit möchte Circular Fashion sowohl die Anforderungen an das Produkt selbst als auch an die Informationen über das Produkt beachten. Beide Anforderungen der neuen Ökodesign-Verordnung sieht Ina Budde als große Chance für Unternehmen, gleichzeitig aber auch als enorme Herausforderung. „In Zukunft wird das heutige lineare Geschäftsmodell nicht mehr tragbar sein. Deshalb müssen wir neue Praktiken schaffen, um auch in Zukunft überhaupt einen Zugriff auf Ressourcen zu haben.“

Herausforderungen der Ökodesign-Verordnung

So sei die neue Verordnung auch mit vielen Umstellungsprozessen verbunden, etwa im Bereich der Produktgestaltung oder der Beschaffung von nachhaltigen Rohstoffen. Hier sei es wichtig, sämtliche Wissens- und Einstellungsbarrieren in den Unternehmen zu überwinden und die Prozesse in den Unternehmen grundlegend umzustellen.

„Das Wichtigste ist, jetzt loszulegen und sich nicht entmutigen zu lassen von der Fülle an Regularien“, rät Ina Budde. „Gehen Sie stattdessen mit Ihrem Unternehmen in Aktion und schauen Sie, welche Ihrer Produkte schon Circular-Design-Kriterien erfüllen und welche noch Verbesserungsbedarf haben.“

Besonders wichtig sei die Zusammenarbeit im Unternehmen mit allen Akteuren entlang der Lieferkette eines Produkts. „Es fängt ganz am Anfang an, bei der Zielsetzung des Unternehmens“, erklärt die Geschäftsführerin von Circular Fashion. „Hier muss die Prozentzahl recycelter Inhalte, die eingesetzt werden sollen, genauso definiert werden wie die Langlebigkeit der Produkte.“

So könnten Designer, Produktmanager, Lieferanten und Hersteller dann gemeinsam schauen, wie das definierte Ziel umgesetzt werden kann. „Ein Aspekt ist hier natürlich auch der Preis. Denn es gibt Möglichkeiten, die diesen nicht unbedingt in die Höhe treiben müssen - trotz Veränderungen bezüglich der Recyclingfähigkeit eines Produkts“, sagt Budde. Man müsse all das gemeinsam entscheiden und sich dabei an den bisher schon standardisierten Produktkriterien und Rahmenwerke orientieren, auch wenn diese sich zum Teil noch in Entwicklung befinden.

Das Produktdesign muss nachhaltig werden

Ein weiteres Problem der Modebranche: Unverkaufte Textilien und Schuhe werden häufig vernichtet. Was bisher oftmals noch gängige Praxis war, soll nach der neuen Ökodesign-Richtlinie nun verboten werden. Unternehmen, die dennoch unverkaufte Waren vernichten, müssen künftig jährlich über die Menge der von ihnen entsorgten Produkte und die entsprechenden Gründe dafür berichten. Mit dem Verbot sollen Produkte möglichst lange im Umlauf gehalten werden und möglichst minimale negative Umweltauswirkungen haben.

Um die Wiederverwendbarkeit und Zirkularität von Produkten sicherstellen, ist das Design der Produkte ein ganz zentraler Aspekt. Mit nachhaltigem Design kennt sich Felix Volmari sehr gut aus – er ist studierter Industriedesigner und bei der Strategieberatung Diffferent tätig, wo er sich auf das Themengebiet Nachhaltigkeitsmanagement spezialisiert hat.

„Um ein Produkt nachhaltig zu gestalten, muss der komplette Produktlebenszyklus betrachtet werden“, erklärt Volmari. Wichtig sei dabei das Zusammenspiel von Produkt- und Prozesseigenschaften. „Produkteigenschaften beschreiben etwa, welche Materialien eingesetzt werden oder wie viel Energie ein Produkt verbraucht, Prozesseigenschaften sind die Ausgestaltung und Durchführung der Prozesse in den Vorketten, Nutzungsphasen und Entsorgungsphasen von Produkten.“

Damit Designer dieses Zusammenspiel von Produkt- und Prozesseigenschaften möglichst ökologisch gestalten, gibt es eine Reihe von Ökodesign-Prinzipien, an denen sie sich orientieren können: Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Materialeffizienz, Energieeffizienz, Problemstoffarmut, die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen sowie die Kreislaufähigkeit eines Produktes.

„Designer müssen in Zusammenarbeit mit Ihren Kunden und Nutzern untersuchen, welche Produkte zukünftig überhaupt noch notwendig sind, um unsere Bedarfe zu befriedigen“, sagt Volmari. Ein gutes Beispiel sei hier etwa die Mobilität. Denn ein ökologisch gestalteter PKW sei zwar umweltfreundlicher als ein konventioneller Verbrenner-PKW, ein ökologisch designter Sharing-PKW könne die Umweltbilanz jedoch noch weiter senken.

Volmari sieht aber in Sachen Ökodesign noch Nachholbedarf: „Das betrifft beispielsweise die einfache Reparatur von Produkten. Denn Designer müssen Produkte auch so gestalten, dass die Nutzer eine starke Bindung zu ihnen aufbauen und sie für lange Zeit in ihr Leben passen.“

Der Stellenwert der Ökodesign-Richtlinie

Wenn das gelingt und die Anforderungen der Ökodesign-Richtlinie wie geplant umgesetzt werden, können nach EU-Angaben bis 2030 Primärenergieeinsparungen von etwa 150 Milliarden Kubikmetern Erdgas erzielt werden.

„Grüne Produktentwicklung ist die Stellschraube, die über einen Großteil der Umweltwirkungen von Produkten bestimmt: Von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Reparier- und Recyclingfähigkeit“, fasst Laura Spengler die Relevanz der neuen Verordnung zusammen. Sie ist Umweltwissenschaftlerin und arbeitet seit 2019 als Fachgebietsleiterin beim Umweltbundesamt. Grünes Produktdesign sei nicht nur gut für die Umwelt, sondern sichere auch die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

„Einige Unternehmen sind diesbezüglich schon gut aufgestellt, anderen fehlt es noch an einer ganzheitlichen Strategie.“ Deshalb sei eine Lebenszyklusanalyse für den ökologischen Fußabdruck der Produkte von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling äußerst sinnvoll. „Die neue Richtlinie konzentriert sich ja nicht mehr nur auf Produkte, die im Betrieb Energie verbrauchen, sondern es geht auch um Textilien und andere Produkte“, erklärt Spengler.

Außerdem habe man ein Paket gegen unlauteren Wettbewerb auf den Weg gebracht, das Unternehmen vor Greenwashing-Konkurrenz schützen soll. Doch nicht nur bei Unternehmen gewinnt das Thema rund um nachhaltige Produkte an Relevanz, auch die Verbraucher beschäftigen sich zunehmend mit Nachhaltigkeitssiegeln auf Produkten. „Etwa die Hälfte gibt an, Produkte mit Umweltsiegeln zu kaufen, aber nur zehn Prozent tun es wirklich“, beschreibt Spengler den aktuellen Stand. Auch hier ist also noch Handlungsbedarf vorhanden.

Ökodesign-Verordnung

Wie geht es nun mit der Ökodesign-Verordnung weiter? Da sowohl Mitgliedsstaaten als auch EU-Rat im Mai dieses Jahres die Verordnung angenommen haben, tritt sie 20 Tage, nachdem sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, in Kraft. Die Ökodesign-Verordnung selbst legt aber noch keine Anforderungen an die betroffenen Produkte fest. Wird künftig eine Verordnung für eine Produktkategorie verabschiedet, haben Unternehmen 18 Monate Zeit, um ihre Produkte entsprechend der Verordnung umzugestalten.

Mehr Infos zur Ökodesign-Verordnung und weitere grüne Themen finden Sie auf dem Portal "Green Works".  



Dieser Text erschien zuerst auf www.how-green-works.de.

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