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Wir sollten barfuß ins Büro: Spott gegenüber Baerbock spricht die Sprache der Engstirnigkeit

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Auch Außenministerin Annalena Baerbock, hier beim Besuch des Inselstaats Palau, ist mal barfuß im Dienst.
Auch Außenministerin Annalena Baerbock, hier beim Besuch des Inselstaats Palau, ist mal barfuß im Dienst. © IMAGO/Thomas Imo/photothek.net

Wer heute noch glaubt, dass Kompetenz und Professionalität von der Kleiderordnung abhängen, hat wohl was verpasst. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.

Annalena Baerbock zieht blank an den Füßen. Ex-Fußballprofi Tabea Kemme moderiert in Latzhose und Flipflops. Und schon laufen die Kommentarspalten zahlreicher Social Media Plattformen über mit tadelnden Kommentaren. Die Nation steht kopf und schreit nach angemessenen Outfits. Zurecht? Sind Kleiderregeln im Job noch zeitgemäß?

Baerbock gibt sich bodenständig

Die Außenministerin gibt sich bodenständig, mutig und authentisch, wenn sie ihre Schuhe in Talkshows, am Strand oder im Matsch ablegt. Sie weiß mit Sicherheit, dass viele den für Politikerinnen üblichen Dresscode bevorzugen. Was wäre, wenn wir alle diesem Beispiel folgten, anstatt uns darüber aufzuregen?

Gerade diskutiere ich mit einem Netzwerkpartner bei Linkedin darüber, ob Wirtschaftsprüferinnen Kostüm und geschlossene Pumps gegen Sommerkleidchen und Sandalen eintauschen dürfen. Ich finde, das sollten sie unbedingt tun, wenn sie das möchten. Was nützt uns die Kleideretiquette im Büro, wenn wir uns den ganzen Tag eingeengt fühlen und unnötig leiden? Beweisen wir damit unser Durchhaltevermögen oder sagen wir nur aus, dass wir uns an Vorschriften halten können?

Kompetenz und Professionalität hängt nicht von der Kleiderordnung ab

Ich glaube, das Anpassen einer starren Kleiderordnung kommuniziert vor allem, dass wir auch im Berufsalltag dafür sorgen uns bestmöglich zu fühlen. Im Grunde ein guter Ansatz. Schwierigkeiten entstehen nur dann, wenn barfüßige Sender auf Schuh tragende Empfänger treffen, die nicht bereit sind, die Kongruenz in ihren Botschaften zu finden. Ein typisches Kommunikationsproblem, das sich über konstruktive Gespräche wahrscheinlich schnell aus der Welt schaffen ließe. Aber wer möchte sich schon produktiv austauschen, wenn es so viel leichter fällt, die Meinung mit tadelnden Blicken zu äußern oder sie in die Kommentarspalten von Online-Plattformen zu brüllen.

Der Spott gegenüber Baerbock und Kemme spricht vor allem die Sprache der Engstirnigkeit. Wer heute noch glaubt, dass Kompetenz und Professionalität von der Kleiderordnung abhängen, hat wohl verpasst, dass Steve Jobs, Mark Zuckerberg oder Elon Musk schon vor Jahren auf formelle Business-Uniformen gepfiffen haben. Ihre Erfolge wird ihnen wohl niemand mehr absprechen. Bleibt die Frage offen, ob wir auch bei der Kleidung im Job noch mit einem Gendergap kämpfen. Ich hoffe nicht.

Die Autorin schreibt Bücher und Texte für Expertinnen und Künstler. und verlegt Sachbücher im eigenen Montagshappen Verlag.

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