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Auch US-Truppen in Europa alarmiert: Wie Putins Russland in Nato-Ländern Sabotage einsetzen könnte

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Russland versucht wohl, durch Sabotage in ganz Europa für Unruhe zu sorgen. Während des Nato-Gipfels wurden sogar die US-Streitkräfte in der EU in Alarmbereitschaft versetzt.

Während die Nato bei ihrem Gipfel über das Alter Joe Bidens oder den Beitritt der Ukraine diskutiert, haben die US-Truppen in Europa ganz andere Sorgen. Sie fürchten offenbar konkrete Sabotageangriffe russischer Akteure. Die US-Militärbasen in Europa sind in der ersten Juli-Woche deswegen zum ersten Mal seit zehn Jahren in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden, wie CNN meldete. Mehrere Basen hätten die zweithöchste Alarmstufe „Charlie“ ausgerufen, berichtet der Sender unter Berufung auf anonyme Quellen. Dieser gelte nach Angaben der US-Armee, wenn es bereits einen Zwischenfall gebe oder wenn „nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorliegen, die darauf hindeuten, dass eine terroristische Aktion oder ein Anschlag auf Personal oder Einrichtungen wahrscheinlich ist“.

Ob es einen Zusammenhang zwischen der Alarmbereitschaft und dem Nato-Gipfel gibt, ist unklar. Experten aber warnen seit langem vor einer starken Zunahme russischer Sabotageakten in ganz Europa, einschließlich dem Ostseeraum und dem hohen Norden. Russland führe zwei Kriege, sagte kürzlich Finnlands Präsident Alexander Stubb: einen konventionellen in der Ukraine und einen hybriden gegen Europa und den Westen. Dazu gehören neben Sabotageakten auch militärische Provokationen, etwa durch Kampfjets im Nato-Luftraum, sowie Cyber-Attacken und Falschinformationen. Die designierte EU-Außenbeauftragte, Estlands Noch-Ministerpräsidentin Kaja Kallas, sprach von einem „Schattenkrieg“ Russlands und forderte, der Westen müsse seine Reaktion darauf besser koordinieren.

Rauchwolke beim großbrand einer Metallfabrik der Firma Diehl in Berlin-Lichterfelde Anfang Mai
Russische Sabotage? Ungeklärter Brand einer Metallfabrik der Firma Diehl in Berlin im Mai – das Unternehmen stellt auch das Luftverteidigungssystem Iris-T SLM her, das Deutschland an die Ukraine geliefert hat. © Marius Schwarz/Imago

Schattenkrieg aus Putins Russland? Ursprung unklar – doch EU-Leute sehen Zusammenhang

Man habe in den letzten sechs Monaten eine „beispiellose Eskalation und Ausbreitung der hybriden Kriegsführung Russlands“ beobachtet, zitierte CNN am Mittwoch einen hochrangigen Nato-Beamten. Dazu gehöre unter anderem „physische Sabotage“ an den für die Ukraine bestimmten Nato-Waffenlieferungen. So gab es unter anderem Fälle von Brandstiftung in Lagerhäusern mit für die Ukraine bestimmten Waffen. In London wurden in einem solchen Fall mehrere Männer angeklagt, im Auftrag russischer Geheimdienste ein solches Lagerhaus in Brand gesetzt zu haben. Ermittler entdecken laut CNN zudem Überwachungskameras an Orten, wo die Nato ukrainische Truppen ausbildet. Im April waren zudem zwei Deutschrussen festgenommen worden, die im Auftrag Russlands Bomben- und Brandanschläge auf US-Militäreinrichtungen geplant haben sollen.

Dass die Russland zugeschriebenen Sabotageakte oftmals vereinzelt und ohne erkennbaren Zusammenhang geschehen, mag Teil einer gezielten hybriden Kriegführung sein, die für ständige Störungen unklaren Ursprungs sorgen soll. Doch inzwischen stellen EU-Sicherheitsbeamte den Zusammenhang zunehmend her, und da führen viele Spuren eben nach Moskau. So brachten sie zuletzt auffällige Brandanschläge und Explosionen in London, Riga, Prag oder Paris mit Russland in Verbindung. Als im Mai in Polens Hauptstadt Warschau das größte Einkaufszentrum der Stadt namens Marywilska 44 in Flammen aufging, sagte Ministerpräsident Donald Tusk, dahinter stecke „wahrscheinlich“ Russland.

Russland unter Verdacht: Sabotageakte bleiben im Dunkeln

Rostige Tanker voller russischen Erdöls fahren ohne Transpondersignal an den Küsten der Nato-Länder durch die Ostsee, Unfälle oder eine Ölpest nehmen sie gezielt in Kauf. Die schwedische Marine beobachtete unweit der Küste solche Schattentanker, die mit Kommunikationsgeräten ausgestattet sind, die von normalen Handelsschiffen in keiner Weise benötigt werden. „Die russische Schattenflotte scheint gleichzeitig eine Spionageflotte zu sein“, schreibt Elisabeth Braw, Expertin für Grauzonentaktiken bei der US-Denkfabrik Atlantic Council. Hinzu kamen im Oktober 2023 ominöse Schäden an Unterwasserleitungen zwischen Finnland, Schweden und Estland, die die betroffenen Staaten russischer Sabotage zuschreiben.

Manche Fälle bleiben lange unklar – wie etwa der Brand Anfang Mai bei dem deutschen Unternehmen Diehl, das unter anderem das Luftverteidigungssystem „Iris-T SLM“ produziert, das Deutschland an die Ukraine geliefert hat. Das Feuer brach in einem Werk von Diehl-Metall in Berlin aus, das keine Waffen produziert, und wurde zunächst auf einen technischen Defekt geschoben. Videokameras hatte das Feuer zerstört. Später sollen Geheimdienste eine russische Verwicklung ins Spiel gebracht haben, nun wird in alle Richtungen ermittelt.

Im Oktober 2022 musste die Deutsche Bahn den Zugverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands einzustellen, nachdem die Haupt- und Reservekommunikationskabel im Abstand von etwa 200 Kilometern fast gleichzeitig unterbrochen worden waren. Politik und Polizei waren damals uneins, ob es nach Sabotage aus dem Ausland roch oder nicht. Der Urheber ist bis heute unbekannt.

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