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Russische Friedensgespräche: Erst verhandeln, dann „zerquetschen“

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Ein russischer Panzer T-80, laut Kreml angeblich irgendwo in der Ukraine im Gefecht.
Ein russischer Panzer T-80, laut Kreml angeblich irgendwo in der Ukraine im Gefecht. © dpa

Der Kreml tut alles, um Friedensgespräche mit jener Ukraine in Gang zu bringen, die er selbst kontrolliert.

Ob der „gottlose Clown“ und „frühere Präsident der früheren Ukraine“ Verhandlungen überhaupt zustimmen werde, sinnierte Dmitrij Medwedew, der frühere Präsident Russlands, am Donnerstag über Kiews Staatschef Wolodymyr Selenskyj. „Fast alle stimmen überein, dass die übermäßig aufgeblähte Eitelkeit dieses übelriechenden Possenreißers, die Drohungen der radikalen Nazis und die Unterstützung des Westens so ein Szenario praktisch unmöglich machen“, schrieb Medwedew auf Telegram.

Noch am Dienstag hatte Wladimir Putin in einer gemeinsamen Erklärung mit dem indischen Premier Narendra Modi versichert, der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine müsse mit diplomatischen Mitteln gelöst werden.

Aber außer Medwedew demonstrierte am Donnerstag auch das russische Außenministerium ausdrücklich Widerwillen gegen Verhandlungen, die Russland nicht mittels seiner Vorbedingungen kontrolliert. Vizeaußenminister Michail Galusin sagte RIA Nowosti, Russland habe nicht vor, an einem zweiten Ukraine-Gipfel nach dem Schweizer Summit vom Juni teilzunehmen – obwohl Kiew plant, diesmal auch Putin zu der Konferenz einzuladen, die voraussichtlich in Saudi-Arabien und noch vor den US-Präsidentschaftswahlen im November stattfinden soll.

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„Uns sind die Absichten des Kiewer Regimes und seiner westlichen Kuratoren bekannt, sich für das gescheiterte Summit in Bürgenstock zu rehabilitieren“, so Galusin. Und man sehe, dass andere Initiativen zur Regulierung der Ukraine-Krise ignoriert würden. „Wir akzeptieren solche Ultimaten nicht und werden an derartigen ,Gipfeln‘ nicht teilnehmen.“ Galusin zürnte wohl vor allem deshalb, weil Bürgenstock für Selenskyj keineswegs ein Reinfall war: 80 Staaten forderten, dass die territoriale Unversehrtheit der Ukraine wiederherzustellen sei. Damit bestätigten sie den zentralen Punkt der „Friedensformel“ Selenskyjs.

Putin und Konsorten dagegen wiederholen unermüdlich ihre „Minimalforderungen“: den Rückzug aller ukrainischen Truppen aus den von Russland als sein Staatsgebiet beanspruchten ostukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sowie den endgültigen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt. Erst danach sei überhaupt an Waffenstillstand und Verhandlungen über das weitere Schicksal des Nachbarlandes zu denken.

Putin: Vorbedingung, Selenskyj zu entmachten

Und Putins mehrfach wiederholte Behauptung, Selenskyj sei als Präsident illegitim und deshalb nicht verhandlungsfähig, impliziert noch die Vorbedingung, den Ukrainer zu entmachten.

Diplomatisch ist die Konfliktlage so festgefahren wie entlang den Fronten in der Ostukraine. Und Galusins Vizeministerkollege Sergej Rjabkow sagte am Donnerstag laut der staatlichen Agentur Tass, bei der angekündigten Stationierung US-amerikanischer Raketen in Deutschland handle es sich um „ein Kettenglied im Eskalationskurs“ der Nato und der USA gegenüber Russland. „Wir werden (...) eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten.“

Eskalation ist inzwischen Routine. Das gilt auch für Konfliktlösungskonzepte hüben wie drüben. Kiew und Moskau agieren in parallelen diplomatischen Welten. Einzig der selbst ernannte Vermittler Viktor Orbán hat nun sowohl mit Selenskyj wie mit Putin gesprochen. Aber zumindest im Westen gibt kaum wer etwas auf seine angebliche Vermittlung.

Viele, die für Russland trommeln, bemühen sich ebenfalls massiv, die europäische Öffentlichkeit zu demotivieren. So doziert der kremlnahe Politologe Alexej Muchin, die Ukrainer hätten alle Illusionen verloren, Russland zu besiegen. „Das Problem ist, dass die westlichen Länder auf dem Gebiet der Ukraine eine gewaltige Menge von Objekten besitzen.“ Es gehe also „leider nicht um Humanitäres, sondern um Eigentum“. Die Eigentumsfrage treibt auch Russland um: Im Hinterland der Kampfzone gehen regelmäßig Material und Treibstoff in Flammen auf, am Sonntag bei Woronesch, Dienstag in Kalatsch am Don, Donnerstag in Chimki bei Moskau. Es steht zu vermuten, der Kreml könnte selbst gut einen Waffenstillstand gebrauchen.

Viele in der Ukraine wie auch russische Oppositionelle bezweifeln aber, dass der Kreml noch fähig ist, vom Kriegs- wieder in Friedens- oder zumindest Koexistenz-Modus umzuschalten. Wie zur Bestätigung droht Scharfmacher Medwedew, auch eine Beseitigung Selenskyjs und ukrainische Kapitulation bedeuteten keineswegs das Ende der Militäroperation Russlands. Denn dann würde sich „der übriggebliebene Teil der Radikalen (die demokratischen Kräfte der Ukraine, d.Red.) umgruppieren und früher oder später an die Macht zurückkehren“. Dann komme die Stunde, um „das ukrainische Reptil endgültig zu zerquetschen“. Friedensfühler hören sich anders an. mit dpa

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