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Nato-Jubiläum: Kein Grund, zu feiern

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Die Nato konnte beim Jubiläum keine Stärke demonstrieren. Dazu sind die weiteren Hilfen für die Ukraine als Signal zu schwach und die Sorge um die Zukunft zu groß. Der Leitartikel.

Festliche Stimmung wollte beim Jubiläum der Nato nicht aufkommen, obwohl das Bündnis mit Schweden und Finnland gewachsen ist und so geeint ist wie lange nicht. Auch für eine kritische Würdigung etwa des Einsatzes in Afghanistan war kein Platz. Zu schwer wiegen die Sorgen um die Zukunft des Nordatlantikpakts, zu groß sind die Bedrohungen von innen durch antidemokratische Kräfte und außen von Russland und China.

Überschattet wurde ohnehin alles von der Frage, wie fit US-Präsident Joe Biden ist und von der Debatte um seine Chancen auf eine Wiederwahl nach seinem verheerenden TV-Duell mit Herausforderer Donald Trump. Umso mehr wollten alle Stärke demonstrieren, was nur wenig überzeugend gelang.

Die Nato verspricht der Ukraine weitere Hilfen – doch es braucht mehr

Die zusätzlichen Waffenlieferungen an die Ukraine für deren Kampf gegen den Aggressor Russland fielen gemessen am dringend benötigten Bedarf zu gering aus, Fünf strategische Luftverteidigungssysteme beispielsweise sind zwar besser als nichts, reichen aber nicht, um die massiven russischen Raketenangriffe abzuwehren. Zudem waren viele der Zusagen bereits bekannt. Entscheidender ist sowieso, wann sie endlich ankommen. Die versprochenen Kampfjets sollen im Laufe des kommenden Jahres geliefert werden.

All das hilft nicht, die eigentliche Schwäche der Unterstützung des überfallenen Landes durch die westlichen Verbündeten zu kaschieren. Die USA und die europäischen Partner waren nicht bereit, Kiew mit allem Nötigen zu unterstützen, um die russische Armee aus dem Land zu treiben. Dies gibt all jenen Recht, die behaupten, es sei zu wenig zum Siegen und zu viel zum Aufgeben.

Kein Wunder also, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zwar dankbar ist für die immensen Hilfen des Westens an Geld, Waffen und die Aufnahme von Flüchtlingen. Doch fordert er nachvollziehbar immer lauter mehr Waffenhilfe und das Ende der Einschränkung, die russischen Truppen auch weit hinter deren Linien angreifen zu dürfen.

US-Raketenstationierung in Deutschland: Eigentlich keine Eskalation

Die US-Langstreckenwaffen sollen nun in Deutschland stationiert werden, um die Abschreckung gegenüber Russland zu erhöhen. Das erinnert zwar an den Kalten Krieg, hat damit aber nichts zu tun. Russland ist nicht die Sowjetunion, die Unterstützung Moskaus durch Peking ist begrenzt und überhaupt nicht vergleichbar mit dem Warschauer Pakt. Zudem war die Sowjetunion berechenbarer und zur atomaren Abrüstung bereit, während der Autokrat Wladimir Putin sein Land viele Jahre aufgerüstet hat und teils bestehende Verträge zur Abrüstung aufgekündigt hat.

Die völkerrechtswidrige russische Invasion der Ukraine zwang die USA und die Europäer zusätzlich dazu, nicht nur der Ukraine beizustehen, sondern auch auf die Bedrohung durch die imperialen Ziele Moskaus zu reagieren – etwa mit den Langstreckenwaffen, die Washington ja bereits abgezogen hatte. Das macht Deutschland also nicht mehr zum Ziel von Putin als zuvor. Mit denen zumindest die Biden-Administration untermauert, dass sie Europa nicht aufgibt.

Ein Teil der 110 Kilometer langen Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm: 1983 ging es darum, Pershing-II-Raketen zu verhindern.
Ein Teil der 110 Kilometer langen Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm: 1983 ging es darum, Pershing-II-Raketen zu verhindern. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Trump und der vermeintliche Frieden in der Ukraine

Ähnliches dürfte sogar auf den notorischen Nato-Kritiker Trump zutreffen. Seine Tiraden zielten immer darauf, die europäischen Nato-Partner dazu zu bringen, endlich das vor rund zehn Jahren nach der russischen Annexion der Krim beschlossene Zwei-Prozent-Ziel auch zu erreichen. Zwei Drittel der Nato-Staaten haben es bereits umgesetzt, was den Rest wohl nicht mehr zu einem lohnenden Ziel macht.

Trump dürfte bei einer Wiederwahl auch nicht daran interessiert sein, in seiner zweiten Amtszeit einen möglichen Sieg Russlands über die Ukraine zuzulassen. Einen derartigen Makel wird er vermeiden wollen, weil seine Fans Schwäche nicht mögen werden. Auch deshalb wird er mit dem nicht verhandlungsbereiten Moskau innerhalb von 24 Stunden keinen Friedensschluss herbeiführen können, wie er vollmundig behauptet.

Machtpolitisch profitieren die USA ohnehin von ihren Stützpunkten in Europa. Auch dadurch sind sie in der Lage, weltweit militärisch einzugreifen. Das macht sie zur einzig verbliebenen Weltmacht. (Andreas Schwarzkopf)

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